leistung, wenn die Frauen ihrerseits ihren Einfluß für die Ziele der verschiedenen politischen Parteien in die Wagschale werfen.
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Aber freilich: sobald die Frauenrechtelei sich kraftvoll in den brausenden Strom des politischen Kampfes wirft, ist sie gezwungen, aus der luftigen Höhe des ideologischen Phrasennebels herunterzusteigen und sich auf den harten Boden der geschichtlichen Thatsachen zu stellen, die durch die Klassengegensätze beherrscht werden. Sie kann dann nicht mehr in harm und kraftlosem Eklektizismus den berechtigten Kern" jeder politischen Ueberzeugung bekomplimentiren und den Schwesterschmaz mit gleich konventioneller Ges dankenlosigkeit und geschäftiger Gile allen Klassen und Parteien anbieten. Dann steht auch sie unter dem Gebote der Nothwendigfeit, im Streite der Klassen und Parteien Stellung zu einem entschiedenen Für oder Wider zu nehmen. Je nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schichte, nach Geschichts- und Weltauffassung, Charakter und Temperament, Bildungs- und Lebensgang werden sich frauenrechtlerische Gruppen auf Grund bestimmter politischer Ueberzeugungen zusammenballen und den entsprechenden Parteien der Männer eingliedern. Kämpfend wird die Frauenrechtlerin nicht blos im demokratischen Lager stehen, auch im nationalliberalen, konservativen und ultramontanen, so gut wie heute schon die Sozialdemokratin die Schlachten des klassenbewußten proletarischen Heerbanns schlagen hilft. Innerhalb den verschiedenen politischen Gruppirungen aber werden die für die Ziele derselben wirkenden Frauenrechtlerinnen die Frauensache wirksam vertreten.
Damit geht allerdings die Einheitlichkeit der Frauenrechtelei in die Brüche. Allein diese verliert damit nichts als ihre Schwäche und gewinnt dafür die Macht, die verschiedenen politischen Parteien zum energischen Kampfe für die Frauenrechte zu zwingen. Die Einheit der Frauenbewegung aber bleibt gewahrt, sie bleibt bestehen in Gestalt der gemeinsamen Interessen, in Gestalt der Forderungen, die alle Frauen in Folge ihrer Geschlechtslage erheben müssen, wenn auch die Verwirklichung der angestrebten Reformen von verschiedener Bedeutung für die Frauen der verschiedenen Klassen ist und sie zu sehr verschiedenen Zielen führt. An die Stelle der einheitlichen Schwäche im frauenrechtlerischen Lager tritt die vielfache Kraft von Parallelaktionen, die sehr wohl auch unter gegebenen Umständen, auf Grund einer Verständigung von Macht zu Macht zwischen den einzelnen frauenrechtlerischen Fraktionen zu einem einheitlichen Vorstoß werden können. Nur indem die Frauenbewegung aufhört, als einheitliche, unpolitische, parteilose Strömung seicht und träge dahinzuplätschern, wird die Frauensache über alle Parteien hinausgehoben, weil sie zur Sache aller Parteien wird. Der Hinblick auf die Entwicklung der englischen Frauenbewegung und der Haltung der Parteien ihr gegenüber beweist das lichtvoll.
Solange die deutsche Frauenrechtelei sich der Erkenntniß verschließt, daß der Kampf für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts im Mittelpunkt ihrer Bestrebungen stehen muß; solange sie sich an den Wahnglauben von der einen ungetheilten und parteilosen Frauenbewegung klammert: solange bleibt auch in Deutschland die Frauenrechtelei zur Schwäche verurtheilt; solange bleibt sie mitschuldig an der feindseligen, verständnißlosen und unwürdigen Haltung, welche die bürgerliche Welt Deutschlands den Frauenforderungen gegenüber einnimmt. Macht kann nur durch Macht gebrochen werden. Soziale Macht wird aber nicht durch Entsagen und Zagen erobert, vielmehr nur durch Wagen, durch den Kampf.
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The Women's Industrial News".
Von Helene Simon.
Der, Women's Industrial Council"( Zentralausschuß für Frauenarbeit), eine im November 1894 gegründete Organisation zur systematischen Untersuchung und Hebung der englischen Arbeiterinnenverhältnisse, hat früher ein inhaltlich nicht erhebliches Monatsblatt herausgegeben. Die ,, Women's Industrial News", so heißt sein Titel, sind nun im Spätjahr 1897 in ein vierteljährlich erscheinendes Heft umgewandelt worden, dessen erste Ausgabe werthvolle Berichte über
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Siehe„ Die industrielle Frauenbewegung in England", Nr. 68 der Wiener Zeit", 18. Januar 1896; Nr. 2 der ,, Gleichheit", Jahrgang 1895, Nr. 1 und Nr. 2,, Gleichheit" 1896.
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den gesetzlichen Schutz der Heimarbeit, über Londoner Zustände und das Verhältniß zwischen Gewerkschaft und Frauenarbeit enthält.
Hinsichtlich der Heimarbeit in New York , Massachusetts , Illinois , Ohio und Maryland , ist an der Hand der Fabrikinspektorenberichte mitgetheilt, daß der gesetzliche Eingriff, da wo seine Durchsetzung erreicht wurde, in gesundheitlicher Beziehung erfolgreich war. Allein die große und ungemein schnell wachsende Zahl der Heimarbeiter, ihr unausgesetzter Wohnungswechsel, ihre Findigkeit im Verheimlichen ansteckender Krankheiten und gesetzwidrig beschäftigter Erwachsener und Kinder: alle diese Umstände und andere noch erschweren die Ueberwachung ungeheuer. In Chicago hatten die Inspektoren nach 3 Jahren des Nachspürens, im Dezember 1896, fontrollirte Listen von mehr als 2000 Konfektionswerkstätten, mehrere hundert Zigarrenwerkstätten, Bäckereien und Wäschereien. Die täglich zu korrigirende Listenführung erfordert allein die beständige und sorgfältige Arbeit eines erfahrenen Beamten. Trozzdem lassen sich die Gesetze bei unermüdlicher Arbeit wirksam ausführen, berühren aber auch dann die schlimmsten Uebel der Heimarbeit nicht, wenigstens soweit die Arbeiter in Betracht kommen. Auch unter günstigen sanitären Bedingungen bleiben die Opfer des Systems überarbeitet und unterbezahlt und gezwungen, kleine Kinder unter dem staatlich erlaubten Alter in ihren Wohnräumen zu beschäftigen. In Illinois ist ein Versuch, die Arbeitszeit durch ein Achtstundengesetz für alle Arbeiterinnen zu beschränken, von der obersten Instanz als verfassungswidrig verworfen worden; daß alle bisherigen Maßregeln die Tendenz gezeigt haben, die Heiman einem Versuch der Lohnregelung fehlt es gänzlich. Wichtig ist, arbeit zu entmuthigen; so sind z. B. in New York im Januar 1894, nachdem die Gesetze 1/2 Jahre in Kraft waren, 59 Fabriken in Gegenden errichtet worden, die bis dahin mit Wohnungen von Konfektionsarbeitern übersäet waren. Diese Fabriken, die ausdrücklich erbaut worden sind, um die Konfektion den neuen Vorschriften anzupassen, haben die Arbeitsbedingungen von 17 147 Personen verbessert. In Neu- Seeland unterstehen alle Räume, in denen zwei oder mehr Personen gegen Lohn arbeiten, den Fabrikgesehen, hinsichtlich der sanitären Bedingungen, der Arbeitszeit junger Leute und Frauen, der Feiertage 2c. Jeder Unternehmer hat eine Liste über die von ihm beschäftigten Heimarbeiter zu führen, und alle in Privaträumen oder uneingetragenen Werkstätten angefertigten Artikel müssen dies fonstatirende Vermerke tragen. Zweifellos", sagt der Fabrikinspektor in seinem Berichte von 1896, werden die Gesetze zuweilen umgangen, aber es hat thatsächlich aufgehört, daß anständige Firmen Arbeit an Frauen ausgeben, die in mörderischem Wettbewerb einander unterbieten.'
In Neu- Südwales und Viktoria gelten alle Räume, in denen Personen beschäftigt sind, als Fabriken. In Viktoria untersteht die vier oder mehr Personen, in Südauftraulien alle, in denen sechs gesammte Heimarbeit der Inspektion, und hier findet sich auch der Versuch der Festsetzung eines Minimallohnes.
Ueber die Heimarbeit in verschiedenen Theilen Londons hat das„ Investigation Committee"( Romite zur Erforschung der Arbeiterinnenverhältnisse) des„ Women's Industrial Council" reiches, noch zu bearbeitendes Material gesammelt. Das Organisationskomite hat die Bildung kleiner Arbeiterinnengruppen in Aussicht genommen, deren Aufgabe es sein soll, Material über Umgehungen der Arbeiterinnenschutzgesetze beizubringen. An den einschlägigen Berathungen nahmen zwei Fabrikinspektorinnen Theil; Miß Anderson, die jetzige„ Principal Lady Inspector" und Miß Deau.
Das„ Educational Committee"( Romite für Erziehung) hat eine Untersuchung über„ Schulkinder als Lohnarbeiter"( ohne Rücksicht auf solche Kinder, die unentlohnte Arbeit zu Hause thun) in 54 Elementarschulen Londons veranstaltet. Fünf Prozent der Kinder sind Lohnarbeiter; viele darunter arbeiten den ganzen Samstag. Eine große Anzahl Knaben trägt früh Morgens Milch oder Zeitungen aus und nimmt die gleiche Arbeit Abends wieder auf. Die Mädchen arbeiten zu jeder Zeit( ,, to all hours") in verschiedenen Heimindustrien; in einer Schule waren von 307 Schülerinnen 65 in der angegebenen Weise thätig. Das Traurigste ist, daß die Beschäftigung fast aller dieser Kinder für ihre Zukunft nuylos ist oder direkt demoralisirend wirkt. Ihr Höchstverdienst beträgt zwei bis drei Schilling die Woche ( 1 Schilling 1 Mt.); durchschnittlich bleibt die Einnahme jedoch unter einem Schilling; der niedrigste Lohn ist„ a daily halfpenny" ( nicht ganz 5 Pf. täglich) für zwei Stunden Arbeit.
In einem interessanten, aber in seinen Schlußfolgerungen nicht unanfechtbaren Artikel führt Frau Sidney Webb aus, daß der
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, The Attidude of Men's Trade Unions towards their Female Competitors."( Die Haltung der Trade- Unions der Männer gegen die weibliche Konkurrenz.)