neues Streifreglement und eine Neuregelung des Unterstützungswesens. Der Verbandstag wurde mit einem Hoch auf die deutsche Schneiderbewegung geschlossen. W. K.
Ein christlich- sozialer Textilarbeiterinnenverband wurde kürzlich in Aachen gegründet. Näheres über die neue Organisation konnten wir bis jetzt nicht erfahren, doch vermuthen wir, daß die Gründung von katholischer Seite ausgegangen ist und in erster Linie den Zweck verfolgt, die zahlreichen Textilarbeiterinnen des Rheinlands von dem Anschluß an den Verband der deutschen Textilarbeiter abzuhalten. Dieser Verband steht ja auf dem Boden des Klassenkampfes und den christlichen Sozialpolitikern ist es darum zu thun, durch harmonieduselige Organisationen dafür zu sorgen, daß die Arbeiter und Arbeiterinnen nicht durch energische und zielbewußte Forderungen die Verdauungsseligkeit ihrer Ausbeuter stören. Jedenfalls verdient aber die Thatsache Beachtung, daß man von jener Seite her die Organisirung der Arbeiterinnen in die Hand zu nehmen beginnt. Die Thatsache zeigt einmal, daß man auch in jenen Kreisen mit der Frau als Berufsarbeiterin rechnen und ihr auf Grund ihrer Berufsarbeiterschaft eine neue soziale Bewegungsfreiheit zuerkennen muß. Die Thatsache zeigt ferner, daß man die sozialistische Agitation unter den Arbeiterinnen fürchtet und die Nothwendigkeit empfindet, ihr entgegen zu wirken.
Weibliche Fabrikinspektoren.
Die Anstellung von zwei Assistentinnen der Fabrikinspektion in Hessen ist nun erfolgt. Für den Bezirk Offenbach ist Fräulein Geist als Assistentin ernannt worden, für den Bezirk Mainz Fräulein Schumann aus Mainz . Fräulein Schumann war bisher als Schneiderin thätig. Ueber die Persönlichkeit des Fräulein Geist haben wir bereits in letzter Nummer berichtet. Beiden Damen wird große Energie nachgerühmt und genaues Vertrautsein mit den Verhältnissen der Arbeiterinnen ihrer Bezirke, also Eigenschaften, die von wesentlicher Bedeutung für die erfolgreiche Erfüllung ihrer Amtspflichten sind. Es ist anerkennenswerth, daß die hessische Regierung sich schließlich bei der Wahl der Assistentinnen nicht von den Gesichtspunkten der bureaukratischen Schablone leiten ließ, vielmehr von praktischen Erwägungen, die dafür sprachen, die Assistentinnen aus den Kreisen der weiblichen Arbeiterschaft selbst zu entnehmen.
Kursus zur Vorbildung von weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten in Berlin . Auf Veranlassung des Bundes deutscher Frauenvereine ist in den Sommermonaten in Berlin der zweite Kursus zur Vorbildung von weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten abgehalten worden. Der Unterricht umfaßte die Gewerbeordnung, insbesondere die Arbeiterschutzgesetze, ferner eine Einführung in die Technik des Aktenwesens und Gewerbehygiene. Er wurde von einem Dozenten der Nationalökonomie, einem Beamten des Gewerbegerichts der Stadt Berlin und einem Privatdozenten der Hygiene ertheilt. Für die Vorträge über Hygiene stand das hygienische Institut der Universität zur Verfügung, wodurch es ermöglicht wurde, daß die Theilnehmerinnen sich im Experimentiren übten. Die Theilnehme rinnen gehörten den verschiedenartigsten Berufszweigen an; der Unterricht wurde am Abend ertheilt( von 8 bis 10 resp. 11 Uhr). Die Unterrichtsstunden wurden durchweg regelmäßig besucht. Der Unterricht war unentgeltlich; um das Gelernte zu befestigen und zu vertiefen, tursiren unter den Theilnehmerinnen eine Anzahl von Büchern, die der einschlägigen Literatur angehören. Wir werden in nächster Nummer das Programm des Kursus ausführlich wiedergeben.
Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.
* Ueber die Zunahme der Frauenarbeit, ihre Ursachen und ihre Folgen sprach sich der Arbeitskommissär der Vereinigten Staaten , Carroll D. Wright , kürzlich in einer angesehenen englischen Zeitschrift aus. Er behauptet, daß die Zunahme der Frauenarbeit im großen Ganzen nicht eine Abnahme der Männerarbeit zur Folge habe, sondern meist selbst die Folge der Abnahme der Kinderarbeit sei. Er versucht an statistischen Beispielen nachzuweisen, daß die Frauen überall an Stelle der durch Gesetze von der Arbeit ausgeschlossenen Kinder treten.
Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.
* Die Frage der Frauenlöhne wurde im Londoner Graf schaftsrath kürzlich lebhaft debattirt. Es war beschlossen worden,
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eine Anzahl weiblicher Abschreiber und Stenographen mit einem Anfangsgehalt von 20 Mark pro Woche anzustellen. Sämmtliche Arbeitervertreter erklärten, der Neuerung nicht eher zustimmen zu wollen, bis das Gehalt der Frauen ebenso hoch firirt werde, wie das der männlichen Angestellten, d. h. auf ca. 33 Mart wöchentlich. Ihr Antrag wurde mit 67 gegen 36 Stimmen abgelehnt und schließlich ein Vermittlungsvorschlag angenommen, wonach das Gehalt weiblicher Angestellten„ mindestens 20 Mark" betragen soll.
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Frauenstimmrecht.
Frauenrechte in der Lokal- Verwaltung Irlands. Das englische Parlament hat soeben ein Gesetz angenommen, das die Lokalverwaltung Irlands neu regelt. Die Jrländerinnen sind dadurch rechtlich günstiger gestellt als die Engländerinnen. Sie besitzen das aktive Wahlrecht für den Grafschaftsrath, das aktive und passive Wahlrecht für die ländliche Gemeindeverwaltung und können außerdem die Armenpfleger wählen und als solche gewählt werden. Mit Recht begrüßen die englischen Vorkämpfer der Frauenbewegung die Annahme dieses Gesetzes als einen großen Sieg ihrer Sache.
* Eine Volksabstimmung über das Frauenstimmrecht wird im November im Staate Washington stattfinden. Der Antrag fordert, daß der Verfassung ein Amendement beigefügt werde, durch das den Frauen unter denselben Bedingungen wie den Männern politische Rechte gewährleistet werden.
* Neue Aussichten für das Frauenstimmrecht in NeuSüdwales. Der Gouverneur der englischen Kolonie Neu- Südwales, früher ein Gegner der Frauenbewegung, hat sich der dortigen Frauenstimmrechts- Liga nunmehr als überzeugter Anhänger angeschlossen und für die nächste Session des Parlaments seine energische Unterstützung ihrer Bestrebungen in Aussicht gestellt.
* Das kommunale Wahlrecht ist in Montreal , Kanada , auf Witwen und unverheirathete Frauen, die ein steuerpflichtiges Besitzthum haben, ausgedehnt worden.
* Eine Petition für Ausdehnung des Stimmrechts auf alle 21 Jahre alte Personen ohne Unterschied des Geschlechts ist vom Hause der Abgeordneten in der englischen Kolonie Tasmania ( Australien ) mit 20 gegen 8 Stimmen angenommen worden. Voraussichtlich wird das Oberhaus jedoch die Neuerung, wie schon drei Mal vorher, zurückweisen.
* Für die Theilnahme der Frauen am öffentlichen Leben sprach sich 1775, nach dem nordamerikanischen Befreiungskrieg, der erste Präsident der Vereinigten Staaten , John Adams , aus. Er schrieb seiner Frau:„ Deine Mutter hat einen klaren Verstand, ein sicheres Urtheil, ein mitfühlendes Herz... Aber sind ihre Talente und Tugenden nicht zu ausschließlich dem privaten, häuslichen Leben gewidmet? Meiner Ansicht nach sollten solche Kräfte der Gesammtheit nutzbar gemacht werden. Wären die Fähigkeiten und Tugenden der Frauen immer zugleich in den Dienst öffentlichen Wohles und politischer Freiheit gestellt, ganze Nationen und Geschlechter wären vor Elend und Untergang behütet worden."
* Der Gouverneur von Kolorado und das Frauenstimmrecht. Der„ Kongreß der Federation der nordamerikanischen Frauenklubs" fand in diesem Sommer in Denver , der Hauptstadt Kolorados statt, jenes Staates, der das aktive und passive Frauenstimmrecht eingeführt hat. Hunderte von Delegirten der Klubs kleiner Vereine zum Zwecke der Bildung die 220000 Mitglieder vertraten, strömten bei dieser Gelegenheit zusammen. Viele unter ihnen gehören zu den schärfsten Widersachern des Frauenstimmrechts. Um so größer war das Erstaunen, als das Oberhaupt des Staates, Gouverneur Alva Adams , seine Begrüßung zu einer Agitationsrede ersten Ranges für die Gleichstellung der Geschlechter gestaltete.„ Wir wünschen, daß unsere Gesetze, unsere Häuser, unsere Schulen, unsere sämmtlichen Einrichtungen von allen denen geprüft werden möchten, die an der glänzenden Wirkung der Theilnahme des weiblichen Geschlechts an den Staatsgeschäften zweifeln"; sagte er.„ Ueberzeugen Sie sich, so lange Sie hier sind, selbst. Unser Unterrichtsminister ist eine Frau; fein Posten wird besser verwaltet, als der ihre. Die Hälfte der Schulinspektoren und fast alle Lehrer sind weiblichen Geschlechts; trotzdem können wir unser Schulwesen den besten der Vereinigten Staaten zur Seite stellen. Kommen Sie in unsere Familien und Sie werden weniger schlecht erzogene Kinder, weniger unordentliche Haushalte finden, als in den Staaten, die das Frauenstimmrecht nicht kennen. Ich begreife nicht, wie ein ehrlicher, gerechter Mann dem Weibe, das ihn geboren, und dem, das seine