Neben einer Zunahme der Beschwerden von Arbeiterinnen und Arbeiterorganisationen haben sich die Ersuchen der Unternehmer um Information( Aufklärung) über ihre Verpflichtungen unter den Fabrik und Truck- Gesezen, über angemessene Arbeitsräume, über Vorschriften betreffend Register, Arbeitszeit, Ueberzeit, Feiertage, Aborte 2c. sehr vermehrt. Es ist das ein deutlicher Beweis für das Durchdringen des Pflichtbewußtseins oder auch der Furcht vor der Aufsicht." Interessant ist die Beobachtung einer wachsenden Entschlossenheit seitens der Arbeiter, sowohl der organisirten als der unorganisirten, sich der Mittel zu bedienen, die das Truckgesetz jetzt zur Beseitigung oder Milderung von Bürden gewährt, die bisher schwer auf ihnen gelastet haben." Es ist seit 1897 eine Erweiterung der Truckgesetze in Kraft, die genau bestimmte Angaben über Straf­bußen und Abzüge vorschreibt.

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Die bedeutende Zunahme der Bureauarbeiten hat zur Anstellung eines Schreibers für die weibliche Abtheilung des Inspektorats geführt. Durch seine Verlegung nach 23 Great George Street, Westminster, ist das Bureau ebensowohl zu einem wirklichen Mittelpunkt des Nachrichten- Austausches zwischen den Inspektorinnen geworden- und wo es nöthig erscheint mit anderen Gliedern des Beamtenstandes als auch zu einem Mittelpunkt des Verkehrs der Inspektorinnen mit Fragestellern und Beschwerdeführern. Es wird im Bericht wieder besonders betont, daß die Beamtinnen es als ihre Hauptaufgabe be­trachten, für Arbeiter oder deren Freunde, die ihre Hilfe suchen, zur Stelle zu sein, und daß jederzeit, auf dem Bureau oder anderorts, Ver­abredungen zum Zwecke einer Besprechung getroffen werden können. Miß Anderson's Ausführungen, betreffend den Zweig der weiblichen Aufsichtsthätigkeit, welcher die Prüfung der von Frauen eingesandten Beschwerden über Uebelstände umfaßt, deren Beseitigung möglich ist oder als möglich vorausgesetzt wird, führe ich nachfolgend im Wort­laute an.

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,, Es war mein Wunsch, ein einfaches Mittel zur Beurtheilung der Arbeit an die Hand zu geben, die durch die direkten Klagen der geschützten Personen veranlaßt wird. Einerseits lohnt es sich klar­zustellen, mit welchem Maß von Zuversicht die Arbeiterinnen die Gelegenheit ausnüßen, an uns herantreten zu können; andererseits ist es sehr wünschenswerth, daß der Grad von Zuverlässigkeit dieses, den Inspektorinnen im Allgemeinen zur Verfügung stehenden Leit­fadens von der Deffentlichkeit ungefähr abgeschäßt werden kann. Meine erste Absicht war, die Sachlage in drei nebeneinander stehenden Rubriken der Gesammtsumme der empfangenen, untersuchten und

Nummer 1054.

Aus dem Schwedischen von Gustav Lichtenstein. Beide waren jung und trugen das Adelszeichen der Schönheit, im Adelskalender aber stand nur er. Beide waren reich an heißem Jugendblut und jubelnder Lebenslust, an Gold aber nur er.

Draußen auf dem Lande trafen sie sich, gerade um die Zeit, da die Birkensäfte reichlich fließen, die Vögel sich paaren, und die Herzen der Jugend höher schlagen vor Sehnen und Hoffen, sie wissen nicht, wonach.

Das erste Mal saß sie auf einem umgefallenen Fichtenstamm im Walde und las in einem Buche, während sie den Frühjahrs: hut auf das dichtblühende Heidelbeerkraut geworfen und die kleinen Füße unter das Kleid gezogen hatte. Und er war hinausgegangen mit der Büchse auf der Schulter, um den Frieden der Natur durch ein paar Vogelmorde zu stören. Vor acht Tagen waren sie einander auf dem Balle vorgestellt worden: Fräulein X., die Er­zieherin unserer Kinder, Graf Y., unser Gutsnachbar.

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Und das Buch blieb bis um die Mittagsstunde aufgeschlagen und ungelesen, und die Vöglein, die längst unter den Kugeln des Herrn Grafen hätten verbluten müssen, sie sangen fröhlich in den Bäumen ihren Frühlingshymnus.

Er war zu klug und sie zu naiv, um für den folgenden Tag ein Stelldichein" zu verabreden. Aber laut der ungeschrie­benen Naturgeseze, denen sich zwanzigjähriges Blut blind unter­wirft, famen sie am nächsten Tage und an vielen folgenden Tagen zu der faulen Fichte im Walde. Es war eine herrliche, milde Sommerzeit, voller Freiheit für die Eleven auf dem Herren­hof und für die leckeren Sänger im Walde....

Ich weiß nicht, ob die Schwalben in ihrer Sprache etwas sagen, wenn sie unter pfeilschnellem Flügelschlag hoch oben in den Wolken zum ersten Male übereinkommen, bei Anbruch der Dunkel­heit Schutz unter demselben Dachfirst zu suchen. Die beiden

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nicht von uns bestätigten Beschwerden darzustellen. Bei genauer Prüfung meines Beweismateriales wurde ich mir indeß vollkommen bewußt, daß der Gegenstand zu einer solchen Behandlung zu ver­wickelt sei. Obgleich man ganz bestimmt sagen kann, welches die untersuchten Beschwerden sind, ist es viel schwerer zu sagen, daß die Inspektion eine unzweideutige Widerlegung der Be­schwerde ergeben habe. Es bleibt eine große Grenzsumme von Be­schwerden, über die nur gesagt werden kann, daß ihre Berechtigung bei ein oder mehrmaliger Inspektion nicht nachweisbar war. Oft muß einer einzigen Beschwerde zu verschiedenen Tages- und Jahres­zeiten nachgespürt werden, und endlich enthüllt irgend ein Zufall die Sachlage; oder ein wichtiger, von der Klägerin nicht erwähnter Theil der Mittheilung wird nach eifrigem Forschen aufgedeckt und dadurch die wesentliche Genauigkeit einer sehr angezweifelten anonymen Be­schwerde dargethan. Handelt es sich um ungesetzliche Ueberzeit ( 103 Beschwerden, von denen 78 untersucht wurden, betrafen allein diesen Punkt), so ist die Einsenderin vielleicht eine abgemühte Arbeiterin am Schluß der Saison, und der Verstoß ist am gleichen Ort und zur Zeit nicht mehr festzustellen; erst wenn eine neue flotte Geschäftsperiode beginnt, kann die ganze Summe der Ueberzeit er­messen und obwohl schwerer, vielleicht nachgewiesen werden. Wo die Schreiberin sich persönlich meldet oder ihren Namen zeichnet, können solche Schwierigkeiten natürlich sofort überwunden werden. Die Zahl dieser Fälle mehrt sich stetig und wird noch stärker zu­nehmen mit der Gewißheit, daß keine Arbeiterin je getäuscht wurde!"

Andere Schwierigkeiten der Untersuchung hängen mit der Un­bestimmtheit der Gesetzgebung oder der Scheu und den Ausreden der als Zeugen angerufenen Arbeiterinnen zusammen. Auch in den ein­fachsten Fällen sind oft mehrere Besuche nöthig. Von den 400 Be­schwerden des Berichtsjahres waren 99 anonym, 122 tamen von Arbeiterinnen- Organisationen, 20 durch amtliche Organe, 159 waren mit der Unterschrift von Arbeiterinnen oder ihrer Freundinnen versehen.

Einen großen Theil der Zeit der Inspektorinnen nahmen vier Sonderuntersuchungen in Anspruch, von denen mir als am bedeutungs­vollsten erscheint eine Prüfung des Einflusses der Arbeit in Töpfereien auf die Gesundheit der Arbeiterinnen und des weiblichen Organismus, sowie die Untersuchung der Wirkung und der Ergebnisse der für die betreffende Industrie geltenden Schuhmaßregeln. Die Unzulänglichkeit der Letzteren wird überzeugend dargethan.

Diese und andere eingehende Untersuchungen erfordern eine

jungen Menschenkinder an dem umgestürzten Fichtenstamm sprachen nichts, als sie zum ersten Male einander ans Herz drückten. Der duftende Wald, die warme Sonne, der Gesang der Vögel, das Dunkel unter dem grünen Bogendach, das alles sprach für sie, und darum tauschten sie Küsse wie die Tauben, anstatt Ver­sprechungen wie die Kulturmenschen.

Und dann ward es Herbst....

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Nummer 1054 war ein munterer Knabe mit blondem Haar, rothen Wangen und einem helltönenden Lachen, mit dem er nicht sparsam umging. Er trug seine Nummer als Soldat in dieser heimathlosen Armice ohne Eltern, die zum Wahlplatz die ganze Welt, das Waisenhaus zur Intendantur hat.

,, Aeltere, kinderlose Leute" waren ins Waisenhaus gekommen, um das zu suchen, was sie nicht hatten: ein kleines schußloses Wesen, das sie lieben und erziehen wollten. Stets waren sie bei Nummer 1054 stehen geblieben und hatten sich zugeflüstert: Ein schönes Kind", dann waren sie weiter gegangen. Es war etwas Wildes, Troßiges im Blicke dieser Nummer", was die Aelteren und Kinderlosen   erschreckte. Sie wählten lieber ein kleines, nied­liches, blasses Mädchen mit einem Stumpfnäschen und deutlichen Spuren von Rhachitis zum Trost ihres Alters.

1054 aber wurde dem Gemeindeschuster in X. für den üblichen Beköstigungspreis übergeben. Hier ging es ihm schlecht und recht, er durfte essen, was die neun leiblichen Kinder des Meisters übrig gelassen hatten und in völliger Freiheit mit den Lederfleckchen spielen, die auf der Erde herumlagen. Dazwischen bekam er seine Hiebe, durfte sich satt essen, wenn nicht Schmal­hans Küchenmeister war, wurde leidlich sauber gehalten und dem Waisenhausvorstand als gesund, stark und im Genuß der zärt­lichsten Elternpflege" beschrieben.

Des Sonntags, wenn Mutter Schwarz die Nachbarfrauen zum Kaffee bei sich hatte, brachten sie wohl manchmal den neun