sogar unmöglich gemacht werde, um so mehr müssen die Fleisch­preise steigen. Und sie stiegen und stiegen thatsächlich zu Nuz und Frommen einer winzigen Minderheit von erb- und schloß­gesessenen Großgrundbesißern, die Schlachtvieh in erheblicher Menge zu Markte bringen; sie stiegen auf Kosten der breiten Masse. Die Proletarierin empfindet das tagtäglich, wenn sie sorgenvoll den Inhalt ihres schmalen Beutelchens nachzählt und seufzend der Bedürfnisse gedenkt, für die sie bis Ende der Woche noch auf­fommen muß. Die Ausgaben für die paar Häppchen Fleisch laufen gar so sehr ins Geld", so klagt sie. Und doch hat die Frau beim Einkaufen gespart und gespart, hat die mikroskopischen Nationen der Kinder noch winziger geschnitten, hat für sich selbst auf jeden Bissen Fleisch verzichtet und mit großem Geschick ge= heuchelt, daß für sie am großen Knochen noch massenhaft dran" ist, nur damit sie dem Mann, dem Brotschaffer, ein annehmbares Stück vorzulegen vermochte!

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Besonders hart trifft es die proletarische Frau, daß das Schweinefleisch am meisten im Preise gestiegen ist. Im Juni 1896 3. B. bezahlten in Beuthen   die armen Oberschlesier das Kilo Schweinefleisch mit 90 Pf., im September 1897 dagegen mit 1,20 Mt. und im September 1898 gar mit 1,50 Mt. Die Preissteigerung ging Schritt für Schritt mit der Erschwerung der Einfuhr von Schweinen aus Rußland   und Desterreich, bezw. mit der Herabsetzung der bestimmten Menge von Schweinen, welche in größeren oberschlesischen Schlachthäusern eingeführt werden dürfen. In Berlin   ist der Preis für das Kilo Schweine­fleisch von 1,20 Mt. auf 1,50 Mt. gestiegen; in Leipzig   ist es pro Kilo um 10 Pf. in die Höhe gegangen, in München   seit 1896 um 15-19 Pf. Das ungeheuere Anziehen der Preise erklärt sich. Einmal ist die Grenzsperre gegen die Einführung russischen, österreichischen und ungarischen Borstenviehs besonders streng, dann aber auch ist die Nachfrage nach Schweinefleisch besonders starf. Die breite Masse soweit sie überhaupt zum Fleischgenuß kommt verzehrt hauptsächlich Schweinefleisch. Nicht etwa, als ob die proletarische Hausfrau- deren Unverständniß" und schlechte Wirthschaftsführung" von der Bourgeoisie so oft für die schlechte Ernährung der Proletarier verantwortlich gemacht wird- außer Stande wäre, den höheren Nährwerth und die Schmackhaftigkeit guter, saftiger Beefsteaks und zarten Geflügels zu schätzen. Aber Schweinefleisch ist oder war wenigstens oder war wenigstens das billigste Fleisch und läßt sich vor Allem am wirthschaftlichsten eintheilen. Eine Preissteigerung der anderen Fleischsorten ließ nicht auf sich warten. Auch die Einfuhr von Rindern, Schafen, frischem Rindfleisch 2c. ist durch die Grenzsperre erschwert. Der Mangel an Schweine­fleisch bei starker Nachfrage und dem steigenden Preise dafür trug das Uebrige dazu bei, Fleisch jeglicher Art zu vertheuern.

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Und die Folgen davon für die proletarische Familie? Sie liegen auf der Hand, und die Hausfrau vor Allem kann sie an den Fingern abzählen, weil sie ihr am ersten und am fühlbarsten zum Bewußtsein gelangen.

Die Haushaltungsausgaben für die Ernährung sind gewachsen. Der bekannte bürgerliche Sozialpolitiker Dr. Jastrow rechnet nach, daß von Februar bis September dieses Jahres die Aufwendungen für Nahrungsmittel einer vierköpfigen Arbeiterfamilie gestiegen sind: in Berlin   von 19,48 auf 20,53 Mt., in Leipzig   von 20,72 auf 21,18 Mt., in München   von 21,22 auf 23,13 Mf., in Braun­ schweig   von 20,40 auf 20,91 mt. Die angegebene Steigerung bleibt aber sicherlich noch hinter der Wirklichkeit zurück. Denn die meisten Arbeiterfamilien haben mehr als zwei Kinder, und unseres Erachtens trifft durchaus nicht immer die Annahme zu, daß ein Kind zu seiner Ernährung nur halb so viel als ein Er­wachsener bedarf, wie dies Dr. Jastrow angenommen hat. Dazu sei betont, daß Dr. Jastrow seiner Berechnung das Mindestmaß an Nahrungsmitteln zu Grunde gelegt hat, welches ein Erwach­sener nach der Marineverwaltung bedarf. Das Mehr der Aus­gaben im Familienbudget ist durch die Steigerung der Fleischpreise bedingt. Die gleiche Thatsache weist Dr. Bloch in einer Broschüre für Oberschlesien   nach. Er hat die Haushaltungen von 70 Ar­beiterfamilien aufgenommen, wo der Mann durchschnittlich im Monat 99,96 Mt. verdient. Auf Grund eingehender Berechnungen stellt er fest, daß in Folge der Preissteigerung jezt mindestens zehn

Prozent des Arbeitsverdienstes mehr für die Ernährung ausgegeben werden müssen.

Wenn der proletarische Hausvater noch so gern die Sorgen seiner Gattin erleichtern möchte, so wird es ihm doch nur in den seltensten Fällen möglich sein, das Wirthschaftsgeld den theueren Fleischpreisen entsprechend zu erhöhen. Den anschwellenden Aus­gaben für des Leibes Nahrung steht bei den gegenwärtigen Zeit­läuften im Allgemeinen kein höheres Einkommen gegenüber. Die Zivilliste des Königs von Preußen wurde allerdings vor Jahren unter Hinweis auf die gestiegenen Lebensmittelpreise aufgebessert", ohne daß der Monarch mit einem Streit zu drohen brauchte. Selbstredend von rechtswegen, denn dem Verdienste seine Krone, und der Krone ihren Verdienst. Arbeiter und Arbeiterinnen jedoch haben heutigentags nicht so schnell auf eine Aufbesserung ihrer " Zivilliste", des Lohnes zu rechnen. Die Zeit des flotten Ge­schäftsganges ist vorüber, wenn vielerlei Anzeichen nicht trügen, so gehen wir wieder einmal einer Krise entgegen, und ein Zucht­hausgesez ist für die Lohnsflaven in Sicht, welche mit Ausnußung des Koalitionsrechts für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen wollen.

Da gilt es denn, den höheren Ausgaben durch größere ,, Spar­samfeit" zu begegnen. Die" Sparsamkeit" aber beginnt bei dem vertheuerten Nahrungsmittel, bei dem Fleische. Der Konsum da­von wird eingeschränkt, es kommt weniger und schlechteres Fleisch auf den Tisch. Dr. Blochs Beobachtungen bestätigen, was wir bereits ausführten: daß besonders Frauen und Kindern die Fleisch­nahrung entzogen wird. Nach der Allgemeinen Fleischer- Zeitung" wurden in Berlin   vom 1. April 1897 bis 31. März 1898 rund 2 Millionen Kilo Fleisch( Wild, Geflügel und Fische nicht eingerechnet) weniger verzehrt, als im Vorjahre: 142 Millionen Kilo, gegen 144 Millionen, und dies obgleich die Bevölkerung um 27800 Personen zugenommen hat. Der Verbrauch an Schweine­fleisch soll um 43,3 Prozent zurückgegangen sein, der an Rindfleisch um 30,9 Prozent; der Konsum von Kalb- und Hammelfleisch hat gleichfalls abgenommen, ja es wurde sogar 1,4 Prozent weniger Pferdefleisch gegessen. In Sachsen   ist der Verbrauch von Schweine­fleisch von 26,7 Kilo pro Kopf im Jahre 1896 auf 25,9 Kilo 1897 gesunken; im Handelskammerbezirk Plauen fiel er für die genannte Zeit von 22,93 auf 20,64 Stilo.

Der Rückgang des Verbrauchs von Fleisch ist um so be= dauerlicher, als Deutschland   ohnehin schon eine sehr niedrige Ver­zehrsziffer aufweist. In den Landwirthschaftlichen Jahrbüchern", einer gewiß unverdächtigen Quelle, wurde voriges Jahr der durch­schnittliche Fleischkonsum für 1893 pro Stopf mit 39,9 Stilo an­gegeben, während er in Frankreich   50 und in Großbritannien   gar 70 Kilo beträgt. Die Arbeiterfamilie bleibt aber erfahrungs­gemäß mit ihrem Fleischverbrauch hinter dem Durchschnitt zurück, wie die folgenden Ziffern bestätigen. In Leipzig   war sich der durchschnittliche Konsum von Fleisch von 1867-1887 fast gleich geblieben, er stellte sich 1887 auf 63,8 Stilo pro Kopf. 1894 jedoch, als die großen Vororte mit ihrer vorwiegend proletarischen Bevölkerung eingemeindet wurden, sant er auf 40 Kilo. Man darf also wohl annehmen, daß in den proletarischen Vororten nicht viel mehr als 20 Stilo Fleisch pro Kopf verzehrt wurde. Wie es übrigens betreffs des Fleischgenusses in den Arbeiterfamilien aus­sieht, das beleuchtet grell die Thatsache, daß in den letzten Jahren der Verbrauch von Hundefleisch und in vielen Städten von Pferde­fleisch zugenommen hat. Graf Kaniz und seine Erwerbsgenossen", Herr von Stumm und seine Brüder in Ausbeutung sind es sicher nicht, die sich den Gaumen mit Beefsteaks von Trabtrab und Wauwaubraten lefzen.

In jeder Richtung muß die Grenzsperre mit ihrer Begleit­erscheinung der Fleischnoth die ungünstigen Verhältnisse auf die Spize treiben, welche bezüglich des Fleischverbrauchs der Arbeiter­familie vorliegen. Alle Leiden, alle Uebel aber, die in der Folge für die breite Masse heraufbeschworen werden, treffen mit vollster Wucht die Arbeiterin. Diese hat deshalb ganz besonders das Recht und die Pflicht, die Beseitigung einer Maßregel zu fordern, welche geradezu volksfeindlich, gemein gefährlich ist und nur Denen um Kanis frommt. Wir sagen, die Proletarierin hat das Recht und die Pflicht, schleunigste Abhilfe zu fordern, nicht blos sich selbst gegenüber, sondern auch mit Rücksicht auf den Mann, der in