Die deutschen   Gründerinnen, Frau Bieber- Böhm an der Spitze, haben die Einrichtungen des amerikanischen   Bundes nie genug rühmen können; man las jedoch in der amerikanischen   Presse selten oder nie von seiner Thätigkeit, und erst jetzt erfahren wir durch eine englische Frauenzeitschrift( Woman's Signal) Näheres von seiner Zusammen­setzung. Darnach darf der amerikanische   Bund auf die Bezeichnung ,, national" eigentlich keinen Anspruch machen, da er nur den kleinsten Theil der amerikanischen   Frauenvereine umfaßt und unter den Ver­einen, die ihm angehören, nur zwei bis drei sich befinden, die Be­deutung haben. Es gehören ihm im Ganzen 19 Vereine an; der Frauenstimmrechtsverein und der Frauentemperenzverein sind die größten, da sie wieder aus einzelnen in verschiedenen Staaten ver­theilten Vereinen bestehen; doch giebt es neben diesem Frauenstimm­rechtsverein zahlreiche ähnliche Vereine, die dem Bunde nicht angehören. Erstaunlicher Weise gehört auch die große, ausgedehnte Federation der Frauenklubs nicht zu ihm; ein einziger Klub nur findet sich in der Mitgliederliste verzeichnet. Die übrigen Mitgliedsvereine sind Missions, Sittlichkeits- und Wohlthätigkeitsvereine. Außerdem gehört noch eine Industrieschule für Mädchen und eine Vereinigung weib­licher Stenographen zum Bunde. Kein einziger Arbeiterinnen- Verein, feine Frauengewerkschaft gehört dazu. Er ist nichts anderes als eine mehr oder weniger zufällige Zusammenwürfelung einiger bürgerlicher Vereine, die weit davon entfernt sind, die gesammte amerikanische  Frauenbewegung zu repräsentiren.

* Der National- Bund englischer Frauenvereine ist noch weit weniger umfassend. Selbst die große Union   arbeitender Frauen wohlgemerkt sind damit nicht Arbeiterinnen gemeint, sondern Damen, die in irgend einem Zweige der Wohlthätigkeits- oder Reform­bestrebungen thätig sind hat sich ausdrücklich davon ausgeschlossen. Eine genaue Uebersicht über seine Zusammensetzung werden wir dem­nächst bringen.

* Die nationalen Verbände der Frauenvereine in den australischen Kolonien sind dagegen einheitlicher und fortschritt licher. Der Bund von Neuseeland   agitirt energisch für Erlangung des passiven Wahlrechts und beschäftigt sich mit der wichtigen Frage, die ökonomische Unabhängigkeit verheiratheter Frauen zu sichern. Diese Einheitlichkeit aber beruht einfach auf der Kleinheit des Landes, auf der geringen Anzahl von Frauen und Frauenvereinen, die somit leichter unter einen Hut zu bringen sind. Im Allgemeinen muß die Idee nationaler Frauenvereinsverbände als eine von Anfang an unpraktische bezeichnet werden. Ueber die divergirenden Interessen der Vereine war man sich zwar flar, man glaubte aber trotzdem eine folgenreiche Verbindung zwischen ihnen herstellen zu können, wenn man erklärte, daß die nationalen Verbände keine andere Thätigkeit entfalten sollten, als die, denen jeder einzelne Mitgliedsverein von Herzen" beistimme. Daß unter dieser Voraussetzung der Liebe Müh umsonst bleiben muß, wird jedem einleuchten, der sich die Bunt­scheckigkeit der Frauenvereine, ihrer Ziele und Absichten einmal klar macht. Vereine können nur dann eine gedeihliche, gemeinsame Wirk ſamkeit entfalten, wenn sie von einer gemeinsamen Basis ausgehen, sei sie nun eine politische, eine philosophische oder religiöse. Jeder andere äußere Zusammenhang fann nur ein phrasenhafter sein, der auch dem leisesten Stoß nicht Stand hält.

* Der erste weibliche Privatdozent der Philosophie, Fräulein Dr. Tumarkin, hielt am 29. Oktober an der Berner Universität die Antrittsvorlesung, deren Gegenstand war: Goethe über das Wesen

des Dramas".

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dem Beruf des Arztes zuwandten, erklärt sich aus der irrigen An­schauung, daß Krankenpflege sich mit der Ausübung der ärztlichen Kunst decke.* Das medizinische Studium und die ärztliche Praxis er­heischen aber ganz andere Gaben als die Krankenpflege. Er sei früher Gegner der Frauenbewegung gewesen, und zwar um der Frauen selbst willen, in der Ueberzeugung, daß der natürliche Beruf der Frau die Uebung der Pflichten der Hausfrau sei. Er habe aber erkannt, daß die Frauenbewegung nicht etwas künstlich Gemachtes oder Erhaltenes sei. Die wirthschaftlichen Verhältnisse drängen die Frau, sich neue Erwerbszweige zu schaffen. Er erachte es jetzt für billig, daß die Frauen zu den Universitätsvorlesungen zugelassen werden; die Frage sei nur, in welchem Maße und auf welchem Wege. Die jetzigen Einrichtungen sind nur vorläufig. Richtig ist, daß kein Dozent gezwungen werden darf, Frauen zu seinen Vorlesungen an­zunehmen. Am meisten berührt die Frage die Lehrer der Heilkunde. Es liegt nicht in einem jeden Lehrer, einen medizinischen Gegenstand bestimmter Art vor einer aus weiblichen und männlichen Studirenden bestehenden Hörerschaft darzulegen. Zweckmäßig wären anatomische Präparirkurse eigens für weibliche Medizinstudirende. Auch sonst sei es nicht unbedenklich, junge Mädchen und Jünglinge gemeinsam zu unterrichten. Es komme darauf an, die Psyche eines jeden der beiden Geschlechter sich selbständig entwickeln zu lassen. Weibische junge Männer sind ebenso widerlich wie Viragines. Vieles spricht für die Errichtung von Frauenuniversitäten. Frauen lernen anders als die Männer. Frauen erfassen das Gedächtnißmäßige leichter und haben eine stärkere Phantasie. Der Mann hingegen denkt strenger und faßt das Ganze ins Auge. Wenn Frauen und Männer zusammen unter­wiesen werden, wird der Unterricht leicht dem Bedürfnisse der Frauen angepaßt und er verflacht.

Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß die Freundschaft des Herrn Professor Waldeyer den Frauen gefährlicher sein dürfte, als seine Feindschaft. Besondere Frauenuniversitäten würden die Ursache sein, alle weiblichen Studirenden zu Studenten zweiter Klasse zu degradiren. Schon aus der Bemerkung Waldeyers, daß der Unter­richt flach werden müsse, wenn Frauen an ihm theilnehmen, ist seine Absicht deutlich zu erkennen, die Frauen nach wie vor mit dem bloßen Surrogat der Wissenschaften zu regaliren. Sie würden demnach auch anderen, leichteren Examina unterworfen und im späteren Berufs­leben hinter den Männern zurückstehen. Die Meinung des neuen Rektors über die Frauen wird übrigens durch einen anderen Vorfall illustrirt: Der sozialwissenschaftliche Studentenverein hatte Fräulein Marie Melline aufgefordert, ihm einen Vortrag zu halten. Sie wählte das unverfängliche und von den Fragen der Frauenbewegung weitab liegende Thema: Gefangenenfürsorge". Trotzdem hat Professor Waldeyer den Vortrag untersagt, weil die Vortragende eine Frau ist, und es vermuthlich der Würde deutscher Männer nicht ent­spricht, von einer solchen etwas zu lernen.

* Ein Beispiel für deutsche Mediziner. Bekanntlich haben die deutschen Aerzte sich wiederholt in schärfster Weise gegen die Zu­lassung der Frauen zum Studium der Medizin ausgesprochen. Un­verhüllter Konkurrenzneid ist die Triebfeder ihrer Haltung. Wieder­holt theilten wir mit, wie vorurtheilslos und sympathisch dagegen die russischen Mediziner dem ärztlichen Studium der Frauen gegenüber­stehen. So berichteten wir vor etlicher Zeit, daß der letzte russische Aerztetag sich für die Gründung eines medizinischen Instituts für Frauen in Kiew   ausgesprochen hat. Die Studenten der Medizin in Kiew   bringen dem geplanten Unternehmen ebenfalls ihre Sympathie und thatkräftige Unterstützung entgegen. Um die Gründung zu er­möglichen, sammeln sie selbst Geld dafür. Sie verzichteten auf die Sitte der Abschiedskommerse, die den Studenten, die einen Kursus absolvirt haben, sehr viel zu kosten pflegten, und bestimmten die er­sparten Summen dem Fraueninstitut. Zu gleicher Zeit haben sie an die übrigen Universitäten einen Aufruf erlassen, diesem Beispiel zu folgen. Wie viel könnten deutsche   Studenten von ihren russischen Brüdern lernen!

* Zwei Berliner   Universitätsrektoren über das Frauen­studium. Der bisherige Rektor der Berliner   Universität, Professor Dr. Schmoller, sprach sich bei der Uebergabe des Rektorats an seinen Nachfolger, Professor Waldeyer, auch über das Frauenstudium aus. Er berichtete, daß die Zahl der weiblichen Studenten in Berlin   im letzten Jahre 352 gegen 212 im vorhergehenden betragen habe. Be­kanntlich sind die Frauen nur als Hospitantinnen( Gasthörerinnen) zugelassen. Eine Aenderung dieser Einrichtung hielt Professor Schmoller für nöthig; sie könne jedoch, führte er aus, nur getroffen werden, wenn die Frage der Vorbildung der Frauen endgiltig gelöst sei. Sei dies der Fall, so müsse die vollständige Gleichstellung der weiblichen mit den männlichen Studirenden durchgeführt werden. Auch der neue Rektor, der bisher als Gegner der Frauenbewegung bekannt war, verbreitete sich über das Frauenstudium. Das Ziel der Frauen­bewegung, so führte er aus, ist die Erlangung der sozialen Gleich­berechtigung der Frauen. Den Vorkämpferinnen der Frauenbewegung mußte es zuerst vor Allem darum zu thun sein, den Frauen den Ein­gang zu den Universitäten zu erschließen. Nur so konnten sie wissen­schaftlich durchgebildete Streiterinnen gewinnen, die mit Erfolg für ihre Sache zu kämpfen befähigt sind. Daß die Frauen sich zuerst Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart  . Drud und Verlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b.H.) in Stuttgart  .

* Eine chinesische   Aerztin, Hou- King- Eng, die in Philadelphia  ihr Doktorexamen gemacht hatte, und zu dem Hofstaat Li- Hung- Changs gehört, betheiligte sich als Delegirte an dem Kongreß weiblicher Aerzte, der kürzlich in London   stattfand.

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* Der Antrag auf Errichtung einer Malschule für Frauen, im Anschluß an die berühmte Düsseldorfer   Malerakademie, wurde von den Stadtverordneten Düsseldorfs   kürzlich berathen und zur Begut­achtung einer Kommission übergeben. Es wäre zu wünschen, daß der Antrag zur Annahme gelangt, denn auch in dieser Beziehung stand Deutschland   hinter anderen Staaten bisher zurück.

* Diese irrige Anschauung" existirt nur im Kopfe des Herrn Pro­fessors, innerhalb der Frauenbewegung sind wir ihr nicht begegnet.