der weiblichen Gewerbeaufsicht einerseits auf die Gleichgiltigkeit der Arbeiterinnen gegenüber der Reform geschlußfolgert wird, anderer­seits aber auf die Ungeeignetheit der Frau für die einschlägigen Aufgaben.

Soziale Gesetzgebung.

Eine Verböserung der Gewerbeordnung zu Uugunsten der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter in den Ziegeleien, das ist die neueste Leistung bundesräthlicher Arbeiterfürsorge, der Sozialreform von oben. Der Bundesrath setzte bekanntlich durch eine Verordnung vom 27. April 1893 bis 31. Dezember 1897 für den größten Theil der Ziegeleien die Bestimmungen der Gewerbeordnung außer Kraft, welche sich auf Anfang, Ende, Dauer der Arbeitszeit und Beschäftigung an Festtagen der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter beziehen. Vor einem Jahre verlängerte er die Geltungsdauer der Verordnung bis zum 1. Januar 1899, und dies, obgleich die Berichte der Fabrifinspektoren von einer geradezu schauderhaften Ausbeutung der Ziegeleiarbeiter erzählen und durch Thatsachen flär­lich beweisen, wie dringend nöthig eine weitere Ausdehnung des Arbeiterschutzes im Interesse der Ausgebeuteten ist. Die Gleichheit" hat sich in Nr. 25 des vorigen Jahres eingehend mit den Verhält­nissen der Ziegeleiarbeiterinnen beschäftigt und das Vorgehen des Bundesraths nach Verdienst gewürdigt. Nun hat der Bundesrath von seinem Recht zu Ausnahmebestimmungen(§ 139 a der Gewerbe­ordnung) aufs Neue zum Unternehmerschutz Gebrauch gemacht. Die Geltungsdauer der betreffenden Verordnung ist bis zum 1. Januar 1904 verlängert worden. Der Bundesrath gestattet damit, daß in Ziegeleien, die nur von Mitte März bis Mitte November im Betrieb sind, ferner in Ziegeleien, die ohne ständige Anlage betrieben werden oder in welchen als ständige Anlage nur ein Ofen vorhanden ist ( das sind 80 bis 90 Prozent aller Ziegeleien), die Arbeiterinnen und jungen Leute statt elf Stunden zwölf und die jugendlichen Arbeiter statt zehn Stunden elf beschäftigt werden dürfen. Des Weiteren dürfen die Arbeitsstunden statt um 5% Uhr Morgens schon 4/2 Uhr beginnen und bis Abends 9 Uhr ausgedehnt werden, statt um 1/29 Uhr enden zu müssen. Wie man sieht hat der Bundesrath mit feinem Verständniß die vom Chor jammernder Schlotjunker so eindringlich gepredigte Nothwendigkeit einer Schonzeit für das Unternehmerthum" begriffen.

Erhebungen über die Beschäftigung verheiratheter Frauen in den Fabriken werden gegenwärtig veranstaltet. Sie beziehen sich auf den Umfang, die Gründe und die Gefahren der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen. Die Fabrif- und Gewerbeinspektoren sollen Vorschläge über eine möglichst zweckmäßige Beschränkung machen und sich zu diesem Behufe mit den Vorständen und Aerzten der Kranken­fassen ins Einvernehmen setzen. Diese Erhebungen scheinen eine höf­liche Verbeugung zu sein vor den utopistisch- reaktionären Forderungen des Zentrums, die Fabrikarbeit verheiratheter Frauen zu verbieten. Denn daß der Kurs Posadowsky- Stumm geneigt sein sollte, den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz ernstlich weiterzuführen, das glaubt wohl Niemand in diesen Tagen der drohenden Zuchthausvorlage, der Rückwärtsrevidirung der Gewerbeordnung, des Talmischutzes der Konfektionsindustrie. Will man den schweren Schädigungen der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen entgegenwirken, so beschränke man ernstlich die kapitalistische Ausbeutungsfreiheit. Man führe zunächst den gesetzlichen Achtstundentag ein, man reformire gründlich die Ge­werbeaufsicht und stelle weibliche Fabrikinspektoren an, man sichere die volle Koalitionsfreiheit der Arbeiter und Arbeiterinnen.

Soziale Fürsorge für Kinder und Mütter.

Den Schutz der Zichkinder läßt sich die Rechtsschutz­stelle für Frauen und Mädchen" in Frankfurt a. M. angelegen sein. Sie richtete kürzlich an den preußischen Landtag eine Eingabe, welche eine bessere Regelung und Ueberwachung des Ziehfinderwesens fordert, sowie eine Generalvormundschaft über alle unehelichen, ver­waisten oder verwahrlosten Kinder, die den Vorstehern der Armen­ämter übertragen werden soll.

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H. F.

Eine bemerkenswerthe Maßregel sozialer Fürsorge hatte der sozialistische Gemeinderath zu Roubaix ( Nordfrankreich) getroffen. Er beschloß, daß jedes neugeborene Kind Anrecht auf eine erste Aus­stattung seitens der Gemeinde haben solle. Jeder ohne Unterschied, der die Geburt eines Kindes ob Familienvater oder ledige Mutter meldete, erhielt einen Bon( Marke), der zur Entnahme der Aus­stattung für das Neugeborene berechtigte. Die seitens der Gemeinde gewährten Wäschestücke 2c. repräsentirten ungefähr einen Kaufwerth von 20 Frcs., famen aber der Stadt selbst, die ihren Bedarf im Großen deckte, auf etwa 14 Frcs. zu stehen. Die Neuerung wurde

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von der bedürftigen arbeitenden Bevölkerung mit großer Freude be­grüßt, und das um so mehr, als die gewährte Erleichterung nicht das Gepräge der Armenunterstüßung trug, sondern den Charakter eines gleichen Rechts für Alle. Der Kapitalistenstaat konnte eine der­artige soziale Reform nicht dulden. Die Staatsbehörden legten ihr Veto gegen den Beschluß der Munizipalität ein, und diese war in der Folge gezwungen, die getroffene Einrichtung abzuändern, nach­dem sie nur etliche Monate in Kraft gestanden hatte. Die Aus­stattung für ein neugeborenes Kind können gegenwärtig nur Eltern, bezw. Mütter erhalten, welche in der Liste der Armenpflege ein­getragen sind. Den Bedürftigen soll nicht ein Recht zu Theil werden, sondern eine Gnade, so will es die kapitalistische Ordnung.

Frauenstimmrecht.

* Ueber die Folgen des Frauenstimmrechts in Neuseeland wird berichtet: Zunächst entstanden in der ganzen Kolonie Frauen­vereine, die sich, keiner politischen Partei angehörend, ausschließlich mit sozialen Problemen beschäftigten. Sehr bald jedoch entwickelten sich daraus politische Vereine der verschiedensten Richtungen. Ihr Hauptinteresse konzentrirt sich nach wie vor auf die innere Politik. Die Fragen der Alters- und Krankenversicherung, des Arbeiterschutzes u. s. w. beschäftigen seit Einführung des Frauenstimmrechts die Deffentlichkeit in bedeutend erhöhtem Maße, umsomehr, als die Frauenvereine sich nicht auf theoretische Diskussionen beschränken, sondern selbst weitgehende Untersuchungen anstellen. Die Einbringung der Gesetzentwürfe, die Altersversicherung und den Schuh jugend­licher Arbeiter betreffend, ist zum großen Theil dem Einfluß der weiblichen Wähler zu verdanken.

* Ueber ihre Erfahrungen als Mitglied des Parlaments von Colorado berichtete kürzlich Frau A. B. Coninn. Sie und ihre beiden Kolleginnen wurden von den Männern auf dem Fuße völliger Gleichberechtigung behandelt. Jede der Frauen wurde zur Vor­sitzenden einer der Kommissionen erwählt und hat ihrem Amt zu un­getheilter Zufriedenheit vorgestanden. Die nächsten Wahlen werden beweisen, wie weit die politische Gleichberechtigung der Frauen vom Volfe anerkannt wird. Die Frauen hoffen, daß die Zahl der weib­lichen Abgeordneten sich mindestens verdoppeln werde.

Frauenbewegung.

* Eine russische Frauenzeitung wird unter Leitung von Frau Paschkow- Toliwerow vom nächsten Jahre ab in Petersburg erscheinen. Das Blatt soll behandeln: Geschichte der Entwicklung der Frau und ihre Stellung in der Familie, Gesellschaft und im Staat; Chronik der Frauenbewegung im Inlande und im Auslande; Bio­graphie hervorragender Frauen; Berichte über Frauenkongresse und über Frauenvereine; Kritik der Literatur über die Frauenfrage; Stimmen aus der Provinz; Vermischtes und Bekanntmachungen.

* Zum Ehrendoktor der Universität München ist Lady Blennerhassek, die Verfasserin interessanter Werke über Frau von Staël und über Talleyrand, ernannt worden. Eigenthümlich berührt diese Ernennung, wenn man bedenkt, daß gerade diese Universität weibliche Studenten streng ausschließt, und die Regierung, der sie angehört, die Einrichtung von Mädchengymnasien nicht gestattet.

* Eine Reorganisation der russischen Mädchengymnasien wird vorbereitet. Man will sie den Knabengymnasien ähnlicher ge­stalten, denkt aber auch daran, für beide die Versegungs- Examen abzuschaffen, um den Kindern die gesundheitsschädlichen Aufregungen zu ersparen.

Eine Protestbewegung der italienischen Frauen gegen die Sträflingsbehandlung der von den Kriegsgerichten wegen politischer Vergehen Verurtheilten ist im Gange. Die Initiative dazu hat eine angesehene Mailänderin, Alessandrina Ravizzo, ergriffen. Auf ihren Aufruf hin hat sich eine Gruppe von Frauen der Bourgeoisie angehörend zusammengeschlossen, welche in vielen Tausenden von Exemplaren eine Eingabe an die Regierung zur Unterzeichnung verbreitet. In der Eingabe wird gefordert, daß die wegen politischer Vergehen Verurtheilten nicht den gemeinen Ver­brechern gleich behandelt werden, und daß ihnen insbesondere Lektüre, geistige Beschäftigung und bessere Kost 2c. gewährt wird. Der Ein­gabe ist ein Aufruf An die italienischen Frauen" beigefügt, in dem es heißt: Italienische Frauen! Zeigen wir indem wir unseren Namen in die beiliegende Liste einzeichnen daß auch wir mit dem Leben unseres Landes leben, uns würdig fühlen der hohen Ideale, der Traditionen der Ritterlichkeit und des Patriotismus und der heiligen Erinnerungen, die in jedem italienischen Frauenherzen lebendig sind.... Bereinigen wir uns in dieser Manifestation

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