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breitet worden, Rathgeber für Zürcherische Dienstboten." Dieser Rathgeber" enthält Auskunft über folgende fünfzehn Punkte, welche von besonderem Interesse für die weiblichen Dienstboten sind: Kündigung; gesetzliche Probezeit; Pflicht des Arbeitgebers zur Ver­pflegung und ärztlichen Behandlung der erkrankten Dienstboten; Mägdeherbergen in Zürich ; empfehlenswerthe Dienstbotenvermitte= lungen in Zürich ; Arbeitskammer; unentgeltlicher Rechtsbeistand für Frauen; Sparkassen; Bäder; weibliche Aerzte; unentgeltliche ärztliche Behandlung; öffentliche Lesesäle; Warnung vor Mädchenhandel; fantonale Verordnung betreffend die Plazirungsbureaus für Dienst­boten; Artikel im Wirthschaftsgesetz betreffend die Kellnerinnen. Der Rathgeber" ist nicht blos als besonderes Flugblatt erschienen, sondern auch den Statuten des Dienstbotenvereins" angefügt. Die vorstehenden Thatsachen lassen klar erkennen, daß die Züricher Organisation der weiblichen Dienstboten sich ganz wesentlich von jenen Vereinen unterscheidet, welche hie und da von ,, guten, praktischen Hausfrauen" gegründet worden sind. Diese Vereine sind in Wirk­lichkeit fast ausnahmslos Institute zur Versorgung der bürgerlichen Damen mit leistungsfähigen und gefügigen weiblichen Dienstboten. Sie sollen in erster Linie der Mädchennoth" abhelfen und den Vor­theil der Herrschaften wahren. Der Züricher Dienstbotenverein da gegen erstrebt die Hebung und den Schutz der Dienstmädchen und sucht ihre Interessen gegenüber den allzu argen Uebergriffen der Herrschaften zu vertheidigen. Der Organisation der Dienstboten stehen weit größere Schwierigkeiten entgegen als dem gewerkschaftlichen Zu­sammenschluß der industriellen Arbeiterinnen. Der in Zürich gemachte Versuch verdient deshalb die Aufmerksamkeit Aller, welche die Noth­wendigkeit erkennen, die Lage der Dienstboten zu verbessern. Wir hoffen demnächst Weiteres über den Züricher Dienstbotenverein und die erzielten Errungenschaften und Erfahrungen mittheilen zu können.

Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

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10 Pfennig, wofür sie einen großen Becher Kafao, Milch oder Thee und ein belegtes Butterbrot erhält. Warmes Essen kostet 15 Pfennig; jeden Abend giebt es davon ein anderes Gericht. Die meisten Kom­menden bevorzugen das warme Essen, da sie den ganzen Tag von Brot leben und weder in der Fabrik noch in der Schlafstelle Ge­| legenheit haben, sich etwas zu kochen. legenheit haben, sich etwas zu fochen. Neben dem geräumigen Eßzimmer liegt ein ebenso freundlich eingerichtetes Unterhaltungs­zimmer mit bequemen Sitzen, einer kleinen Bibliothek, zahlreichen Zeitschriften, einigen Zeitungen und verschiedenen Brettspielen. Bilder an den Wänden bieten dem Auge Unterhaltung. Selbst ein Klavier ist vorhanden und wird zur Freude der Hörerinnen öfters von den Aufsichtsdamen benützt. Für diejenigen, die ihre Sachen ausbessern wollen, steht eine Nähmaschine bereit. Die Gründerinnen des Heims theilen sich abwechselnd in die Beaufsichtigung und Unterhaltung der Mädchen. Haben diese die erste Scheu überwunden, so zeigen sie sich ungeschminkt wie sie sind: geistig unentwickelt wie die Kinder, derb, grade, oft verhungert und unversorgt, oft oberflächlich und eitel; aber alle mit derselben heißen Sehnsucht nach Lebensglück und Freude, die in jedem jungen Herzen lebt."

Wir haben im Prinzip nichts gegen solche Gründungen einzu­wenden, durch die bürgerliche Frauen viel Gutes leisten könnten. Aber wir haben das Recht, mißtrauisch zu sein und zur Vorsicht zu mahnen, solange nicht genau bewiesen ist, welcher Geist in dem Heim herrscht. In London giebt es in jedem Stadttheil ähnliche Anstalten; dort herrscht nicht nur vielfach ein widerlich frömmelnder Ton, sondern wir konnten durch eigene Anschauung erkennen, wie demo­ralisirend sie meist auf die jungen Arbeiterinnen wirken: diese, faſt stets unerfahrene Mädchen, werden zu unterwürfigen Verehrerinnen der Damen, die das Heim leiten, sie verlieren ihr Klassenbewußtsein, sie werden von den Gewerkschaften, von den öffentlichen Versamm­lungen unwillkürlich zurückgehalten, weil sie Abends das Heim zu be suchen gewohnt sind.- Vermeiden die Berliner Damen diese Klippen, so können wir ihre Thätigkeit nur anerkennen, geschieht es nicht, so müssen wir sie bekämpfen.

* Das Recht der Frau auf die Advokatur hat der sozia­Abgeordnete Viviani in einem Antrag in der französischen Kammer gefordert. Nach dem Antrag sollen Frauen, welche den Magister oder Doktortitel der Rechtswissenschaften erworben haben, unter Beobachtung der von den einschlägigen Gesetzen vorgesehenen Bestimmungen und Vorschriften zur Beeidigung und zur Ausübung der Advokatur zugelassen werden. Viviani verlangte für seinen Antrag die Dringlichkeit. In geistvoller, warmer Weise trat er für die Neuerung ein. Er verwies darauf, daß Fräulein Chauvin im vorigen Jahre den Titel als Doctor juris erworben hatte, aber vom obersten Gerichtshof nicht beeidigt und zur Advokatur zugelassen wurde und beanspruchte für die Frauen das vorenthaltene Recht als eine Konsequenz des demokratischen Gedankens, auf welchem die Republik beruht. Die Kammer sprach die Dringlichkeit des Antrags aus, der demnächst zur Verhandlung gelangt. In der vorigen Rammer hatten die bürgerlichen Republikaner Bourgeois, Poincaré , Deschanel den nämlichen Antrag eingebracht, der jedoch nicht zur Verhandlung gelangte und in Folge der Neuwahlen hinfällig ge= worden war. Die parlamentarische Kommission hat sich bereits zu Gunsten des Antrags ausgesprochen. Ebenso der Justizminister. Doch forderte dieser, im Gesetzestert selbst und nicht in der Begründung solle festgelegt werden, daß die weiblichen Advokaten unter feinerlei Umständen zu richterlichen Aemtern berufen werden könnten.

Eine Frauengruppe des berühmten Genter Vooruit ist fürzlich gegründet worden. Der so bedeutenden sozialistischen Ge­nossenschaft gehören seit ihrer Gründung Frauen als Einzelmitgliederlistische an. Nun aber haben sich Genossenschaftlerinnen zu einer besonderen Gruppe zusammengeschlossen, der im Interesse der Organisation ganz bestimmte Aufgaben zugewiesen worden sind. Die Frauengruppe soll: 1. Die Einkäufe und den Betrieb in den Läden des Vooruit kontrolliren, in denen Weißwaaren und Stoffe, Konfektion und Materialwaaren feil sind. 2. Eine kräftige Agitation für die Aus­breitung der Genossenschaft betreiben, ihr neue Mitglieder zuführen und die Mitglieder veranlassen, ihren Bedarf soviel als möglich in den Magazinen des Vooruit zu decken. 3. Gegen den Alkohol agitiren. 4. In jedem Arbeiterviertel Frauengruppen organisiren, welche sich die sozialistische Erziehung der proletarischen Kinder an­gelegen sein lassen. 5. Eine kräftige sozialistische Agitation betreiben. 6. Die Gewerkschaften in ihrem Bestreben unterstützen, weibliche Mitglieder zu gewinnen. 7. Eine Agitation für das Verständniß der Frauenfrage betreiben. Die Frauengruppe des Vooruit soll nicht ein besonderer Staat im Staate sein, ihr Wirken soll sich vielmehr organisch den weitfassenden und vielseitigen Zielen der sozialistischen Genossenschaft einfügen und unterordnen. Die geschlossene Organi­sation soll ein planmäßiges Arbeiten der Frauen auf solchen Gebieten ermöglichen, wo man ihre Thätigkeit als besonders nußbringend er­achtet. Der geniale Organisator und Leiter des Vooruit, Genosse Anseele, dessen Freundlichkeit wir die vorstehenden Mittheilungen verdanken, schreibt uns: Das Ziel ist groß, und die Aufgabe ist schwer. Aber in Gent haben die sozialistischen Männer und Frauen schon so viel Großes und Schönes vollbracht, daß sie vor einer neuen Arbeit nicht zurückschrecken." Wer die kräftige und gesunde sozia­listische Arbeiterbewegung fennt, deren Rückgrat der Vooruit ist, der ist auch davon überzeugt, daß die muthvoll in Angriff genommene Aufgabe glänzend gelöst werden wird. Glückauf unseren vlämischen Schwestern zur Arbeit, zum Kampfe und zum Erfolg!

Frauenbewegung.

* Ueber ein Arbeiterinnenheim in Berlin berichtet Frau A. Plothow in Egydis Versöhnung". Sie sagt: Das Heim in Berlin , Brückenstraße 8, Hof, Quergebäude part., ist im rechten und richtigen Sinne eingerichtet. Es ist jeden Abend von 6-10 Uhr, Sonntags von 4-10 Uhr für Arbeiterinnen geöffnet. Alles ist so gestaltet, daß die Besucherinnen sich frei und heimisch fühlen können. Nach Namen und Wohnung wird nicht gefragt; nur über die Zahl der Kommenden und ihren Beruf führt man eine Art Statistik. Für das leibliche Wohl ist gut gesorgt; die Küche steht unter der Leitung einer Hausmutter. Beim Eintritt zahlt jede Besucherin

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Eißner) in Stuttgart .

* Die Gründung eines Mädchengymnasiums aus privaten Mitteln wird nunmehr auch in Hannover geplant..

* Die Gymnasialkurse für Mädchen in Königsberg sind Ende Oktober mit 18 Schülerinnen eröffnet worden.

* Die Abhaltung des internationalen Frauenkongresses, der bei Gelegenheit der Weltausstellung im Jahre 1900 in Paris stattfinden sollte, ist von der allgemeinen Kongreßkommission abge­lehnt worden! Unter den 37 Kongressen, die zu der Zeit tagen werden, befinden sich Photographen- und Architektenkongresse, so daß man darnach beurtheilen kann, welche Bedeutung die Kommission der Frauenfrage beimißt. Sie motivirte ihre Ablehnung damit, daß sie erklärte, der Kongreß würde zu lange tagen und sei zu sehr mit Arbeit überladen.

* Ein thätiger Freund der Frauenemanzipation ist der fürzlich gewählte Gouverneur des Staates New York , Theodor Roose­ velt , von dessen zweijähriger Amtsführung die Frauen viel erwarten. * 33 weibliche Studirende hat zur Zeit die Universität Königsberg.

* Zahl der Studentinnen an amerikanischen Hochschulen. 7487 Frauen studiren gegenwärtig neben 60 163 Männern an den amerikanischen Hochschulen.

Drud und Verlag von J. H. W. Diet Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .