schlugen, wenig beachtet, so wurde auch das Volk, der Träger der Menschheitsgeschichte über denjenigen fast vergessen, die, begünstigt von Glück oder von der Begabung, weithin sichtbar aus der Masse hervorragten. Die fortschreitende ökonomische Entwicklung befreite diese Masse mehr und mehr aus ihrem Sklavenverhältniß, und während auf der einen Seite die Unterschiede zwischen Reichthum und Armuth sich verschärften, wurde andererseits eine gewisse Gleichheit der Bildung und Aufklärung befördert. Mit der Sklaverei und der Leibeigenschaft verschwand der Absolutismus ; das zum Selbstbewußtsein erwachte Volk erhob Anspruch auf das Recht, bei der Bestimmung über sein Wohl und Wehe mitzusprechen, und gedieh zu einem Machtfaktor, mit dem gerechnet werden muß. Als es anfing, sich bemerkbar zu machen, wurde es von der Wissenschaft gleichsam erst entdeckt, man begann, sein Leben, Fühlen und Denken in Vergangenheit und Gegenwart zu erforschen, und eröffnete damit ein Gebiet, das einen fast unerschöpflichen Reichthum neuer Erkenntniß in sich birgt.
Einen ähnlichen Werdegang wie das Volk hat auch die Frau durchmessen. Sie steht jetzt in allen Kulturländern auf dem Punkte, sich ihre wirthschaftliche, rechtliche und sittliche Gleichberechtigung zu erkämpfen. Nur für denjenigen, der die Entwicklungsgeschichte kennt, der weiß, welch langen, mühevollen Weg sie bis zu diesem Punkte zurücklegen mußte, wird die große, weit über ihr Geschlecht hinausreichende Bedeutung dieses Emanzipationskampfes klar. Aus der Tiefe des weiblichen Wesens und seiner Geschichte ist die Frauenfrage herausgewachsen, und sie muß bis in ihre Wurzeln hinein verfolgt werden, um die ganze Schwierigkeit der in ihr enthaltenen Probleme zu erkennen und die richtigen Mittel zu ihrer Lösung zu finden.
Die Entwicklungsgeschichte des weiblichen Geschlechts stellt sich, soweit wir auf historischem Boden stehen, als eine lange, im Dunkeln sich abspielende Leidensgeschichte dar. Aber auch wenn wir diesen Boden verlassen und uns auf Grund gelehrter For= schungen ein Bild des Lebens der Frau in grauer Vorzeit zu machen versuchen, finden wir sie immer in einem Zustand der Enge und Begrenztheit des persönlichen Daseins. Er war zunächst
großer Osterchoral donnerte er über die Gräber und rief zur Auferstehung.
Die Wälder bogen sich und reckten sich und krachten unter seinem Rütteln; jahrhundert- alte Eichen brachen zu Boden, und wie Rohr zerknickte, was dürr und morsch war und zu schwach und kraftlos, aufzuleben. Nur was gesund und stark und triebfähig, hielt Stand. In der Tiefe des Himmels zuckten wie ver= löschenwollende Lichter die Sterne zwischen den zerrissenen und zerreißenden Wolfen, die er lachend, wie Flaum, über uns dahinfegte, als freue er sich, einmal aufräumen zu können mit allem, was nicht niet- und nagelfest war. Selbst der Mond schien Sorge zu haben, über den Haufen geblasen zu werden und verfroch sich hinter zusammenstiebende Wolfenfeßen. Die Erde bebte unter seinem Donner.. aber es war nicht das Beben der Furcht .. es war das Beben der Freude, denn er brachte die Erfüllung ihrer Sehnsucht.
Von den Hängen schwollen die Quellen mit lautem Geriesel und die fahle, jeden Augenblick wechselnde Beleuchtung überrann alles mit phantastisch- gespenstischem Leben.
Vor den Gehöften und Häusern, an denen unser Weg vorüberführte, standen dann und wann die Leute. Der Sturm hatte sie vom Schlafe aufgejagt; denn das leichte Balkenwerk ihrer Behausungen erzitterte in allen Fugen unter seinen Stößen. Die Wetterhähne schrieen von den Giebeln. Es pfiff und heulte. Thüren und Fenster sprangen auf und schlugen. Vom Dorf herüber klangen die Glocken, angstvoll, dumpf, drohend, wie wenn...
Die Leute sagten: der Küster sei es nicht, der so läute! und blickten bleich und verstört, furchtsam und feig zum Himmel, und die Weiber beteten: Der jüngste Tag kommt! Die Welt geht unter! Herr Gott behüt uns!...
Nein, Mütterchen! Die Welt geht nicht unter! Noch lange nicht! Es wird nur endlich Frühling!
Frühling! und wenn's noch so tobt! Frühling! ja!...
4
|
-
-
durch die Natur ihres Geschlechts selbst begründet. Die Mutterschaft beschränkte ihre Bewegungsfreiheit und machte sie schußbedürftig, obgleich was wir berechtigt sind anzunehmen die Geschlechtsfunttionen weit weniger als heute mit pathologischen Erscheinungen( Krankheitserscheinungen) sich verbanden. Das kleine Kind jedoch bedurfte in Folge seiner völligen Unselbständigkeit der mütterlichen Fürsorge und während der Mann in welcher Periode der Menschheitsentwicklung immer- ungehindert durch Geschlechtsbeschränkungen seinen Trieben folgen konnte, war es das erste, dem Menschen zum Bewußtsein kommende Naturgesetz, daß die Mutter an das Kind gefesselt war. Es machte die Frau im Vergleich zum Mann von vornherein unfrei; es lud ihr Lasten und Leiden auf, die Niemand ihr abnehmen konnte. Es trug aber auch den Keim der Entwicklung aller Zivilisation und aller Sittlichkeit in sich.
Die Mutterliebe, jenes ursprünglichste Gefühl, war die erste Erhellung moralischer Finsterniß. Durch die Mutterliebe ging vom Weibe jede Erhebung und Gesittung aus. Denn nicht der Bund zwischen Mann und Weib war, wie uns Viele glauben machen wollen, die erste unumstößliche Vereinigung, sondern der Bund zwischen Mutter und Kind.2
Die Entstehung des neuen Lebens aus dem Weibe war zugleich das erste Mysterium( Geheimniß), das sich dem Menschen offenbarte. In den Mythologien fast aller Völker finden wir daher die Spuren göttlicher Verehrung des weiblichen Prinzips in der Natur. In der Göttin Isis beteten die Egypter die fruchtbare Erde an. Neith, deren geheimnißvoller Tempel in Sais stand, war die Personifikation der mütterlichen, gebärenden Kraft. Von der Urmutter Themis erfährt Zeus das nur ihr bekannte Geheimniß des Alls. leber Odin, den Göttervater und alle Götter der Germanen stehen die Schicksalsgöttinnen, die Nornen. Gunnlöd, ein Weib, verwahrt den Trank der höchsten Weisheit; durch sie erst wird er Odin zu Theil.
1
Vgl. Bachofen, Das Mutterrecht. Stuttgart , S. 10.
2 Vgl. K. Bücher, Die Entstehung der Volkswirthschaft. Tübingen 1898, S. 13.
Und lachend zogen wir weiter und sangen und ließen uns den Thauſturm in die Brust wogen.. wir waren ja gewohnt, im Sturm zu stehen!.. und sangen und jauchzten: Frühlingswärts! Morgen zu! Sonn' entgegen!
Sonn' entgegen! Frühlingssonn' entgegen!
Das war es ja auch!
Wir wollten die Sonne einmal aufgehen sehen, und das Frühlingsdrängen in uns trieb uns ihr entgegen.. mit der ganzen Lust unseres Hoffens, mit dem ganzen Glauben unserer Jugend, mit der ganzen Jugend unseres Glaubens!
Ein paar, die Furcht überkam und denen unheimlich wurde vor all den lebendig werdenden Baumstümpfen und Hohlwegschatten, drehten um, da sie.., sich nicht erfälten wollten in dem sinnlosen Wetter', und verloren sich zurück in ihren trübseligen Alltag.
Wir andern aber zogen weiter durch die prächtige Nacht und ihren jauchzenden Frühlingssturm und ließen uns, aufschauernd, sein Evangelium in die Seele donnern. Das Evangelium des Morgenwerden.
Weit hinter uns in qualmigem Nebelbrüten lag die Stadt und alles Mauerumgebene, Enge, Beschränkte und Beschränkende, die ganze dumpfe Leere und Schwere hungriger Alltagspflicht und würgender Werktagsangst, und vor uns, um uns, frei und freudig, mauerlos, weit und offen, voll Lebensdrang und Sonntagsglauben die sternüberflackerte, sturmlodernde Erfüllung unserer Sehnsucht. Und wir sangen ihr Lied, das Lied des Morgens, das Lied der Sonne in den donnernden Sturm und er trug es weiter über die Berge und von den Bergen in die Thäler und jauchzend rief es uns das Echo zurück.
Wir famen durch Ortschaften und Höfe. Die Nachtwächter fuhren aus ihrem Schlummer, stolperten uns nach mit ihren Laternen: still zu sein und die Nuhe der Dörfer nicht zu stören mit unserem thörichten Gesange. Der Morgen fäme von selber, ohne unser Geschrei. Vorderhand aber sei es noch Nacht und wir sollten die Leute schlafen lassen. Schlaf sei etwas Heiliges!