obwohl bei allen Völkern des Orients die Untreue der Frau mit dem Tode bestraft werden konnte, wurde sie zu einer religiösen Pflicht, sobald die Frau kinderlos blieb. Sie mußte sich in Indien  einem Mitglied der Familie des Mannes unter religiösen Zeremonien vor den Augen ihrer Angehörigen hingeben;' sie fiel in Israel  , wenn ihr Gatte starb, ehe sie ihm Kinder geboren hatte, seinem ältesten Bruder zu, damit er dem Verstorbenen noch Nachkommen zeuge." Sie war des Mannes unbeschiänkics Eigenthum und stand auch insofern auf derselben Stufe mit den Sklaven, als es ihr verboten war, eigenes Vermögen zu besitzen. Die heiligen Gesetze Indiens   erklären ausdrücklich, daß alles, was eine Frau oder ein Sklave etwa erwirbt, selbständiges Eigenthum des Herrn ist,dem sie gehören"." Von Geburt an bis zum Tode sind die Frauen vollständig unfrei; als Mädchen sind sie von ihrem Vater, als Frauen von ihrem Gatten, als Witwen von ihren Söhnen oder Blutsverwandten abhängig/ Aus alledem geht hervor, daß die Frauen im Orient nur ein Werkzeug zur Fortpflanzung des Geschlechts waren. Außer­halb ihres einzigen Berufes, dem der Mutlerschaft, hatten sie keinei lei Werth und Bedeutung, ja sie wurden so ausschließlich als Werkzeug, als Mittel zum Zweck betrachtet, daß von jener ehr­fürchtigen Verehrung, welche die in den Phantasiegestalten zahl­reicher Göttinnen personifizirte Mutterschaft unter den Völkern des Abendlandes genoß, im Orient nichts zu finden ist. Auch als Mutter wurde hier das Weib verachtet, und zwar um so mehr, wenn sie statt des einzig erwünschten Sohnes eine Tochter gebar/ Die Jüdin, die einen Knaben zur Welt brachte, blieb sieben Tage unrein; war ihr Kind ein Mädchen, so blieb sie es vierzehn Tage. Sie mochte von noch so hoher Abkunft und die Mutter eines blühenden Geschlechts sein, sie blieb immer ein unheiliges, von Staat und Religion nur als ein nothwendiges Ilebel gekennzeich­netes Geschöpf. Dieser Auffassung entsprach auch der Mythus von der Stommmutter Eva, von der alle Sünde und alles Unglück der Menschheit ausging. Das Weib, sagte Manu, ist niederträchtig wie die Falschheit selbst, es muß wie Kinder und Geisteskranke mit der Peitsche oder dem Strick gezüchtigt werden/ Nur der Mann hat, nach dem Glauben der Chinesen, eine unsterbliche ' Gesctzbuch des Manu, a. a. O., S. 325. " 5. Buch Mose  , 25. Kapitel 510. Gesctzbuch des Manu, a. a. O., S. 315. Ebendas., S. 185 u. 318. Bgü E. Legouvö, Listoire morule clss kemmes. Paris  , S. 13 u. ° Gesetzbuch des Manu, a. a. O., S. 319 ff. 355. Mascha. Gedicht in Prosa von Turgenjew  . Als ich in Petersburg   lebte, viele Jahre sind seitdem ver­flossen, ließ ich mich, so oft ich einen Miethkutscher nahm, mit demselben stets in ein Gespräch ein. Namentlich unterhielt ich mich gern mit denNachlkutschern. armen Bauern aus der Umgegend von Petersburg  , welche in der Hoffnung auf einen bescheidenen Verdienst mit ihren kleinen, ockerbestrichcnen Schlitten und ihren armseligen Rößlein nach der Hauptstadt kommen. Da fuhr ich wieder einmal mit einem solchen Kutscher  .... Es war ein Bursche von zwanzig Jahren, hochgewachsen, von kräftigem, stattlichen Aussehen. Er hatte blaue Augen und rothe Wangen. In geringelten Büscheln drang das blonde Haar unter der tief in die Stirn herabgezogenen geflickten Mütze hervor____ Und wie hatte er nur diesen zerrissenen kleinen Kittel auf diese Riesenschultern bekommen. Allein das hübsche, bartlose Gesicht des Kutschers erschien mir finster und traurig. Ich knüpfte ein Gespräch mit ihm an. Auch aus seiner Stimme hörte ich tiefe Traurigkeit heraus. Was fehlt Dir, Freund?" fragte ich.Warum bist Du so niedergeschlagen? Drückt Dich vielleicht irgend ein Leid?" Der Bursch antwortete nicht sogleich. Ja, Herr, ja", erwiderte er endlich.Und zwar ein Leid, wie es nicht schlimmer werden kann. Meine Frau ist gestorben." Und Du hattest sie sehr lieb diese Deine Frau?" Seele;' Brahma verbietet dem Weibe, die Beda, das heilige Buch der Inder, zu lesen; der Koran   lehrt, daß die Pforten des Paradieses den Frauen ewig verschlossen bleiben; mit den Kindern und Sklaven stehen die Hebräerinnen auf einer Stufe, wenn auch ihnen die Berührung des Gesetzes nicht gestattet ist. Der Talmud  schätzt die Ehre der Frau nach ihrem Vermögen, denn nur dann gilt sie als rechtmäßige Gattin, ihre Kinder als legitime Erben, wenn sie eine Mitgift in die Ehe bringt, anderenfalls ist ihre Verbindung mit dem Manne nur ein Konkubinat/ Die Kulturentwicklung der allen orientalischen Völker stand schon weit genug im Banne des Begriffs vomheiligen" Eigen­thum, um das Verbrechen, arm zu sein, durch Schande zu strafen. Groß war daher die Zahl der armen Weiber, die mit ihrer Ar­beitskraft ihren Leib verkaufen mußten. So hart aber auch das Loos der als Mägde und Sklavinnen in sti engem Dienstverhältniß zu ihrem Herrn stehenden Frauen war, ein merkbarer Unterschied zwischen dem der begüterten und rechtmäßigen Gattinnen war nicht vorhanden; das weibliche Geschlecht als Ganzes stand gleich­mäßig tief. Aus der Bewegung. Eine treue Parteigenossin ist aus den Reihen der kämpfenden Proletarierinnen gerissen worden: in Dresden   starb am zweiten Weihnachtsfeiertage Genossin Luther  . Sie gehörte zu der Zahl jener opferfreudigen, nimmer rastenden Vorkämpferinnen für unsere Ideale, deren Name zwar nicht in weitere Kreise dringt, die aber ein leuchtendes Beispiel sind für Tausende und Tausende, die dem Werden der neuen, besseren Zeit stumpfsinnig und thatenlos gegen­überstehen. Inmitten wenn auch nicht ärmlicher so doch bescheidener Verhältnisse mußte Genossin Luther   hart um Aufklärung ringen, nur durch geschickte Eintheilung der Arbeiten, oft durch Ueberanstrengung konnte sie die Muße erkaufen, zu lesen, zu lernen, für ihre Ideale zu wirken. Das Leben der Hausfrau eines Kleinindustriellen, der an der Schwelle des Proletariats steht, bringt der Sorgen und Lasten so viele mit sich, und Genossin Luther   blieben keine derselben erspart. Mulhig fand sie sich mit den Verhältnissen und den ihr auferlegten vielseitigen Aufgaben ab. Die tüchtige Hausfrau war dem Gatten auch im Geschäft eine wackere, umsichtige Mitarbeiterin, sie theilte seine politischen und sozialen Ueberzeugungen und stand im Kampfe für dieselben verständnißvoll an seiner Seite. Da ihr selbst Mutter­glück versagt geblieben, nahm sie ein fremdes Kind an, das sie mit ' Vgl. Huc, ll'smpirs obürois. Paris   1857, zitirt bei Gide. Vgl. Paul Gide, a. a. O., S. 32 ff. Der Bursch wandle sich nicht nach mir um; er neigte nur ein wenig den Kopf. Ja, Herr, ich liebte sie. Acht Monate sind schon ver­flossen... aber vergessen kann ich sie nicht. Beständig nagt's mir am Herzen.... Und was brauchte sie zu sterben? Sie war so jung, so gesund!... Da, an einem einzigen Tage raffte die Cholera sie hin." Und war sie auch gut?" Ach, Herr!" entgegnete der Aermste mit einem schweren Seufzer,wie herzlich lebten wir miteinander! Und sie ist ohne mich gestorben. Als ich hier erfuhr, sie sei schon beerdigt, eilte ich sofort nach Hanse, in mein Heimathsdorf. Als ich ankam, war schon Mitternacht vorbei. Ich trete in die Hütte, bleibe mitten in der Stube stehen und sage leise:Mascha, he Mascha!" Nur das Heimchen zirpt.... Da fang ich an zu weinen, setze mich auf die Erde und schlage mit der Hand auf den Boden.... O du unersättlicher Schoß der Erde!... Du hast sie ver­schlungen... verschlinge nun auch mich!... Ach, Mascha!" Mascha!" fügte er dann plötzlich in gedämpften Ton hinzu. Und ohne die Zügel aus den Händen zu lassen, wischte er sich mit dem Handschuh die Thränen aus den Augen, schüttelte sie ab, zuckte mit den Achseln und sprach kein Wort mehr. Als ich aus dem Schlitten stieg, gab ich ihm ein kleines Trinkgeld. Er machte mir eine tiefe Verbeugung, nahm mit beiden Händen die Mütze ab und fuhr dann langsam weiter über die gleichmäßige Schneefläche der einsamen Straße, über welcher der graue Nebel des Januarfrostes hing.