bei jener Gelegenheit nicht blos das Interesse der Proletarierinnen auf dem Spiel, vielmehr das des gesammten weiblichen Geschlechts, dem das dürftige bischen Vereinsrecht entrissen werden sollte! Frau Schwerin   hat dann ihr Wirken für die Einführung weiblicher Ge­werbeinspektoren, durch die Organisation des Berliner   Kursus für die Ausbildung dieser Beamtinnen bewiesen, daß sie klares Ver­ständniß für soziale Reformforderungen besitzt und mit klugem Ernst für solche arbeitet. Aber leider gilt das Gleiche von den wenigsten deutschen   Frauenrechtlerinnen. Höchst   wahrscheinlich, daß Frau Schwerins Anregung, auch wenn sie von den Bundesvereinen formell aufgegriffen werden sollte, doch thatsächlich ausgehen wird wie das Hornberger Schießen.

Mit der Frage der Zulassung der Frauen zum ärztlichen Beruf wird sich eine Konferenz medizinischer Sachverständiger be= schäftigen, die dieser Tage im Reichsamt des Innern abgehalten werden soll. Wie die Süddeutsche Reichskorrespondenz" mittheilt, nimmt die badische Regierung zu der Frage folgende Stellung ein.

Der jetzige Zustand enthält nach ihr eine Unbilligkeit und einen inneren Widerspruch, dessen Beseitigung nicht länger werde aufge­schoben werden können. Bisher wurde den Frauen an einer Anzahl von Hochschulen des Deutschen Reiches wohl der gastweise Besuch medizinischer Vorlesungen und die gastweise Theilnahme an den praktischen Uebungen eingeräumt, dagegen wurden sie von einer förm­lichen Immatrikulation ausgeschlossen. Dadurch gingen sie der förm­lichen Abgangszeugnisse verlustig, ohne welche natürlich Niemand zur Prüfung zugelassen wird. Die badische Regierung erachtet es nun als unhaltbar, daß den Frauen zwar materiell die Möglichkeit ge­währt wird, auf den vorgeschriebenen Anstalten die für die Zulassung zu den ärztlichen Prüfungen nachzuweisende und allgemeine Fach­bildung zu erwerben, daß sie aber in formeller Hinsicht von der Prüfung selbst ausgeschlossen bleiben und damit, wenn sie die er­worbenen Kenntnisse und Fertigkeiten praktisch verwerthen wollen, lediglich den Kurpfuschern gleichgestellt werden. Zur Beseitigung dieses Zustands sei eine entsprechende grundsätzliche Regelung ge­boten und zwar dürfte dieselbe im Wege der Vereinbarung zwischen den betheiligten Landesregierungen herbeizuführen sein. Doch müſſe daran festgehalten werden, daß die Frauen die Zulassung zu den ärztlichen Prüfungen nur erhalten können, wenn sie die schul- und hochwissenschaftliche Ausbildung nachweislich in dem gleichen Maße genossen haben, wie sie bei männlichen Prüfungskandidaten gefordert wird. Was aber das Erforderniß der Immatrikulation betrifft, so wäre, soweit der letzteren nur formelle Bedenken und Gründe ent­gegenstehen( wenigstens für das medizinische Fachstudium), ein ange­messener Ersatz dafür durch Feststellung einer besonderen Form für die regelmäßige Aufnahme der Frauen als Universitätsangehörige mit der Maßgabe zu schaffen, daß die so gestaltete Aufnahme der Jm­matrikulation gleichkommend zu betrachten sei. Es sei angemessen, die vorzunehmende Regelung auch auf die weiblichen Kandidaten der Zahnheilkunde gleichzeitig auszudehen. Nach der Haltung unserer ,, hochgelahrten" Herren Mediziner auf den Aerztetagen ist eine un­befangene, gerechte Beurtheilung der Frage seitens der Sachver­ständigen kaum zu hoffen. Den Aerztinnen die Bahn zu öffnen, läßt weder die zünftige Bornirtheit zu, noch die Konkurrenzfurcht. Die Regierungen würden gut daran thun, vor dem entsetzt wackelnden Zopf der Herren ein Theilchen der Nichtachtung zu bethätigen, die sie für die ausgesprochenen Willensäußerungen der Arbeiter und Ar­beiterinnen im Uebermaß zur Verfügung haben. Uebrigens ist es Zeit, daß die hochweisen Regierungen in Sachen des Frauenstudiums nicht nur dem geplanten Reförmchen nahetreten, daß sie vielmehr den Frauen den Zugang zu allen Fakultäten, die Ausübung aller liberalen Berufe ermöglichen. Haben unsere deutschen   Vaterländer schon die Gelegenheit versäumt, in der Beziehung anderen Staaten ehrenvoll voranzuschreiten, so sollten sie es sich wenigstens angelegen sein lassen, nicht gar so jämmerlich spät mit dem österreichischen Landsturm nachzuhinken.

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Eine evangelische Frauenbewegung soll gegen die prole­tarische Frauenbewegung ausgespielt werden. Der Plan ist nicht neu, soll aber nun besonders gefördert werden, und zwar von Dresden  aus. Man strebt hier die Gründung eines deutschen   evangelischen Frauenbundes an. Seine Hauptaufgabe soll sein, die Frauen vor dem Einflusse radikaler und unchristlicher Elemente" zu bewahren und vor dem Hinübergleiten auf die abschüssige Bahn" zu schützen, wo diese wandeln. Der Bund soll selbstverständlich der sozialen Frage seine Aufmerksamkeit zuwenden. Nach dem veröffentlichten Aufruf wird er dieselbe durch das Eintreten für die folgenden Ziele lösen: Zulassung des weiblichen Geschlechts zu allen Aemtern und Berufen, die irgendwie in der Sphäre des Weiblichen liegen". Beseitigung der Ausbeutung der Frau durch übermäßige" Lohnarbeit, wie sie Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Eißner) in Stuttgart.  -

namentlich in der Hausindustrie stattfindet. Schutz der arbeitenden Frau durch Rechtsschutz, Stellenvermittelung, Hilfskassen, Heim­stätten 2c. Um frombe Spießbürger nicht allzu sehr durch den Hin­blick auf einen erweiterten Thätigkeitskreis der Frau zu erschrecken, wird erklärt, daß der mächtigste Zug jedes edlen Weibes auf Warten, Pflegen und Helfen" geht. Der geplante Evangelische Frauenbund soll offenbar der proletarischen Frauenbewegung gegenüber die gleiche Rolle spielen, die den Evangelischen Arbeitervereinen im Kampfe gegen die Sozialdemokratie zugedacht ist. Sicher mit dem gleichen Erfolg, d. h. der gleichen Erfolglosigkeit. Die deutschen   Arbeiterinnen sind in den Anfängen ihrer Bewegung nicht auf die Stöckerei hineingefallen. Sie werden sich jetzt nach Jahren der Aufklärung und Schulung durch die modernisirte Stöckerei weder täuschen noch schrecken lassen. Für sie wird der reaktionäre, arbeitertrußige Kern der evangelischen Frauen­bewegung nicht dadurch genießbarer, daß es mit etlichen Tröpfchen Frauenrechtelei und mit noch winzigeren Tröpfchen Arbeiterschutz ser­virt wird.

Ein warmer Befürworter der Frauenrechte ist am 29. De­zember vor. Jahres gestorben: Oberstleutnant a. D. von Egidy. Der Verstorbene zählte zu jenen sozialpolitischen Eigenbrödlern, die in Zeiten tiefer sozialer Umwälzungen auftreten, erfüllt von höchsten Idealen, aber ohne klaren Einblick in die thatsächlichen Verhältnisse und die diese beherrschenden Mächte. Es war die Erkenntniß von dem Widerspruch zwischen der christlichen Lehre und dem Leben und Handeln der christlichen Welt, die den reichen, mit Fürsten   befreun­deten und verschwägerten Husarenoffizier zum Reformprediger und Agitator machte. Hatte er zuerst eine Erneuerung des religiösen Lebens gefordert, so machte er sich später von jedem Dogma frei und kämpfte für eine sittliche Wiedergeburt der Menschheit. Aus ihr mußte sich seiner Auffassung nach die nothwendige Umgestaltung des wirthschaftlichen und sozialen Lebens ergeben. Egidy besaß kein Ver­ständniß für den Klassengegensatz und den Klassentampf, er rang sich in der Folge auch nicht zur richtigen Bewerthung der Sozialdemo­fratie durch, obgleich er mit ihr in vielen Punkten sympathisirte. Dagegen stand er der Frauenbewegung mit vollem Verständniß gegen­über und gehörte in Deutschland   zu den entschiedensten Vorkämpfern für die volle soziale Gleichberechtigung der Geschlechter. Egidys Schicksal war das aller Schwärmer, die ihre eigenen Wege gehen, in einer Zeit, wo ein Hüben und Drüben nur gilt. Die Energie und Opferfreudigkeit, mit der er seine Person in den Dienst seiner Jdeale stellte, ist ohne tiefere Wirkung geblieben. Fordert sein Lebenswerk die Kritik heraus, so beansprucht sein Charakter volle Anerkennung. Egidy gehörte nicht zu Denen, die öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken, Ueberzeugung und Thun   war eins bei ihm, er war ein ehrlicher Mann.

Die Petition der italienischen Frauen für die bessere Be­handlung der politischen Verurtheilten hat bereits 68000 Unter­schriften erhalten. Sehr viele Frauen aus allen Kreisen haben auch die Petition unterzeichnet, welche volle Amnestie für alle wegen der Maiunruhen des letzten Jahres Verurtheilten fordert. Die Bewegung zu Gunsten der Amnestie ist zu einer tiefen Volksbewegung geworden, die weder durch die behördlichen Maßregeln, noch durch den neulichen Gnadenerlaß des Königs aufgehalten werden kann.

* Eine ungarische Baumeisterin. In Bistrit   in Sieben­ bürgen   ist schon seit sechs Jahren Fräulein Erika Paulas als Bau­meister thätig. Ihre Pläne haben in zahlreichen öffentlichen Kon­kurrenzen den Sieg davon getragen und viele sind ausgeführt worden. In ihrem Bureau arbeiten zwei Bauzeichnerinnen und sechs weib­liche Lehrlinge.

Die Gründung einer Frauenuniversität in Indien   wird geplant. Zwei Schwestern, Marion und Ellen Stone, halten sich als Vertreter des Newham College, Cambridge  , in Bombay   auf, um die nöthigen Maßnahmen zur Errichtung der Frauenuniversität zu treffen. Man hofft außerdem, später eine Hochschule für das medi­zinische Studium der Frauen in Nasik zu gründen. Sie soll nach dem Muster des Colleges organisirt werden, das kürzlich in Lud­triana in Nordindien eröffnet worden ist.

Die erste Doktorin in Peru  . Nach dem Comercio" von Lima   erwarb kürzlich an der philosophischen Fakultät der Stadt Fräulein Laura Estella Rodriguez den Doktorhut. Sie ist die erste Frau, welche die höchste akademische Würde erlangte, die es in Peru  giebt. Ihre Dissertation behandelt ein geologisches Thema und soll, ihrer wissenschaftlichen Bedeutung wegen, in den Annalen der Universität von Lima   veröffentlicht werden. Fräulein Rodriguez hat dem Gynäko­logen Dr. Corpancho vier Jahre lang im Hospital de Sta- Ana assistirt und sich bedeutende medizinische Kenntnisse erworben. Ihre Studien machte sie immer in Begleitung ihres Bruders, Dr. Abraham de Rodriguez.

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Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b..) in Stuttgart  .