sollten, dieselben anzurufen, sondern daß sie das aktive und passive Wahlrecht erhielten, um selbst mitentscheiden zu können. Von den Berliner   Genossinnen ist bereits im vorigen Jahre ein entsprechender Beschluß gefaßt und der sozialdemokratischen Fraktion zugestellt wor den. Der Umstand beweist, wie stark das Bedürfniß der Frauen nach dem Wahlrecht zu den Gewerbegerichten ist und entkräftigt voll­kommen die gegentheilige Behauptung des Zentrumsabgeordneten Dr. Trimborn. König Stumm befaßte sich mit der Forderung der Frauen überhaupt nicht, sondern benutzte den Antrag nur, um in seiner gewohnten abgeschmackten Weise über die Sozialdemokratie zu schimpfen. Der nationalliberale Abgeordnete Hilbek hält die Ver­leihung des Wahlrechts an die Arbeiterinnen für schädlich und meinte, die Frauen hätten ganz andere Gebiete, sich zu bethätigen. Er dachte gewiß dabei an die Frauen seiner Gesellschaftsklasse, die zur Be­thätigung Wohlthätigkeitssport und andere Dinge treiben. Nachdem sich der Abgeordnete Schrader( freisinnige Vereinigung) für die Aus­dehnung der Gewerbegerichte ausgesprochen hatte, wurde die Debatte vertagt. Wir werden in nächster Nummer ausführlicher die Begrün­dung des Antrags durch Genossen Zubeil wiedergeben.

Frauenstimmrecht.

* Zwei weibliche Abgeordnete sind kürzlich wieder in das Parlament von Kolorado  ( Nordamerika  ) gewählt worden. Im selben Staate wurde eine Frau, Helen Grenfall, zum Oberinspektor des öffentlichen Unterrichts ernannt.

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Dem Einfluß des Frauenstimmrechts in Australien  widmet Henry Walker in seinem Buche Demokratie in Australien  " ein Kapitel, dem er die Erfahrungen in allen australischen Kolonien zu Grunde legt. Er gelangt dabei zu folgendem interessanten Resul­tat: Die Einführung des Frauenwahlrechts hat überall zu einer Stärkung der Arbeiterpartei geführt. Da diese politisch sehr radikal ist, zeigt es sich deutlich, daß die erwartete Stärkung der konserva­tiven Richtung durch die Frauen ausblieb."

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Gewerkschaftliche Arbeiterinnenbewegung.

Frauen in den englischen Gewerkschaften. Nach dem letzten offiziellen Bericht des englischen Arbeitsamts bestanden. Ende 1897 1287 Gewerkschaften mit im Ganzen 1609 909 Mitgliedern. Von diesen Gewerkschaften haben 25 nur weibliche Mitglieder, und zwar 7935. Nur 114 Gewerkschaften haben männliche und weibliche Mitglieder. Alles in Allem sind 119775 Arbeiterinnen organisirt, etwa 1050 mehr als im Vorjahre. Den Gewerkschaften der Baum­wollspinner gehören 19996, der Baumwollweberei 74034 Frauen an.

Ueber Berufsorganisationen der Arbeiterinnen sprach Frau Jeanette Schwerin   kürzlich in Berlin   in dem Vortrags zyklus, den die Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit veranstaltet haben. Frau Schwerin   zeigte die Entstehung und Ent­wicklung der Berufsorganisationen in England und Deutschland   und behandelte eingehend die gewerkschaftliche Organisation der deutschen  Arbeiterinnen. Den Grund dafür, daß die Masse der deutschen   Ar­beiterinnen heute noch trotz aller aufgewendeten Mühe den Gewerk­schaften fernstehen, erblickte die Rednerin einmal darin, daß Vereine von Arbeiterinnen, die nur für ihre Berufsinteressen eintraten, als vorgeblich politisch gefährlich" aufgelöst worden sind. Dann aber auch darin, daß die übergroße Arbeitszeit kein Interesse der Frauen an anderen Dingen aufkommen läßt, und daß der niedrige Arbeits­lohn die Entrichtung selbst noch so niedriger Beiträge unmöglich macht. Zum Schluß erörterte Frau Schwerin   die Frage: Was kann man thun, um die Arbeiterinnen der Gewerkschaft zuzuführen?" Sie beantwortete sie dahin, daß die Frauen in solche Gewerkschaften ein­treten sollten, welche weibliche Mitglieder aufnehmen. Jede bürger­liche Frau, welche sich für die Arbeiterinnen interessire, müsse Mit­glied einer Gewerkschaft werden und innerhalb derselben für die Interessen der Arbeiterinnen wirken. Ferner müsse sie die ihr be­fannten Arbeiterinnen anregen, ihren Gewerkschaften als Mitglied beizutreten.

Statistisches zur Frauenfrage.

* Die Zahl der Eheschließungen hat sich in Frankreich  innerhalb eines Jahres um 632 verringert, und die Scheidungen haben sich um 235 vermehrt.

Sittlichkeitsfrage.

23

Ein internationaler Kongreß für die Prophylaxie der. Syphilis und der venerischen Krankheiten soll am 4. September 1899 in Brüssel   zusammentreten. Auf der Tagesordnung stehen

folgende Punkte: 1) Haben die gegenwärtig in Kraft stehenden Reglementirungssysteme der Prostitution einen Einfluß auf die Häufig­keit und die Verbreitung der Syphilis und der venerischen Krank­heiten ausgeübt? 2) Ist die gegenwärtige Organisation der ärzt­lichen Ueberwachung der Prostitution verbesserungsfähig? 3) JIst es vom ausschließlich medizinischen Standpunkt aus vortheilhaft, die Bordelle fortbestehen zu lassen, oder ist es besser, sie aufzuheben? 4) Ist die administrative Organisation der polizeilichen Ueberwachung der Prostitution verbesserungsfähig? 5) Durch welche geseßlichen Maß­regeln kann man eine Verminderung der Zahl der Frauen erzielen, welche in der Prostitution ihre Eristenzmittel suchen? 6) Von allem abgesehen, was sich auf die Prostitution bezieht, welche Mittel wird man ergreifen müssen, um wirksam gegen die Ausbreitung der Syphilis und der venerischen Krankheiten anzukämpfen? Dem Organisationskomite des Kongresses gehören außer angesehenen Pro­fessoren der Universität Brüssel an: der Bürgermeister der Stadt, der Oberinspektor der Departements für Volksgesundheit und Hygiene, der Oberinspektor des Militär- Sanitätsdienstes 2c. 2c. Dem Kongreß sollen beiwohnen: Vertreter der Regierungen; Vertreter der großen Munizipalitäten; Aerzte, Juristen und Beamte, welche eine besondere Sachkenntniß der zu erörternden Fragen besitzen. Die Einberufung des Kongresses wird mit dem Hinweis begründet, daß die unaufhalt­sam wachsende Verbreitung der Syphilis und der venerischen Krank­heiten eine ernste Gefahr für die Gesellschaft geworden ist. Auf die Verhandlungen des Kongresses darf man gespannt sein.

Ein Antrag auf Verbot der Prostitution lag kürzlich dem dänischen Folkething vor. Der Justizminister erklärte, daß die Prostitution ein soziales Uebel sei, aber leider ein nothwendiges, das wohl beschränkt, aber nicht beseitigt werden könne. Die Regierung werde auf eine Kommissionsberathung eingehen. Die weiteren Redner sprachen sich für den Antrag aus, der schließlich einer Kommission von elf Mitgliedern überwiesen wurde. Wir heben das Eingeständniß des Justizministers hervor, der die Dinge nüchtern sieht wie sie sind und nicht wie sie sein sollten. Wer einen klaren Einblick in die ge­sellschaftlichen Verhältnisse besitzt, der kann sich der Einsicht nicht verschließen, daß die ministerielle Erklärung leider zutreffend ist. Die Prostitution ist in der heutigen Gesellschaftsordnung ein unaus­rottbares, ja ein nothwendiges" Uebel. Was die Beschränkung des­selben anbelangt, so liegen die Mittel dazu allerdings nicht in der Richtung von Gesetzen und Verordnungen. Sie sind vielmehr in gründlichen sozialen Reformen zu finden, welche die wirthschaftliche Lage der Masse verbessern, der männlichen Bevölkerung die Ehe­schließung ermöglichen und den erwerbsthätigen Frauen einen Lohn sichern, der für einen menschenwürdigen Lebensunterhalt ausreicht.

Dienstbotenfrage.

* Organisirung der Dienstmädchen. Zwei weibliche Dele­girte von Dienstmädchenvereinen in Norwegen   befinden sich augenblicklich auf einer Agitationsreise in Nordamerika  , um dort ebensolche Vereine zu gründen. Die sehr bescheidenen Forderungen, für die sie eintreten, und die beweisen, in welch jämmerlicher Lage die armen Haussklavinnen diesseits und jenseits des Ozeans sich be­finden, sind folgende: Arbeit von 27 Uhr früh bis 9 Uhr abends; jede Woche ein freier Nachmittag; alle zwei Wochen ein freier Sonn­tag; helle, warme, gut ventilirte Zimmer; für jeden Dienstboten ein eigenes Bett. Die deutschen   Hausfrauen würden über solche Zu­muthungen Zeter schreien!

Frauenbewegung.

Zu der Notiz in Nr. 1 der Gleichheit": ,, Ein Frauenklub" geht uns die folgende Einsendung zu:

In Nr. 1 der Gleichheit" von diesem Jahre finde ich unter der Rubrik Frauenbewegung" eine Notiz mit der Ueberschrift Ein Frauenklub".

Der Inhalt dieser Notiz entspricht leider nicht der Wirklichkeit und da ich selbst eifriges Mitglied des Klubs und über denselben gut orientirt bin, so bitte ich Sie gütigst, diese Berichtigung in Ihr ge­schätztes Blatt aufnehmen zu wollen.

Es sind im Klub nicht nur die vornehmsten und reichsten Damen vertreten, sondern charakteristisch für denselben ist gerade, daß eine Aerztinnen, Handlungsgehilfinnen, Lehrerinnen, Künstlerinnen, Schrift­große Anzahl seiner Mitglieder in Berufen stehende Frauen sind: stellerinnen, Studentinnen 2c., studirte und unstudirte Frauen der verschiedensten Stände, und es ist ganz sicher, daß viele derselben ,, emanzipirt" im besten Sinne des Wortes sind.

Wenn auch nicht die radikalsten Schriften daselbst ausliegen, was zu bedauern ist, so ist Lesezimmer und Bibliothek weit davon entfernt, sogenannte amüsante" Lektüre zu bieten.