Nr. 4.

Die Gleichheit

9. Jahrgang.

Beitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 3033) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart

Mittwoch, den 15. Februar 1899.

Nachdruck gauzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Inhalts- Verzeichniß.

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An die gewerkschaftlich organisirten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands . Um die Sozialpolitik. Ein Wahrzeichen des Klassenkampfes. Wohnungsverhältnisse der Berliner Arbeiter. Von F. H. Die Frauenfrage im Alterthum. Von Lily Braun . III. Feuilleton: Die Spinnerin. Von Gottfried Keller. ( Gedicht.) Schändliche Ver­folgung eines Knaben. Von Mark Twain . Notizentheil von Lily Braun und Klara Zetkin : Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. Soziale Gesetzgebung. Schul- und Erziehungswesen. Frauenbewegung.

An die gewerkschaftlich

organisirten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands . Der Gewerkschaftsausschuß hat beschlossen, daß am Montag den 8. Mai 1899 der

Dritte Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands in Frankfurt a. M.- Bockenheim , in dem Lokal Pfälzer Hof", Schloßstraße 32, stattfindet.

Als Tagesordnung ist vorläufig vorgesehen:

1. Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten.( Wahl der Kommissionen, Prüfung der Mandate u. s. w.)

2. Rechenschaftsbericht der Generalfommission und Berathung der Anträge, betreffend: a) Agitation; b) Erweiterung der Thätigkeit der Generalfommission; e) Streifunterstützung und Streifstatistit; d) Korrespondenzblatt".

3. Das Koalitionsrecht der deutschen Arbeiter.

4. Die Gewerbeinspektion.

5. Tarife und Tarifgemeinschaften im gewerkschaftlichen Kampfe. 6. Die Arbeitsvermittelung.

7. Arbeitersekretariate.

8. Die Stellung der Gewerkschaftskartelle in der Gewerkschafts­organisation Deutschlands .

9. Berathung der nicht unter den vorstehenden Punkten erledigten

Anträge.

Anträge, welche auf die Tagesordnung kommen sollen, oder auf die vorstehend genannten Tagesordnungspunkte Bezug haben, sind bis zum 25. März 1899 an die Generalkommission einzu­senden. Sämmtliche bis dahin eingegangenen Anträge werden ver­öffentlicht, damit sie in den Gewerkschaften diskutirt werden können.

Der Kongreß wird am 8. Mai 1899, Morgens 9 Uhr, er­öffnet werden und dürfte voraussichtlich fünf Tage dauern.

Die Wahlen der Delegirten werden nach den untenstehenden, von dem zweiten Gewerkschaftskongreß gegebenen Bestimmungen von den Zentralvereinsvorständen ausgeschrieben werden.

Die Generalfommission der Gewerkschaften Deutschlands . C. Legien , Hamburg 6, Marktstraße 15. Die Delegation zu den Gewerkschaftskongressen. Der zweite Gewerkschaftskongreß, der vom 4. bis 8. Mai 1896 in Berlin tagte, beschloß bezüglich der Vertretung auf den Gewerk­schaftskongressen Folgendes:

Zur Theilnahme an diesen Kongressen sind sämmtliche Bentralorganisationen und solche Lokalorganisationen berechtigt,

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Fr. Klara Zetkin ( Eißner ), Stuttgart , Rothebühl­Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furthbach- Straße 12.

welche verhindert sind, sich zentral zu organisiren. In Zweifel­fällen entscheidet der Gesammtausschuß. Ausgeschlossen von der Theilnahme an den Kongressen sind alle Gewerkschaften, welche ohne genügende Entschuldigung mit drei Quartalsbeiträgen im Rückstand sind.

Die Gewerkschaften sind berechtigt, für je 3000 Mit­glieder einen Delegirten zu wählen. Kleinere Gewerkschaften wählen einen Delegirten. Wichtige Anträge entscheidet die Zahl der durch die Delegirten vertretenen Mitglieder."

Die Quartalsbeitragszahlung an die Generalkommission er­folgt am Schlusse des Quartals, weil nicht nach der Zahl der Listenmitglieder, sondern der Mitglieder, welche ihre Beiträge an die Organisation voll bezahlt haben, die Quartalsbeiträge berechnet werden. Es haben deshalb zu dem Kongreß alle an die General­kommission angeschlossenen Organisationen Zutritt, welche ihre Quartalsbeiträge bis zum 1. Juli 1898 entrichtet haben. Die Generalkommission.

Um die Sozialpolitik.

Die, Verhandlungen des Reichstags über den Etat des Reichs­amts des Innern geben alljährlich Gelegenheit zu Auseinander­setzungen über die Sozialpolitik des Reiches. Ein Fülle von einschneidenden Fragen, ja von Lebensfragen für die deutsche Arbeiterklasse werden da aufgerollt. Im Mittelpunkt der Erörte rungen stehen die Interessen der Proletarier als Träger und Verkäufer der kapitalistisch ausgebeuteten Arbeitskraft, dieser einzig­gearteten, mehrwerthzeugenden Waare, welche sich von dem übrigen " Waarenpöbel" dadurch unterscheidet, daß lebendiges Menschenthum unlösbar an ihr hängt. Damit wird das Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältniß des Kapitals über die Arbeit, der Unter­nehmerklasse über das Proletariat in den Bannkreis der parla­mentarischen Debatten gezogen.

taliſtenflüngels über die Proletarier eine unbeschränkte sein oder

Darf die Ausbeutungs- und Herrschaftsgewalt des Kapi­

müssen ihr gesetzliche Schranken gezogen werden, welche die von der Arbeitskraft untrennbare Person der Arbeitenden schüßen, und das nicht nur in deren Interesse selbst, sondern im Interesse der

gesammten Gesellschaft, der Kulturentwicklung? Was fordert der bewußte Theil des deutschen Proletariats an sozialpolitischen Ge­sezzen und Rechten? Erweist sich die Regierung in den wichtigen Materien als einsichtige und gerechte Vertreterin des Arbeiterrechts oder als Vorkämpferin für die Geldsacksmacht? Wie stellen sich die verschiedenen Parteien zu den brennendsten Gegenwartsinteressen und den dringlichsten Augenblicksforderungen des Proletariats?

Die Antwort, die diesen Fragen im Allgemeinen und in bestimmten Einzelfällen durch die sozialpolitischen Reichstagsdebatten wird, berührt tief die Interessen jedes Proletariers, aber auch jeder Proletarierin ohne Unterschied, ob sie selbst dem Kapital zinst und frohndet oder ausschließlich als Hausfrau im ärmlichen Heim waltet. Wie die Ausbeutungs- und Herrengewalt des Unter­nehmerthums, so greifen auch die sozialen Reformen unmittelbar und mittelbar in jede proletarische Eristenz ein. Denn jede prole­tarische Eristenz beruht auf der Arbeit, der kapitalistisch ausge= beuteten Arbeit, und das Verhältniß zwischen dieser und dem aus­