* Frauenstimmrecht in England. In England ist es üblich, daß die Reihenfolge für die Verhandlungen über Gesetzentwürfe, die von einzelnen Parlamentsmitgliedern ausgehen, durch das Loos be­stimmt wird. Der Frauenstimmrechtsentwurf des Mr. Faithful Begg, der bereits im vorigen Jahre zur Verhandlung kam, ist auch dies Jahr begünstigt worden. Er wird voraussichtlich in acht Wochen dem Parlament vorgelegt werden können.

Frauenbewegung.

Zur Theilnahme am Internationalen Frauenkongreß, der im Juni dieses Jahres in London   unter Leitung des Inter­nationalen Frauenbundes stattfindet, wurden die Genossinnen Zetkin und Braun aufgefordert. Sie lehnten Beide ab. Genossin Braun begründete ihre Ablehnung mit dem Hinweis auf die Haltung des Bundes deutscher   Frauenvereine gegenüber der sozialdemokratischen Arbeiterinnenbewegung. Da der Bund offizielles Mitglied des Kon­gresses ist, unsere Parteigenossinnen nur geduldete Gäste wären, haben sie ihrer Meinung nach auf ihm nichts zu suchen. Genossin Zetkin  betonte als Grund ihrer Ablehnung den Gegensatz der Prinzipien und der Endziele, der die Auffassung der deutschen   Genossinnen von der bürgerlichen Frauenbewegung scheidet und der bedingt, daß die Frauen­bewegung der Poletarierinnen in erster Linie nicht reformlerische Frauenbewegung ist, sondern revolutionäre Arbeiter­bewegung. Auch sie verwies übrigens auf die von Genossin Braun angezogenen Umstände als Beweis für diesen Gegensatz und hob hervor, daß auch ohne den betreffenden Beschluß des Bundes deutscher  Frauenvereine die deutschen   Genossinnen dieser frauenrechtlerischen Organisation nicht angehören würden. Uebrigens theilte eine hervor­ragende englische   Sozialistin Genossin Braun mit, daß mit Ausnahme des englischen Nationalbundes, der den größten Theil aller englischen Frauenvereine umfaßt, alle anderen Verbindungen nur unbedeutend und einseitig seien, also bei Weitem nicht die gesammte Frauenbewe­gung in ihren Ländern vertreten.

D. Z. Weibliche Studenten in der Schweiz  . An den sieben schweizerischen Universitäten und Akademien waren im Sommer­semester 1898 3494 Studenten, wovon 474 weibliche, eingetragen und 596 Zuhörer, von denen 202, somit zusammen 676 dem weiblichen Geschlecht angehörten. Auf die Fakultäten vertheilten sie sich fol­gendermaßen: Rechtswissenschaft 13 Frauen und 733 Männer, Me­dizin 304 Frauen und 846 Männer, Philosophie 359 Frauen und 1466 Männer, wobei die Zahlen betreffend Studenten und Zuhörer zusammengezogen sind; einzig die theologische Fakultät weist noch feine Studentin auf. Die meisten Besucherinnen zählte mit 216 die Universität Genf  , wovon 88 auf die medizinische, 127 auf die philo­sophische und 1 auf die juristische Fakultät kamen; sodann folgt die Züricher   Universität mit 194 Studentinnen, wovon 125 auf die medi­zinische, 61 auf die philosophische und 8 auf die juristische Fakultät tamen; die Berner Universität mit 130, wovon 87 auf die philo­sophische, 41 auf die medizinische und 2 auf die juristische Fakultät famen; die Lausanner   Universität mit 84, wovon 44 auf die medi­zinische und 40 auf die philosophische Fakultät entfielen; Neuen­burger Akademie mit 31, wovon 30 auf die philosophische und 1 auf die medizinische Fakultät entfielen; die Basler   Universität mit 12, wovon je 6 auf die medizinische und philosophische Fakultät kamen; endlich die katholische Universität Freiburg   mit 9, wovon 8 auf die philosophische und 1 auf die juristische Fakultät kamen. Der Natio­nalität nach waren es 74 Schweizerinnen, 278 Russinnen, 47 Deutsche  , 25 Bulgarinnen, 12 Asiatinnen; je 7 waren aus Serbien   und Nord­amerita, 6 aus Ungarn  , 8 aus Desterreich, je 3 aus Holland   und England, je 1 aus Liechtenstein  , Italien  , Rumänien   und Afrika  . Ueber die Nationalität der 202 Zuhörerinnen wurden keine Mittheilungen veröffentlicht.

* Ueber die ,, Unweiblichen" sprach Frau Marie Stritt   kürzlich in einer Versammlung des Allgemeinen deutschen Frauenvereins in Leipzig  . Bezeichnend für ihre enge und einseitige Auffassung von der Frauenbewegung ist, daß sie den Arbeiterinnen nachsagt, fie ver­möchten unter der Doppelbürde der Arbeit und Hauswirthschaft die wahren Ziele der Frauenbewegung nicht zu erkennen. Frau Stritt hält eben das für Ziele, was für uns nur Etappen zum Ziele sind: Eröffnung der Universitäten, der höheren Berufe, Wahlrecht 2c. 2c. Dabei möchten wir nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, wie sehr Frau Stritt, die nicht zur radikalen" Richtung gehörte, sich gewandelt hat. Es ist nicht lange her, daß sie in einer Versammlung des Ver­eins Frauenwohl" in Berlin   erklärte, der Bund deutscher Frauen­ vereine   habe durchaus richtig gehandelt, als er die sozialdemokratischen Arbeiterinnenvereine von vornherein ausschloß, er wäre andernfalls mit dem Vereinsgesetz in Konflikt gerathen. Frau Stritt gehört jetzt

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Alara Zetkin( Eißner) in Stuttgart  .

seinem Vorstand an. Eine alte Geschichte: liberale Kronprinzen wer­den konservativ, sobald sie den Thron besteigen!

D. Z. Weibliche Aerzte in der Schweiz  . An der medizi nischen Fakultät der Universität Zürich   haben Frau Jenny Bernstein aus Berlin   und Frl. Olga Tafowlewa aus Nischne- Tschirk in Rußland   die Würde von Doktoren der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe erworben.

,, Dokumente der Frauen" ist der Titel einer neuen Zeitschrift der österreichischen Frauenrechtlerinnen, die von Anfang März an halbmonatlich in Wien   erscheinen soll. Die Zeitschrift wird redigirt von Auguste Fickert  , Marie Lang   und Rosa Mayreder  , den Radikalsten und Scharfblickendsten der österreichischen Frauenrecht­lerinnen. Die Publikation soll ,, in Dokumenten die Lage der im Erwerb stehenden Frauen darstellen, dem Ringen aller Frauen nach persönlicher Entwicklung und persönlicher Freiheit Ausdruck geben und eine allen Frauen zugängliche Tribüne sein, von der aus die politischen und sozialen Rechte der Frau mit Muth und Entschie­denheit verfochten werden". Die Herausgeberinnen der Zeitschrift sind radikaler, entschiedener und klarer als unsere deutschen   Frauen­rechtlerinnen der Linken". Den Klassengegensatz in der Frauenwelt vermögen sie jedoch mit aller radikalen Frauenrechtelei nicht zu über­brücken. Die wichtigsten Lebensinteressen der Proletarierinnen können deshalb nicht von einer frauenrechtlerischen Tribüne aus verfochten werden. Die österreichischen Proletarierinnen besigen seit Jahren ihr eigenes treffliches Organ, die von Genossin Popp- Dworschat geleitete, Arbeiterinnen- Zeitung". Um dieses Organ werden sich nach wie vor die Frauen schaaren, welche wissen, daß ihnen nur der Sozialismus die Vorbedingungen für Freiheit und Entwicklung des Auslebens bringt. Daß die bürgerliche Frauenrechtelei in Dester­reich ein Organ erhält, welches die volle soziale Gleichstellung der Geschlechter mit Entschiedenheit zu verfechten verspricht, ist jedenfalls zu begrüßen. Soweit uns die Herausgeberinnen durch ihre Agitation in Wort und Schrift bekannt sind, werden sie mit Ernst und Energie für alle frauenrechtlerischen Forderungen eintreten.

Die Promotion des ersten weiblichen Doktors an der Berliner   Universität wurde in der zweiten Hälfte Februar in der Aula durch den Dekan der philosophischen Fakultät, Prof. Schwarz, in der üblichen feierlichen Form vollzogen. Die Doktorandin, Frl. Else Neumann, wurde zum Magister der freien Künste und Doktor der Philosophie" ernannt, und zwar.cum laude( mit Lob). Die Dissertation der Dame behandelte Die Polarisationskapazität um­fehrbarer Elektroden". Eine der drei Thesen, die sie bei ihrer Pro­motion vertheidigte, lautet: Es ist nothwendig, daß in der Mädchen­schule in der Behandlung der Unterrichtsgegenstände die Logik mehr Berücksichtigung findet als bisher." Als Opponenten traten Frl. Neumann drei Doktoren der Philosophie entgegen, darunter Frl. Dr. phil  . Ziegler. Es war das erste Mal, daß in der Aula der Berliner   Universität eine Dame als Opponentin auftrat. Rede und Gegenrede gingen glatt vor sich. Vor der Promotion hielt der Prof. Schwarz eine Ansprache, in der er als würdigsten Beruf der Frau den als Gattin und Mutter bezeichnete, aber erklärte, daß dieser mit der Bethätigung der Frau auf wissenschaftlichem Gebiet nicht unver einbar sei. Nach erfolgter Promotion bestieg Frl. Neumann das Katheder und dankte in einfachen Worten dem Kultusministerium, der Fakultät, dem Dekan und Prodekan, sowie ihren Lehrern. Was Frauenrechtlerinnen an dem für deutsche Verhältnisse wichtigen Er­eigniß interessirt, dafür ist ein Passus in Frau Morgensterns, Haus­frauenzeitung" bezeichnend. Das Blatt thut der staunenden Mit­und Nachwelt die Thatsache kund, daß Frl. Neumann eine schlanke, blasse Brünette" ist und ein schlichtes schwarzes Kleid mit Stahl­perlenbesaße trug."

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Die Wahl von Frauen zum Schulinspektorat in Basel  hatten bürgerliche Frauen in einer Petition an den Regierungsrath gefordert. Die Regierung beantragte beim Großen Rathe die Ab­lehnung der Petition. Dieser lehnte jedoch den Antrag ab und be­schloß, die Regierung aufzufordern, einen Gesezentwurf vorzulegen, der die Theilnahme der Frauen an der Inspektion der Mädchen­schulen vorsieht.

* Eine Bibliographie aller in England erschienenen Schriften über die Frauenfrage veröffentlicht die ,, English womans Review". Sie beginnt mit einer Schrift aus dem Jahre 1545: Ver­theidigung guter Frauen". Für das Studium der Frauenfrage ist dieser Katalog von großem Werth.

Eine Frauenzeitschrift in arabischer Sprache erscheint in Aegypten  . Sie soll von den Damen der obersten Kreise gelesen

werden.

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .