Dann aus den Himmeln fällt der Wahrheit Feuer In deine Nacht, das einst Prometheus stahl An ihrem Brand entzündet sich ein neuer: Der Welterlösung leuchtend Flammenmal! Lichttrunken will ich dann die Arme heben Und jauchzen in den glühen Glanz hinein Und wenn des Liedes Gabe mir gegeben, Laß mich die Stimme deiner Freiheit sein!

Notizentheil.

( Von Tily Braun und Klara Betkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

D. Z. Die Frau im kaufmännischen Beruf. In der Schweiz wurden bei der letzten, im Jahre 1888 stattgefundenen Volks- und Berufszählung 38 256 weibliche und 54037 männliche Berufsthätige im Handel gezählt. Die Konkurrenz der Frauen ist, wie der Ver­gleich der Zahlen zeigt, hier eine recht große. Erfreulicher Weise haben die Männer eingesehen, daß sie sich damit abfinden müssen. So äußerte sich der Zentralpräsident des schweizerischen kaufmännischen Vereins, Herr Bodmer in Zürich , im Zentralblatt", dem Organ dieser Organisation, u. A. dahin, daß der Verein eine große soziale und wirthschaftliche Bewegung nicht zu hemmen vermag, wenngleich er ihr Sandkörner in den Weg legt. In einer Zeit, die den Frauen den Zutritt zu den höchsten Bildungsanstalten allgemein gestattet und die Erwerbung jedes wissenschaftlichen Befähigungsausweises ermög­licht, einem Mädchen, das alle Bedingungen unseres Programms erfüllt, das Bestehen einer kaufmännischen Lehrlingsprüfung verwehren zu wollen, sieht doch zum Mindesten recht sonderbar aus und darf sicherlich nicht als eine erlösende soziale That gelten." Das sind sehr vernünftige Aeußerungen. Im Uebrigen stehen in der Schweiz den Frauen längst alle kaufmännischen Bildungsanstalten offen, und die Anfangs Mai in St. Gallen neueröffnete Handelsakademie gewährt von vornherein beiden Geschlechtern den Zutritt.

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Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Ein weiterer Beitrag zum Kapitel der Arbeiterinnenlöhne. Schweißblätter kennt jede Frau und braucht sie für ihre Kleider, aber nur die Wenigsten wissen, zu welch' niedrigen Arbeitslöhnen der kleine Artikel angefertigt wird. Die Herstellung der Schweißblätter geschieht hausindustriell und zwar meist durch verheirathete Frauen. Für das Groß Paar der gewöhnlichen gangbarsten Sorten werden 2,75 Mt. ge: zahlt. Mit der Anfertigung eines Groß, also von 12 × 24 Stück hat eine geübte, flotte Arbeiterin 1/2 Tage zu thun. Da die mitt­Tere Naht 18 Zentimeter lang ist und der einzufassende Außenrand 68 Zentimeter mißt, so sind am Groß 247,68 Meter zu nähen. Wenn man dann noch die dabei nöthige Handarbeit dazurechnet: das Ein­legen des Gummi, das Beschneiden, Abpuzen und Plätten, so kann man sich denken, mit welch' fieberhafter Anspannung gearbeitet werden muß, damit in 1/2 Tag das Groß fertig gestellt wird. Außerdem so erheischt es das Geschäftsinteresse muß täglich und zwar des Vormittags geliefert werden. Den hiermit nothwendig verknüpften Verlust an Arbeitszeit muß Nachtarbeit wieder einbringen. Auf 10 Mt. Wochenlohn unter diesen Umständen zu kommen, ist ein Kunststück, das nicht vielen Arbeiterinnen gelingt. Für Abnutzung der Nähmaschine, Garn, Nadeln und Plättfeuerung müssen 12 bis 2 Mt. abgerechnet werden, so daß 8 Mt. reiner Verdienst selten erreicht wird. Die angeführten Thatsachen erzählen beredt von Entbehrungen und Hunger, trotz durchgearbeiteter Nächte. 0. B.

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Z. Wie man die Arbeiterinnen behandelt. Unter der Herr­schaft des Zuchthauskurses, da jedes Wort, das ein ehrlicher Arbeiter gegenüber einem Streifbrecherschufterli gebraucht, mit schweren Strafen Gefängniß und Zuchthaus! belegt wird, ist es gut, auf Grund zuverlässigen Materials zu zeigen, wie die Arbeiter und Arbeiterinnen von den Unternehmern und ihren Unteroffizieren behandelt und wie milde von den Behörden diese Verbrechen beurtheilt werden oder wie sie auch wegen Unterlassung von Anzeigen ganz ungefühnt bleiben. So berichtete der badische Fabrikinspektor Dr Wörishoffer im Jahre 1895 über folgende Vorgänge: In einer großen Anlage für Seilfabrikation traten Mißhandlungen aus unbedeutendem Anlasse ein, sobald z. B. an den Maschinen eine kleine Unregelmäßigkeit vor­fam. Die Arbeiterinnen wurden mit beiden Händen am Halse ge­schüttelt und mit dem Kopfe an die Maschinen gestoßen, sie erhielten

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Ohrfeigen, wurden in das Genick geschlagen, an beiden Ohren gepackt und herumgezogen, bekamen Fußtritte u. s. w. In einem Falle wurde auch ein Mädchen so mit dem Arme in die Maschine gezogen, daß eine Verletzung der Hand entstand. In fünf Fällen wurden Klagen vor dem Amtsgericht erhoben. Sie endeten mit Vergleichen, wobei der Aufseher 10 bis 15 Mt. Entschädigung bezahlte und die Kosten übernahm." Wenn ein ehrlicher Arbeiter einen Lumpen Streit­brecher nennt, erhebt die Staatsanwaltschaft die Amtsklage; wenn aber Arbeiterinnen in unmenschlicher Weise von einem rohen Werk­führer mißhandelt und körperlich verletzt werden, müssen sie selbst flagen. In jenem Falle werden schwere Strafen verhängt, im anderen Falle wird ein Vergleich herbeigeführt und eine Ent­schädigung von 10 bis 15 Mf. erkannt, feine Strafe trifft den Schul­digen. Wie viele Jahre Zuchthaus bekäme wohl heute ein deutscher Arbeiter, der einen verkommenen Streifbrecher so behandelte, wie der Werkführer die Arbeiterinnen in der badischen Seilwaarenfabrik miß­handelt hat, und Dr. Wörishoffer wünschte die Entlassung des Werk­führers. Der Fabrikant aber erklärte: er habe keinen Anlaß, den , pflichttreuen" Aufseher zu entfernen, wobei er auch auf das niedere sittliche Niveau der Arbeiterinnen" hinwies, womit vorher schon ein­mal ein Gesuch um Ueberzeitbewilligung begründet worden war. Sehr richtig bemerkt Dr. Wörishoffer dazu, daß solche Urtheile nur mit großer Vorsicht aufzunehmen sind" und daß jedenfalls Mißhand­lungen in Verbindung mit Ueberarbeit nicht dazu dienen, das mora­lische Selbstgefühl, welches doch die Grundlage jeder Sittlichkeit ist, zu heben". Nach den Berichten der sächsischen Fabrifinspektoren für 1897 hatte im Bezirk Freiberg ein Fabrikdirektor wieder einmal das traurige Kapitel von der Nothwendigkeit eines erhöhten Sittlich= keitsschutes für Arbeiterinnen um einen Fall vermehrt. Dem Direktor wurde nachgesagt, daß er sich öfter Arbeiterinnen aufs Komptoir rufen ließ, die Rouleaux und Thür verschloß und sich dann an ersteren gegen Bezahlung unsittlich vergriff. Die behördliche Untersuchung bestätigte alle Angaben; dennoch ließ die Behörde die Sache auf sich beruhen, da dem Direktor keine straf­bare" Handlung nachzuweisen war. Wie herrlich ist es doch in einem Staate, wo die Ehre der Arbeiterinnen vogelfrei ist gegen Be zahlung! Daß auch Noth oder Furcht vor Verlust der Arbeit die Mädchen bewogen haben könnte, sich preiszugeben, das kam dem Fabrikinspektor, in dessen Bericht sich jene Mittheilung vorfindet, gar nicht in den Sinn.

Natürlich liegen die Verhältnisse im Auslande nicht besser. Bei den im Jahre 1896 in Wien gepflogenen Erhebungen über die Lage der Arbeiterinnen wurde ausgesagt, daß die Frauen und Mädchen in den Fabriken von den Unternehmern und ihren Angestellten in schmäh­lichster Weise beschimpft und mißhandelt werden. Worte, wie Schlampen, Feßen"," Sie Dreckluder, Sie Dreckvieh, Sie Rindvieh, ich schmeiß Sie hinaus!"," Ich schmeiß Sie über die Stiege, daß Sie die Haren in die Höhe strecken"," Sie Luder, Sie niederträchtiges Vieh, Sie Schwein Sie", seien durchaus nichts Seltenes. Eine Arbeiterin wurde entlassen, weil sie die unsittlichen Anträge des Fabrikanten zurückwies; eine andere erhielt aus dem gleichen Grunde von ihrem Brotgeber" eine Ohrfeige. Einer Frau, die in anderen Umständen war und um Arbeit in einem Geschäfte fragte, wurde erklärt, sie könne solche erhalten, wenn sie dem Herrn zu Willen sei! Bezüglich der Ladenmädchen wurde ausgesagt, daß sie entlassen werden, wenn sie sich nicht hingeben. Viele dieser Mädchen sinken zu Prosti­tuirten herab, da sie miserabel entlohnt werden. Die Unternehmer und ihre Angestellten, welche die Mädchen verführen, sind in der Regel verheirathet und haben Kinder. Uebereinstimmend sagten mehrere Expertinnen aus, daß es ihnen in der Lehrzeit sehr schlecht ergangen sei. Die Eine erzählte:" In der Lehrzeit habe ich oft Schläge gekriegt, daß ich ganz blau war, weil ich die Arbeit nicht habe leisten können, die die Männer zu leisten haben. Der Herr hat ein spanisches Rohr gehabt, das habe ich versteckt und da hat er das Pfeifenröhrl genommen." Eine andere Expertin sagte: Mein Herr hat mich ge­schlagen, gezwickt und beim Ohr gerissen, daß ich blutete. Er hat einen Hund gehabt, der ist vor lauter Schläge davongelaufen, und da hat er die Hundspeitsche für die Mädchen verwendet. Wenn wir verschlafen haben, ist er mangelhaft gekleidet in unser Zimmer ge­kommen und hat uns mit kaltem Wasser angeschüttet und ist nicht früher weggegangen, bevor nicht alle aufgestanden sind. Dann sind wir noch bestraft worden und haben kein Frühstück bekommen." So handeln Angehörige jener honetten Gesellschaft", die nicht genug über die Rohheit und den sittlichen Tiefstand des arbeitenden Volkes schreien können und die die Mission in sich fühlen, die Massen, sittlich zu heben" so sittlich zu heben", wie vorstehend geschildert ist Wenn die Worte und Thaten jener Leute mit demselben Maße ge­messen würden, wie die Worte und Thaten von Proletariern, wie