eine Lohnforderung einzureichen. Herr Mauerbrecher war darüber so entrüstet, daß er zwei Arbeiterinnen sofort entließ, weil er sie für die Aufwieglerinnen" hielt. Den Lohn erhielten die Entlassenen für vierzehn Tage ausbezahlt. Die übrigen etwa 50 Arbeiterinnen be­lehrte Herr Mauerbrecher durch den folgenden Satz über das pari­tätische Recht" zur Koalition:" Im Namen des Gesetzes fordere ich Euch auf, zu erklären, ob Ihr aus dem Deutschen  Textilarbeiter- Verband austreten wollt." Nur von zwei Arbeiterinnen erhielt er nicht die gebührende Antwort auf diese Auf­,, Dann ist über vierzehn Tage Eure Zeit um, denn dann forderung. seid Ihr Sozialdemokraten", erklärte nun der rechtsbeslissene und wohlunterrichtete Herr. Sein Vorgehen könnte jeder Richter als Erpressung" ahnden, wenn nur ein Titelchen der sinnigen und minnigen Deutungskunst aufgewendet würde, die unseren Gerichten fordernden Arbeitern gegenüber in so reichem Maße zu Gebote steht. Schade, daß Herrn Posadwsky's be- rühmte Denkschrift" über den ,, Terrorismus" in Sachen des Koalitionsrechts der Proletarier schon abgeschlossen und gerichtet ist. Der mitgetheilte Fall hätte sie um einen netten Beitrag vermehren können und zwar zu dem amtlich ungeschriebenen Kapitel des Unternehmerterrorismus und des noth­wendigen Schutzes der Arbeiter und Arbeiterinnen dagegen.

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Frauenstimmrecht.

Für Einführung des Frauenstimmrechts in Kanada   ist in drei Provinzen eine fräftige Agitation eingeleitet worden. Die Führerinnen der Temperenzgesellschaften entfalten besonders eine rege Thätigkeit zu Gunsten der Reform. Sie erwarten, daß die Frauen ihre politische Gleichberechtigung benutzen werden, um den Alkohol­genuß durch schärfste gesetzliche Maßregeln zu bekämpfen.

Für das Frauenstimmrecht in Holland   trat der Sozial­demokrat Troelstra   ein, der in einem Antrag die Einführung des allgemeinen Stimmrechts forderte. Der Antrag entfesselte eine grund­sätzlich sehr bedeutsame Debatte. Wir hoffen, in nächster Nummer einen Bericht unserer Amsterdamer Korrespondentin zur Sache ver­öffentlichen zu können.

Das Recht der Frauen, als Räthe und Aldermen in die nenen Londoner   Bezirksverwaltungen gewählt zu werden, wurde vom Oberhause mit 182 gegen 68 Stimmen verworfen. Lord Salisbury   sprach und stimmte für die betreffende Bestimmung des Verwaltungsgesetzes, mehrere andere Minister stimmten dagegen.

Das Gemeindewahlrecht der Frauen in Louisiana   wurde fürzlich laut Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften eingeführt. Louisiana   ist der 27. Staat der Union  , der dem weiblichen Geschlecht das kommunale Wahlrecht zuerkennt.

Ueber die Einführung des kommunalen Stimmrechts der Frauen in Connecticut   verhandelte kürzlich das Parlament dieses Staates. Der betreffende Gesetzentwurf wurde einstimmig angenommen. Das Wahlrecht fällt nicht allen Frauen zu, sondern nur Bürgerinnen", welche 150 Dollars eigenen Besitz haben oder ein schuldenfreies Be­sitthum von 300 Dollars Werth. Die Proletarierinnen bleiben also in der Mehrzahl Rechtlose.

Frauenbewegung.

* Gegen die Zuchthausvorlage hat auf Anregung von Frau Jeannette Schwerin   der von Fräulein Helene Lange   geleitete Ber­liner Frauenverein" Stellung genommen. Folgende Resolution gelangte zur Annahme:

,, Der Berliner   Frauenverein erklärt, daß er in dem Gesetz zum Schutz der Arbeitswilligen feinen Schutz der mehr als zwei Millionen Fabrikarbeiterinnen und der ungezählten Heimarbeiterinnen sehen fann; vielmehr erwächst den arbeitenden Frauen aus diesem Gesetz eine neue Schwierigkeit, eine bessere Lebenshaltung zu erringen. Die für Frauen so ungünstigen Vereinsgesetze entziehen ihnen das einzige Mittel, für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen selbständig ein­zutreten, und der neue Gesetzentwurf giebt Handhaben genug, um jede Aufklärung durch Presse, Wort und That zu verhindern. Er bedeutet also eine rückhaltlose Auslieferung der wirthschaftlich Schwächsten. Der Berliner   Frauenverein protestirt daher gegen ein Gesetz, welches die wirthschaftliche Abhängigkeit der Frau in wirth­schaftliche Sklaverei verwandeln würde."

Diese Resolution beweist, daß das Verständniß für die wirth­schaftlichen Kämpfe gewachsen ist. Es wäre jedoch thöricht, daran die Hoffnung zu knüpfen, daß diesem Verständniß wesentliche und dauernde thatsächliche Unterstützung des Proletariats in diesen Kämpfen folgen werde.

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Die fünfte Generalversammlung des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins fand Ende Mai in Danzig   statt. Von den 64 Zweigvereinen der Organisation, die fast 11000 Mitglieder zählt, waren 47 durch Delegirte vertreten. In den Thätigkeitsberichten wurde hervorgehoben, daß die Bestrebungen auf dem Gebiete der sozialen Hilfsarbeit besonders vielseitig seien. Das Hauptinteresse wurde in der letzten Zeit der Fürsorge für die sittlich gefährdete Jugend zugewendet. Was das Wirken für die Interessen der Lehre­rinnen betrifft, so verzeichnete man hauptsächlich Folgendes: Der Bonner   Zweigverein errichtete Oberlehrerinnenkurse zur wissenschaft­lichen Weiterbildung der Lehrerinnen. Der Hamburger Schul­lehrerinnenverein petitionirte um die Aufnahme der Lehrerinnen in die Schulfynode, eine Art Mittelglied zwischen Schule und Behörde in Hamburg  . Die Erfüllung dieser Forderung ist ziemlich sicher. Durch statistische Erhebungen wurden die Interessen der Lehrerinnen, das Besoldungsgesetz betreffend, vertreten. Für die Hebung der materiellen Lage der Lehrerinnen wirkten die Ruhegehaltszuschuß­kasse und die Lehrerinnenheime. In der an die Generalversammlung anschließenden öffentlichen Hauptversammlung bezeichnete es Helene Lange   als eine der wichtigsten Aufgaben des Lehrerinnenvereins, da­für zu wirken, daß die Frau die Stelle in der Erziehungsarbeit unseres Volkes erhält, die ihr gebührt". Ein Referat und die Dis­kussion über das Thema: Die Bedeutung des Universitätsstudiums für die Lehrerin" gipfelten in der Forderung, daß gymnasiale Vor­bildung und Universitätsstudium unerläßliche Bedingungen für die Ausbildung wissenschaftlicher Lehrerinnen seien.

* Vom Wiener   Mädchengymnasium werden in diesem Jahre zehn Schülerinnen das Abiturienteneramen machen. Sie können nach bestandenem Examen als ordentliche Hörerinnen der philosophischen Fakultät die Wiener Universität   besuchen.

Eine Buchdruckerschule für Mädchen wurde in Paris   von der Organisation der christlichen Frauenrechtlerinnen ge= gründet. Die Schule soll ihren Zöglingen gründliches technisches Wissen vermitteln, so daß ihre Leistungen denen der Männer eben­bürtig werden.

Landwirthschaftliche Lehranstalten für Frauen in Ruß­ land   sind vom Ministerium für Landwirthschaft eingerichtet worden. Sie umfassen einfache Haushaltungskurse, praktischen Unterricht in allen Zweigen der Landwirthschaft und höhere Kurse zur Ausbildung von Gutsleiterinnen, bezw. Verwalterinnen.

Der internationale Frauenkongreß zu London   ist am 26. Juni zusammengetreten und wird eine Woche lang tagen. Seine äußerst reichhaltige Tagesordnung umfaßt so ziemlich alle Gebiete des sozialen Lebens, welche die Frauen besonders interessiren: Die öffentlich- rechtliche und privatrechtliche Gleichstellung der Geschlechter; die Frauenbildung und das Frauenstudium; die Berufsthätigkeit der Frau auf den verschiedensten Gebieten; die gewerkschaftliche Arbeite­rinnenorganisation; der gesetzliche Arbeiterinnenschutz; die Frauen­genossenschaften; die soziale Hilfsarbeit des weiblichen Geschlechts zc. 2c. Vorläufig waren bereits 1800 Theilnehmerinnen angemeldet. Es sind gegen 1000 Reden, Berichte und Referate vorgesehen. Die verschie­denen Fragen werden in 60 einzelnen Sektionen behandelt, die unab­hängig von einander gleichzeitig tagen. Dem Kongreß wohnen nicht blos Delegirte so ziemlich aller europäischen Nationen bei, sondern auch zahlreiche Amerikanerinnen, ferner Japanesinnen, Indierinnen und sogar mehrere Chinesinnen.

* Unternehmende Damen. Vor fünf oder sechs Jahren ver­fiel eine Anzahl Damen der vornehmen Gesellschaft in London   darauf, unter angenommenem Namen irgend ein feineres Geschäft, in dem ausschließlich Toilettenartikel für Frauen verkauft würden, zu be­gründen. Die Veranlassung zu dieser merkwürdigen Jdee war in den meisten Fällen Mangel an den zu einem eleganten Leben noth­wendigen Mitteln, oft aber auch Langeweile. Jede Dame wählte eine ihr am meisten zusagende Branche, in der sie zwar keine Kennt­nisse und praktischen Erfahrungen besaß, für die sie aber desto mehr Talent und natürliches Verständniß bekundete. Anfangs betrachtete man jedes dieser Unternehmen, in denen die Ladies bald eine fieber­hafte Thätigkeit entwickelten, nur als eine flüchtige Kaprice. Jetzt hat diese Laune" aber in vielen Fällen eine Probe von mehreren Jahren bestanden, und mit Stolz zeigen die vornehmen Ladenbesitze­rinnen ihre Rechnungsbücher, in denen recht schöne Resultate ihres persönlichen Fleißes verzeichnet sind. Die Urheberinnen dieses eigen­artigen Thätigkeitsdranges von Damen der oberen Zehntausend waren die Counteß of Warwick und Lady Granville Gordon. Gräfin Warwick hat unter ihrem vollen Namen ein Wäschegeschäft in Bond­street eröffnet, während die in den aristokratischen Kreisen der Themse­stadt wohlbekannte Persönlichkeit der Lady Granville sich hinter einer