simplen Madame Lierre   verbirgt. Dem Beispiele dieser beiden Aristo­fratinnen folgte als eine der ersten Mrs. Lucille Wallis, deren aus­erwählt geschmackvolle Toiletten man bei allen fashionablen Anlässen bewundern kann. Die sich durch vollendeten Chic auszeichnende hübsche kleine Frau ist selbst eine Zierde der Salons vieler altadeligen Familien des Landes, und die in ihrem Modeatelier in Hanoverstreet angefertigten Roben werden von Gräfinnen und Marquisen getragen. Die von der eleganten Londoner   Damenwelt gesuchteste Puhmacherin ist die Chefin des Salon, Frivolité", Mrs. Archibald Stuart- Wort­ley. Eine andere gesellschaftliche Leuchte, Mrs. Jack Cummings, darf für die häufig erwähnten Machinkafleider verantwortlich gemacht werden. Aber nicht nur Mode-, Putz- und Wäschegeschäfte haben wirkliche Ladies zu Begründerinnen, sondern auch einige luxuriös ausgestattete kleine Konditoreien und Tea- Bars sind von Society­Women"( Damen der feinen Welt) eingerichtet und werden von ihnen geleitet. Die Prinzipalin der Ladies Own Tea Association", in deren eleganten Erfrischungsräumen die Töchter gutgestellter Familien als Kellnerinnen in weißen Seidenkostümen fungiren, ist ebenfalls ein be­liebtes Mitglied der Gesellschaft. Miß Lambert besitzt ausgedehnte Theeplantagen auf Ceylon und läßt in der Küche der Damen- Thee­vereinigung" nur die Erzeugnisse ihres eigenen Grund und Bodens verwenden. Selbstverständlich haben nicht alle von angesehenen und vornehmen Frauen ins Leben gerufenen Unternehmungen Erfolg ge­habt. Von Dreien war es vielleicht immer nur Eine, die den ersten großen Schwierigkeiten zu trogen vermochte und zu Erfolg kam.

* Die Frau als Erfinderin. Das deutsche Patentamt führt feine statistischen Aufzeichnungen über die an Frauen ertheilten Pa­tente. Nach Angabe des Patentanwalts Richard Lüders in Görlitz  wies der Jahrgang 1897 der deutschen   Patentrolle bei einer Ge­sammtertheilung von 5440 Patenten 40 an Frauen ertheilte auf. Aus dem Material der Archive der einzelnen Patentbureaus ergeben sich sehr schwankende Ziffern. Dasjenige von Glaser, das allerdings hauptsächlich mit großen Industriellen des Hüttenfachs, der gesammten Eisen- und chemischen Großindustrie arbeitet, einem Gebiete, das sehr viele Patentklassen umfaßt, und auf dem die Frauen von Deutsch­ land   bisher von der Theilnahme fast durchweg ausgeschlossen waren, ergiebt sich sechs pro Tausend Erfindungen weiblicher Urheber. Das Material des Patentbureaus von Dr. Schanz weist bereits einen er­heblich größeren Prozentsatz auf, und zwar 4 Proz. Die meisten da­von gehören in das Gebiet der Toilette und des Haushalts, wie Korsetts, Kleiderraffer, Hutbefestigungsvorrichtungen u. s. w.

Das österreichische Patentamt ertheilte an weibliche Personen folgende Anzahl von Patenten: im Jahre 1896 53, im Jahre 1897 34, im Jahre 1898 52. Frankreich   und die Schweiz   führen, wie Deutschland  , keine Statistik über die Erfindungen von Frauen. In England sind im Jahre 1897 702 Frauenerfindungen patentirt wor­den. 148 derselben gehören in das Gebiet der Toilette und 106 in das Gebiet des Radsports.

Die regste Betheiligung der Frauen an Erfindungen ist natürlich in der neuen Welt anzutreffen. Während von den Jahren 1809 bis 1845 das Washingtoner Patentamt in anfangs längeren, später für­zeren Jahresbeständen immer nur je eine Erfindung einer Frau regi­strirt, nimmt die Zahl Mitte   der fünfziger Jahre, wo die Ausbildung des weiblichen Geschlechts gründlicher wird, langsam zu, um in den sechziger Jahren nach dem Bürgerkriege mächtig anzuschwellen und von da bis zur Gegenwart immer weiter zu steigen.

Während ihre Zahl von 1809 bis 1829 nur 10, von 1830 bis 1849 nur 22, von 1850 bis 1860 nur 28 betrug, stieg sie von 1861 bis 1870 auf 262, von 1871 bis 1880 auf die noch höhere Ziffer 1593 und in den vier Jahren von 1891 bis 1894( weitere Ziffern sind vom Washingtoner Patentamt bis zur Stunde noch nicht veröffentlicht) auf 1031. Die Totalziffer von Erfindungen amerikanischer Frauen beläuft sich bis Anfang 1895 auf 3924.

Die Zahlen sprechen für die Richtigkeit der Annahme, daß der Besitz wissenschaftlicher und fachlicher Bildung, die Berührung mit der Deffentlichkeit das Erfindertalent der Frau zur Reife bringen. Auch die Art ihrer Erfindungen bestätigt dies. Während die Erfin­dungen der europäischen   Frauen hauptsächlich auf den ihnen natür­licheren Gebieten der Toilette und des Haushalts liegen, sehen wir die amerikanischen Erfinderinnen im schrankenlosen Wettbewerb mit den Männern; sie lassen sich Verbesserungen an Kriegsschiffen, an Schiffsdampftüchen, an Lokomotivrädern, an Eisenbahnheizvorrich­tungen, an Waggonkuppelungen, an Bremsen, an Straßenfehrmaschinen u. s. w. patentiren. Auch im Maschinenwesen haben viele Ameri­fanerinnen durch Erfindungen sich ausgezeichnet; eine Baumwoll­reinigungsmaschine, verschiedene Nähmaschinen, eine Maschine zur Fabrikation von Papiersäcken mit verstärktem Boden und viele andere sinnreich konstruirte Maschinen verdanken weiblichem Hirn ihren Ur­

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sprung, ebenso unterseeische Teleskope, medizinische Gegenstände u. s. w. Das amerikanische   Patentamt, das eine so genaue Statistik über die Erfindungen weiblicher Urheber wie kein anderes der Welt führt, hat seit 1892 außer der chronologischen Aufführung auch eine schematische Eintheilung eingeführt. Dieser entnehmen wir, daß in den Jahren 1892, 1893 und 1894 Frauen auf folgenden Gebieten erfinderisch thätig waren: landwirthschaftliche Gegenstände 15, fünstlerische Gr findungen 9, Kinderwagen 6, Faßtheile 4, Fahrradtheile 2, Neuheiten im Baugewerbe 22, Flaschenapparate 2, Körbe und Kisten 6, Uhren und Uhrtheile 3, Küchenutensilien 102, Unterrichtsgegenstände 15, Blumen, Pflanzen, Möbel und Einrichtungsgegenstände 55, Heiz­apparate 31, Hufeisen 3, medizinische Gegenstände 23, Motoren 3, musikalische Apparate 63, Wasserinstallation 3, Desinfektion und Konservirung 2, Druck- und Buchbinderarbeiten 5, Eisenbahngegen­stände 8, Vorhänge 6, Näh- und Webapparate 2, Gegenstände der Papierbranche 9, Theatergegenstände 4, Toilettenartikel 11, Puppen und Spielsachen 27, Koffer und Taschen 18, Schreibmaschinen und Schreibmaschinentheile 6, Waschmaschinen und andere Wasch- und Reinigungsgegenstände 52, Anzüge 132, Diverse 28.

Der Frauen- Landesausschuß von Kanada   hat nach einem Bericht seiner Vorsitzenden, Lady Aberdeen, in den letzten fünf Jahren eine äußerst rege und vielseitige Thätigkeit entfaltet. Seine Leistungen faßt die Berichterstatterin in die folgenden 18 Punkte zusammen: 1. Der Ausschuß setzte die Einführung des Handfertigkeits- und Haus­haltsunterrichts in den öffentlichen Schulen von Ontario   durch, so= wie die Ausbildung des Lehrpersonals in den betreffenden Fächern. Er förderte eine entsprechende Bewegung in anderen kanadischen Provinzen. 2. Er setzte durch, daß in den Provinzen Quebec   und Ontario   weibliche Fabrifinspektoren zur Revision der Fabriken und Werkstätten angestellt wurden, wo Arbeiterinnen beschäftigt werden. 3. Er erreichte, daß in Ontario   die Bestimmungen des Fabrifgesetzes, die Beschäftigung weiblicher Arbeitskräfte betreffend, auch auf die Läden ausgedehnt wurden. 4. Er setzte in Neu- Braunschweig   durch, daß Frauen als Schulpflegerinnen angestellt wurden. Dank seiner Aktion wurde in Britisch Columbia ein Amendement des Schul­gesetzes angenommen, kraft dessen Frauen in die Schulräthe gewählt werden können. 5. Er bewirkte sehr wünschenswerthe Reformen be­züglich der Lage der weiblichen Strafgefangenen in mehreren Städten, zumal in Quebec  , wo nun weibliche Aufseherinnen angestellt sind und junge Mädchen ihre Haft in besonderen Anstalten verbüßen. 6. Er organisirte in verschiedenen Orten Ausschüsse der vereinigten Armen­pflege- und Wohlthätigkeitsanstalten und wirkt noch gegenwärtig in dieser Richtung weiter. Im laufenden Jahre beschäftigt er sich mit der Frage der Arbeitslosen. 7. In kleineren Ortschaften gründete er Hospitäler. 8. Er gründete die Viktoria- Schwesterschaft für Pflege­rinnen. 9. Er gründete Koch- und Haushaltungsschulen und förderte in Quebec   die Gründung einer Schule für die Ausbildung von Dienst­boten. 10. Er ließ sich die Ausbreitung hygienischer Kenntnisse an­gelegen sein. Zu diesem Zwecke organisirte er besonders in Montreal  für Mütter bestimmte Vorträge von Aerzten über Gesundheitspflege. 11. Er veranstaltete eine Enquete über die Verbreitung unfittlicher Literatur, wirkte ihr etwas entgegen und machte Eltern und Lehrer auf die große diesbezügliche Gefahr für die Jugend aufmerksam. Er hat Schritte gethan, damit das Uebel durch die Gesetzgebung wie durch die Verbreitung gesunder, interessanter Literatur bekämpft wird. So gründete er z. B. einen Hauslektüre- Verband, der zur regelmäßigen Lektüre guter Schriften erziehen soll. 12. Er veranstaltete Enqueten über die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterinnen in ver­schiedenen Industriezentren und trat durch verschiedene Mittel für Besserung derselben ein. 13. Er veranstaltete eine Erhebung über die Gesetze zum Schuße der Arbeit von Frauen und Kinder und be­fürwortete in einer Eingabe an den Justizminister eine Reihe von Reformen des Strafgesetzes. 14. Er wirkt für eine bessere Ver­sorgung der bedürftigen Greise und Greifinnen, die gegenwärtig oft aus Mangel an anderen Anstalten den Gefängnissen zugeführt werden. Nach dem Bericht des Obergefängnißdirektors von Quebec  bestehen 60 Prozent der Häftlinge dieser Provinz aus Invaliden, Alten, Kranken und Schwachsinnigen. 15. Er läßt sich jetzt angelegen sein, der nußlosen Vernichtung von Thier- und Vogelleben zu Mode­zwecken entgegen zu wirken. 16. Durch einen Zweigverein erstrebt er eine bessere Vertheilung und Versorgung der einwandernden Frauen. 17. Er unterstützt die Aktion anerkannter ärztlicher Autoritäten für die Einführung von Maßregeln, welche geeignet sind, der Aus­breitung der Lungenschwindsucht entgegen zu wirken. 18. Er bemüht sich, die Einführung des Unterrichts im kunstgewerblichen Zeichnen durchzusetzen und damit den Frauen ein neues Thätigkeitsfeld zu er­öffnen. Die deutschen   Frauenrechtlerinnen können aus diesem Bericht ihrer kanadischen Schwestern Manches lernen.

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart.  - Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b..) in Stuttgart  .