versitäten", die zum großen Theil die Höhe europäischer Gymnasien nicht erreichen. Der Ausbildung von Lehrerinnen, dem technischen und Fortbildungsschulwesen galten andere Besprechungen, die nichts Neues zu Tage förderten. Sie wiederholten die alte Forderung der Gleichstellung der Geschlechter auch auf diesem Gebiet. Von deutscher Seite wurde die mangelhafte Vorbildung der Lehrerinnen durch die Seminare sehr getadelt, während in Amerika und England die meisten Lehrerinnen Universitätsbildung genossen haben, und daher auch berechtigt sind, in höhere Stellen vorzurücken. In derselben Sektion wurde auch die Frage des ethischen Unterrichts an Stelle des religiösen berührt, aber es scheint, daß die Anwesenheit der zahlreichen streng- religiösen Amerikanerinnen und Engländerinnen es zu feiner Erörterung kommen ließ. War es doch schon sehr schwer gewesen, bei dem vorbereitenden Komite des Kongresses durchzusetzen, daß die Sigungen nicht, wie es sonst üblich ist, durch Gebet eröffnet und geschlossen wurden. Die frommen Seelen hatten dafür reichlichen Ersatz in den Gottesdiensten, die zu Ehren des Kongresses am Sonntag zwischen den Sizungen in vielen Kirchen und Synagogen Londons stattfanden. Nicht nur, daß die Geistlichen den Text ihrer Predigten dem Kongreß entsprechend wählten, es sprachen auch weibliche Prediger, die in Amerika teine Seltenheit sind. ( Schluß folgt.)
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Luft mit dichtem Staub erfüllt, der sich auf die Kleider, den Körper der Arbeiterinnen legt und in deren Lungen dringt. Die Arbeiterinnen fallen denn auch durch ihre bleichen, fahlen Wangen auf; noch vor dem dreißigsten Lebensjahre, oft kaum daß sie in den Ehestand getreten und Mutter geworden sind, sehen sie verwelkt und verkümmert aus und gleichen älteren Frauen.
Sind die Felle wie beschrieben aufgerupft worden, so werden dann die aus dem Grundhaar hervorstehenden stärkeren Haare abgeschnitten. Bei den einschlägigen Hantirungen kommt manche Haarspitze in den Mund und in den Magen der Arbeiterinnen, statt auf den Düngerhaufen zu wandern. Die gesundheitlichen Gefahren des Haarschneidens werden bedeutend dadurch gesteigert, daß in der Hasenfellzurichterei die Hausindustrie oder besser gesagt die Heimarbeit eine große Rolle spielt, sicher zu Nutz und Frommen des Unternehmerprofits, ebenso sicher aber auch zum großen Schaden der Arbeiterinnen. In den kleinen Landorten in welche die Unternehmer ihre Filialfabriken verlegen, offenbar nur aus dem bekannten kapitalistischen Drange heraus, den armen Einwohnern eine Wohlthat" zu erweisen bestehen die Wohnungen der Arbeiterfamilien oft nur aus einem einzigen Zimmer nebst kleiner Küche. In diesem einzigen Zimmer wird nun gegessen, geschlafen und bis in die späte Nacht hinein die„ feine" Arbeit des Haarschneidens verrichtet. Die paar armseligen Pfennige, welche bei der Arbeit verdient werden, zwingen die Leute, Gesundheit und Leben
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Ein Erwerbszweig der Frauen im Großherzogthum auf das Spiel zu setzen, durch die tagtägliche Arbeit unter unge
Helfen.
In einer Anzahl Drte des Hessenländchens hat sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre ein Erwerbszweig entwickelt, in dem fast ausschließlich Arbeiterinnen beschäftigt sind. Es ist dies die Verarbeitung und Zurichtung von Hasenfellen, welche aus allen Welttheilen zusammengekauft und zum größten Theile in unserer Gegend für die Verarbeitung zu Pelzen u. s. w. vorgerichtet werden.
Diese Arbeit ist nichts weniger als angenehm, ja mehr noch: sie ist gesundheitsschädlich und zwar besonders für die mit ihr beschäftigten Mädchen und Frauen. Die in großen Ballen ankommenden Hasenfelle sind, wie leicht denkbar, voller Würmer und Unrath, so daß es für den dieser Arbeit Ungewohnten harte Ueberwindung kostet, die Felle auch nur in die Hand zu nehmen. Die einzelnen Felle werden dann mit einem Instrument, das einer kleinen Handsäge ähnelt, durchgerupft, wodurch sich große Staubmengen entwickeln, die sich überall im Arbeitsraum festsetzen. Hier ist in der Folge die
,, Raoul ist am 13. Februar im Bürgerhospital nach langem und schmerzlichen Todestampf verschieden; bis zum letzten Augenblick hat er nach der Liebkosung verlangt, die seine Mutter ihm vorenthielt. Ich leide sehr, sagte er oft zu mir ,, ein Wort meiner Mutter würde meine Leiden mildern, das weiß ich gewiß!... Dieses Wort ist nicht gekommen, ist nicht abgeschickt worden!... Glauben Sie mir, diese Frau ist gegen ihr Kind grausam und mitleidslos gewesen!... Raoul betete seine Mutter an, und doch hat er auf seinem Todtenbett ein fürchterliches Urtheil über sie gefällt: Ich kann sie weder als Mutter noch als Frau achten; doch mein ganzes Herz, das bald zu schlagen auf hören wird, ist voll von ihr, und ich verzeihe ihr das Leid, das sie mir angethan!'- Raoul hat mir vor seinem Tode lange von Ihnen erzählt. In sein trauriges Leben voll Leiden und Entbehrungen waren durch Sie süße, freundliche Erinnerungen getragen worden.-, Sagen Sie Herrn Daudet , daß ich im Augenblick, da ich aus dem Leben scheide, ihn und seine theure Frau mit Bedauern verlasse. Ich hatte mich innig mit dem armen Kranken befreundet. Ich wohne in einer großen, mit Blumen und Sonne überflutheten Landschaft und wollte, daß sich Raoul hier durch öftere, regelmäßige Besuche erholen sollte. Doch der sanfte, stolze und zartfühlende Mensch fürchtete stets, ungelegen zu kommen. In der letzten Zeit bat ich ihn, sich bei mir behandeln zu lassen. Er lehnte mein Anerbieten ab und ging unter dem Vorwand ins Spital, er fände dort bessere Pflege. Die Wahrheit war, das arme Kind fühlte sein Ende nahe und wollte einem Freunde nicht das traurige Schauspiel seines Todes geben...
IV.
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Das vorstehende Material hat mir das Leben geliefert. Lange Zeit sah ich in Naouls Geschichte nur eins der tausend Trübsale des Lebens, die unsere eigenen Trübsale kreuzen. Für meinen Blick als Schriftsteller hatten sich die Ereignisse zu sehr
sunden Bedingungen den Boden für schwere Krankheiten vorzubereiten. Die Unternehmer und deren Handlanger behaupten zwar, daß das Aufrupfen und Haarschneiden weder als Heimarbeit noch im Fabrikbetrieb von gesundheitsschädlichen Folgen für die Arbeiterinnen begleitet sei. So bestritt z. B. der fromme Seelenhirt eines Ortes in einer Versammlung diese Thatsache. Hören wir zu der Frage das Zeugniß eines Mannes, der gewiß nicht als„ Hetzer" verdächtigt werden kann. Der Fabrikinspektor für den hessischen Aufsichtsbezirk I, Herr Gewerberath Möser- Darmstadt, sagt im Jahresbericht für 1897: Der geschäftliche Aufschwung der Hasenhaarschneiderei im Jahre 1895 war Veranlassung, daß die Hausindustrie im Zurichten der Hasenfelle im Kreise Dieburg eine Zunahme erfuhr. Das großherzogliche Kreisgesundheitsamt Dieburg hatte Wohnungen und Arbeitsräume eingesehen und sich von der Gesundheitsschädlichkeit dieses Arbeitszweiges für Arbeiter und Mitbewohner überzeugt. Wahrnehmungen bei einer Typhusepidemie in Ober- Soden im Jahre 1895 haben das Kreisgesund
in meiner Nähe abgespielt, die Studie über menschliches Geschick verlor sich in meinem persönlichen Empfinden. Doch eines Tages, als ich mit Gustave Droz in Champrosay auf einem abgehauenen Baume saß, erzählte ich ihm in der Melancholie des Herbstwaldes von dem armseligen Leben Raouls.
,, Welch schönes Buch ließe sich darüber schreiben", sagte Droz tiefbewegt.
Von diesem Tage an ließ ich den„ Nabob" liegen, an dem ich gerade arbeitete und stürzte mich auf die neue Arbeit mit einem Eifer, einer Hast, einem Fieber, einem Zittern der Fingerspitzen, das mich beim Schreiben all meiner Bücher von Anfang bis zu Ende erfaßt.
Ich ging ans Werk.
" Jack" wurde gegen Ende Oktober nächsten Jahres fertig. Ich hatte fast ein Jahr für das Buch gebraucht, es ist das weitaus längste und am schnellsten durchgeführte aller meiner Bücher. Daher fühlte ich mich auch so abgespannt, daß ich mich in der schönen Sonne des mittelländischen Meeres, inmitten der Veilchen von Bordighera von der Anstrengung erholte.
Bei meiner Rückkehr erschien Jack in zwei Bänden, hatte aber nicht den buchhändlerischen Erfolg von Fromont junior und Risler senior. Zwei Bände, das ist lang und theuer für unsere französischen Gewohnheiten. Ein bischen zu viel Papier, mein Sohn", sagte mir mein großer Flaubert, dem das Buch gewidmet war, mit seinem gutmüthigen Lächeln. Man warf mir auch vor, ich hätte mich zu lange bei dem Leiden des armen Märtyrers aufgehalten. Georges Sand schrieb mir, sie hätte von der Lektüre ein solches Herzklopfen bekommen, daß sie drei Tage nicht hätte arbeiten können". Der Eindruck mußte in der That ein starker gewesen sein, daß er die schöne, muthige und kraftvolle Dichterin mit solcher Gewalt ergriff. Gewiß," Jack" ist ein grausames, ein herbes und düsteres Buch; doch was bedeutet das Buch neben der wahren Eristenz, die ich hier erzählt habe?