vertreten wäre, dann hätte sie sich nicht an den jüngst beschlossenen Flickreförmchen genügen lassen, sondern in einer wahrhaft würdigen und menschlichen Weise dafür gesorgt, daß dem Proletariat der Handund Kopsarbeit die Jahre des Alters und der Gebrechlichkeit zu Jahren des Ausruhens, frei von Sorgen um die Fristung der Eristenz, gestaltet würden. M. K.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Im Auftrage des Gauvorstandes für Anhalt unternahm Genossin Ziez- Hamburg für den Fabrikarbeiterverband eine Agitation durch das Herzogthum. Vom 27. Juni bis 12. Juli sprach die Referentin in den Orten: Calbe a. S., Niemburg a. S., Bernburg , Göthen, Aden, Zerbst , Coswig , Jonig, Dessau , Jeßniz, Raguhn , Roßlau , Barby , Aschersleben , Staßfurt und Harzgeroth. Sämmtliche Ver sammlungen waren gut, manche sogar glänzend besucht, vornehmlich auch von Frauen. 226 neue Mitstreiter schlossen sich dem Verbande an und es erfolgte die Gründung einer neuen Zahlstelle. Außerdem traten noch eine Reihe Metallarbeiter, Maurer und Schiffer ihren Organisationen bei und das„ Volksblatt" gewann einige Dutzend Abonnenten. Am 15. und 16. Juli fanden in Hannover und Linden zwei gut besuchte Volksversammlungen statt, in denen Genossin Zieg über das Thema referirte:„ Wer ist der Feind der Arbeiter?" Ihre Ausführungen fanden den ungetheilten Beifall der Anwesenden. Die stattgehabten Versammlungen bewiesen aufs Deutlichste, wie trefflich die wirthschaftliche Entwicklung den Boden für die AufL. Z. nahme der sozialistischen Ideen vorbereitet.
Polizei und Juristerei im Kampf wider die proletarischen Frauen. Die Genossin Zieß, sowie die Genossen Voigt, Holz, Baumgarten und Kloß waren in Bernburg wegen Uebertretung des anhaltischen Vereinsgesetzes und Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt. Diese Anklage knüpfte wieder einmal an eine angeblich politische Morithat an, deren sich die Genossin 3ieß schuldig gemacht haben sollte. Das gesegnete reaktionäre Vereinsgesetz des Anhalter Ländchens schließt nämlich Frauen von politischen Vereinen und Versammlungen aus. Am 20. und 24. Februar dieses Jahres fanden in Naundorf zwei unpolitische Versammlungen statt, welche beide von dem überwachenden Fußjäger aufgelöst wurden. Genossin Zietz sollte das Anhaltinische Reich dadurch in schwere Gefahr gebracht haben, daß sie als Rednerin das+++ politische Gebiet berührt hatte. Dank des Beamtenverstandes des ordnungsbeflissenen Fußjägers wurde das begangene schwarze Verbrechen rechtzeitig erkannt und vereitelt. Die Auflösung der Versammlung gab dem Staate Anhalt die Festigkeit zurück, die durch einen politischen" Satz einer Frau aufs Tiefste erschüttert worden war. Natürlich brachte die versuchte Unthat Genossin Zieh noch auf die Anklagebant. Mit ihr waren unter Anklage wegen Uebertretung des Anhalter Vereinsgesetzes gestellt: die Genossen Voigt und Baumgarten als„ Veranstalter" und die Genossen Holz und Kloß als„ Mitleiter" der Versammlung. Die fünf Angeklagten wurden außerdem des Widerstands gegen die Staatsgewalt bezichtigt, da sie die Versammlung aufgefordert haben sollten, sich nicht zu entfernen, als der Ueberwachende die Versammlung auflöste und die Räumung des Saales anordnete. Die Beweisaufnahme ergab ein ganz anderes Bild als das, welches die Anklage zeichnete. Trotzdem beantragte der Staatsanwalt für Genossin Ziet 3 Monate Gefängniß und 60 Mt. Geldstrafe; für Baumgarten 2 Monate Gefängniß und 60 Mt. Geldstrafe; für Voigt, Holz und Kloy je 2 Monate Gefängniß und 30 Mt. Geldstrafe. Das Gericht schloß sich im Wesent lichen der trefflichen Vertheidigung des Rechtsanwalts LandsbergMagdeburg an und sprach sämmtliche Angeklagte frei. Polizei und Staatsanwalt hatten der Liebe Müh umsonst verschwendet; ein seltenes Vorkommniß.
Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.
Eine Druckerei mit nur weiblichen Setzern soll in Peters burg gegründet werden. Auch in diesem Falle ist es das Profitbegehren von Unternehmerseite, das die Erweiterung des weiblichen Berufskreises veranlaßt hat. Der Besitzer der Druckerei ist nämlich überzeugt, daß die Frauen bei niedrigeren Löhnen fleißigere Arbeitskräfte sein werden, als es die bisher verwendeten Männer waren. Mit anderen Worten: die Thatsache, daß die Frau das billigere, willigere, widerstandslosere und damit einträglichere Aus
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beutungsobjekt ist, erweist sich überall als einer der ausschlaggebenden Gründe für die steigende Verwendung weiblicher Arbeitskräfte auf den verschiedensten Gebieten.
Die Zahl der Arbeiterinnen in den inspektionspflichtigen Betrieben Hessens betrug 1898 nach dem Berichte der Gewerbeaufficht 16654. Jm letzten Berichtsjahre hat eine starte Zunahme der Frauenarbeit stattgefunden. In den drei Inspektionsbezirken Darm stadt , Mainz und Gießen ist die Zahl der Arbeiterinnen von 8925 auf 11919 gestiegen, also um 2994, das ist um über 33 Prozent. Im Bezirk Offenbach unterstanden im vorigen Jahre 4735 Arbeiterinnen der Fabritinspektion. Immer mehr Verwendung findet die Frauenarbeit in der hessischen Zigarrenindustrie. Im Kreise Gießen wurden 1898 in 65 Bigarrenfabriken 876 Arbeiter und 2031 Arbeiterinnen beschäftigt. In den Zigarrenfabriken des Kreises Offenbach standen 1703 Arbeiterinnen 840 Arbeitern gegenüber. Der Inspektor für Oberhessen hebt in seinem Berichte hervor, daß die sitzende Lebensweise in der Fabrik die Gesundheit der Arbeiterinnen ungünstig beeinflußt, ferner, daß die Pflege und Erziehung der Kinder in Folge der Abwesenheit der Mutter leidet. Die kapitalistische Ausbeutung stampft die Rücksicht auf die Pflichten„ der heiligen Stellung der Frau" ebenso faltblütig unter die Füße, wie die Rücksicht auf die Gesundheit der Arbeiterinnen. Herauswirthschaftung möglichst hohen Profits ist ihr Polarstern .
Frauen beim Eisenbahnbau. Ausschließlich Frauen verrichten die Erdarbeiten beim Bau einer Eisenbahn in NischniNowgorod( Rußland ). Wegen der schlechten Löhne haben nämlich die Männer die Gegend verlassen. Trotzdem erhalten die Frauen nur die Hälfte der diesen gezahlten Löhne. Der Bedarf an Arbeitskräften hätte zu einer Erhöhung der Lohnfäße führen müssen, da aber der Bedarf durch rückständige und sozial schwache Frauen gedeckt werden kann, ist zu Nutz und Frommen des Unternehmergewinns eine weitere Senkung der Löhne eingetreten. So wirkt die vom Kapital ausgebeutete Rückständigkeit der weiblichen Arbeitskräfte nicht bios einer Hebung des Verdienstes der Arbeiter entgegen, sondern schafft für die Arbeiterinnen selbst Hungerlöhne und traurigste Arbeitsbedingungen.
Weibliche Fabrikinspektoren.
* Amerikanische Fabrikinspektorinnen. In den Vereinigten Staaten sind bis jetzt 30 Fabrifinspektorinnen thätig. Der Wunsch nach einer erheblichen Mehranstellung von weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten ist allgemein. Bei ca. 16 Millionen der Aufsicht unterstellten Arbeitern sind im Ganzen nur 130 Beamte thätig, deren Wirksamkeit außerdem noch eine sehr zweifelhafte ist, weil ihre Anstellung nicht auf Grund ihrer Befähigung, sondern in erster Linie auf Grund ihrer politischen Parteiangehörigkeit erfolgt. Nur die Wahl der Frauen richtet sich nach ihrer Begabung und ihrem Wissen allein. Man zieht dabei im Allgemeinen ehemalige Arbeiterinnen den Damen aus bürgerlichen Kreisen vor.
* Einen weiblichen Sanitätsinspektor nebst einem ebenfalls weiblichen Assistenten hat der Stadtrath von Sheffield ( England) fürzlich angestellt.
Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.
Die Arbeiterinnen der Buchbindereien und Druckereien von Manchester besitzen eine eigene Organisation, die 1896 gegründet wurde und zwar mit nur 22 Mitgliedern. Bis Ende des Jahres waren dem Verein 120 Arbeiterinnen beigetreten, 1897 zählte er 140, 1898 aber 170 Mitglieder. Die erste Jahresabrechnung, die im April 1897 erfolgte, wies Eingänge im Betrag von 837 Mt. auf und Ausgaben in der Höhe von 489 Mt. Der Organisation gehören zumeist Falzerinnen und Hefterinnen an; die Verwaltung wird im Wesentlichen von dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Buchbinder geführt, die auch in anderer Beziehung den Verein der Arbeiterinnen thatkräftig fördern. Der Verein der in Buchbindereien und Druckereien beschäftigten Arbeiterinnen ist dem Wome'ns Trades- Union- Council ( Ausschuß für Frauen- Gewerkschaften) von Manchester - Salford an= gegliedert, der eine rege agitatorische Thätigkeit für die Organisirung der Arbeiterinnen entfaltet.
Die Zahl der in Zentralverbänden organisirten deutschen Arbeiterinnen betrug 1898 nach der soeben veröffentlichten Statistik der„ Generalkommission" 13481. Für das letzte Jahr ist also leider wiederum, wie bereits 1897, ein Rückgang der Zahl der gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen zu verzeichnen. Und dies während die Zahl der Zentralverbänden angehörenden männlichen Arbeiter