In der Erkenntniß, daß die männlichen und weiblichen Dienstboten unter einem Ausnahmegesetz stehen, das ihre Bürgerrechte einschränkt, sie wehrlos der Willkür ihrer Arbeitgeber preisgiebt und ihnen die Möglichkeit nimmt, mit allem Nachdruck für ihre Interessen zu kämpfen, fordern wir: 1. Abschaffung der Gesindeordnung und der Dienstbücher. 2. Aufhebung des Gesetzes vom 24. April 18S4. 3. Ausdehnung der obligatorischen Kranken- und Unfallversiche­rung auf alle Dienstboten. 4. Unterstellung der Dienstboten unter die Gewerbeordnung. Wir verlangen ferner, angesichts der gesundheitswidrigen Woh­nungsverhältnisse der Dienstboten den schleunigen Erlaß orts- oder landespolizeilicher Verordnungen, die a) einen hygienisch angemessenen Minimalluftraum festsetzen; b) die Bestimmung treffen, daß diese Räume durch nach außen gehende Fenster gehörig ventilirt, mit Heizvorrichtung versehen, von innen verschließbar und von Retiraden und dergleichen in entsprechender Entfernung sein müssen. Die Durchführung dieser Bestimmung ist behördlich zu kontrol- liren und wo die Wohnräume der Dienstboten diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind die Hausbesitzer und Miether zu bestrafen und die fernere Benutzung des betreffenden Raumes zu verbieten. Um der Ausbeutung der Dienstboten durch gewerbsmäßige Ar­beitsvermittler ein Ziel zu setzen, verlangen wir die Errichtung öffent­licher oder kommunaler Arbeitsnachweise, soweit die Arbeitsvermitt­lung nicht von den Dienstbotenorganisalionen selbst in die Hand ge­nommen werden kann. Die Erringung aller dieser Forderungen wird zum großen Theil von dem energischen, vereinten Kampfe aller Dienst­boten abhängen und in diesem Kampfe sichern wir der Dienstboten­bewegung unsere Unterstützung zu." Polizei und Juristerei im Kampfe gegen die Prole­tarierinnen. Das bekannteMädchen für Alles", der berüchtigte Paragraph über den groben Unfug, brachte kürzlich Genossin Mesch- Berlin vor die Schranken des Gerichts. Am 10. Mai d. I. war dieselbe Vorsitzende einer von den Frauen Berlins   nach dem Prater einberufenen Volksversammlung gewesen, in der Genosse Stadthagen  über das Thema referirte:Die lex Heinze, ein Feigenblatt für Un­zucht." Genossin Mesch sollte nun nach der Anklage die betreffende Versammlung mit einemrevolutionären Hoch" geschlossen und sich dadurch des offenbar staatsgefährlichenThatbestands" des groben Unfugs schuldig gemacht haben. Die Sünderin sollte diese ihre Unthat mit sieben Tagen Haft büßen, war aber hartgesotten genug, doch immer jungen Dichters mit Frohsinn erfüllte; sie schilderte begeistert seine strahlenden großen Augen, die zu allen Scherzen milde blickten, aber Blitze des Zornes schössen, wenn häßliche Reden in ihrer Nähe laut wurden. Sie pries seine wunderbare Fähigkeit, das Beste, was der Mensch besitzt und geben kann, aus ihm herauszulocken eine Fähigkeit, die sie selbst, die so ganz Goethes Schülerin war, in höchstem Maße besaß. Weimars   herr­licher Park, Tiefurt, wohin sie mit Goethe gewandert war, und sein schlichtes Gartenhäuschen erschienen mir wie mit Märchenglanz umwoben, dem Glänze einer Zeit, die längst gestorben war. Und wie stürmisch klopfte mein Herz, wenn ich sein Haus betreten durfte! Das war damals für alle Menschen verschlossen; seine Enkel, zwei merkwürdige, viel verkannte, einsame Männer, wohnten in den Dachkammern, die einst ihrer Mutter, der genialen Ottilie, gehört hatten, und hüteten das Heim ihres Großvaters wie den kostbarsten Schatz. Es war fast unverändert geblieben; dichte Läden verwehrten dem Lichte den Eintritt, tiefe, lautlose Stille herrschte darin. Walter, einer der Enkel, erfüllte mir lächelnd meine schüchtern vorgetragene Bitte: ich durfte die Räume betreten, die mir erfüllt schienen von Goethes Geist. Auf den Zehenspitzen schlich ich durch die Zimmer, hie und da einen Laden aufstoßend, durch den ein Sonnenstrahl hereinsprang, als hätte auch er längst Eintritt begehrt. Ich durfte wiederkommen, so oft ich wollte; ich weiß, daß diese einsamen Stunden, in denen die Nähe eines der größten Menschen, die je gelebt haben, mich erschauern niachte, meinem Leben mehr Inhalt gaben, als ernste, äußere Erlebnisse. Wie fronime Kinder im hohen, weihrauchdurchdufteteu Dome, so faltete ich in stummer Andacht die Hände, wenn ich den winzigen Schlafraum,' das�mehr als einfache Arbeitszimmer betrat, in dem Goethes eigentliches Leben sich abspielte. Manche schlichte Arbeiter­wohnung von heute ist prunkvoll im Vergleich zu diesen Stübchen. Ihn drückte, wie er häufig sagte, äußerer Glanz; er konnte nichts 141- gegen diese Verfügung einer wohlweisen Behörde richterliche Ent­scheidung zu beantragen. Am 2. August wurde vor dem Königlichen Schöffengericht zu Moabit   über die Strafthat verhandelt. Das Ge­richt erkannte dem Antrag des Staatsanwalts entsprechend auf Frei­sprechung, weil es den Thatbestand des verbrecherischenrevolutionären Hochs" nicht für erwiesen hielt. Die Belastungszeugen, Polizeileut­nant Bernhard und Schutzmann Wissel, behaupteten zwar aufs Be­stimmteste, die Angeklagte habe das staatsgefährliche Wortrevolu­tionär" gebraucht. Drei vernommene Entlastungszeugen erklärten aber ebenso bestimmt, daß das inkriminirte Wort nicht dem Gehege der Zähne der Genossin Mesch entflohen sei. Zwei weitere Ent­lastungszeugen wurden nicht vernommen. Im Reiche dervollendeten Rechtsgarantien" des Grafen Posadowsky erscheint es fast als ein Wunder, daß Staatsanwalt und Richter den Aussagen dreier ge­wöhnlicher Sterblichen mehr Gewicht beigelegt haben, als zwei Poli­zeibeamten. Ein findiger Jurist könnte aus diesemThatbestand" mit Leichtigkeit eineBeamtenbeleidigung" herausdestilliren. Erwähnt sei noch, daß Genossin Mesch bereits einmal im Oktober vorigen Jahres des Vergehens beschuldigt wurde, durch einrevolutionäres Hoch" grobgeunfugt" zu haben. Auch damals konnte sie mittels eines großen Zeugenaufgebots das Gegentheil nachweisen, so daß das Verfahren gegen sie eingestellt werden mußte. Wenn es sich um die von den-s-!- j- Umstürzlerinnen bedrängte Sicherheit des Staates handelt, hat die Polizei Augen, und welche Augen; Ohren, und welche Ohren! Vielleicht, daß pflichteifrige Ueberwachende mit der Zeit noch die Gedanken hören. Genossin Mesch gedenkt sich vor den Uebungen polizeilichen Fein- und Gedankenhörens künftig dadurch zu schützen, daß sie die überwachenden Beamten vor dem Schlußwort ersucht, genau auf ihre Worte zu achten. 4.. U. Notizentheil. (von Lily Brau» und Klar» Zetkin.> Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. Tic Zahl der preußischen Fabrikarbeiterinnen, welche der Gewerbeaufsicht unterstehen, hat nach den soeben veröffentlichten Be­richten der Gewerbebeamten im Jahre 1S98 eine abermalige Zunahme erfahren. Die Zahl der Arbeiterinnen über 16 Jahre betrug in dem genannten Jahre gegen 337304 in 1897, stieg also um Großes schaffen, wenn irgend ein Luxus seine Augen störte und seine Gedanken ablenkte. Von da an las ich Goethes Werke; ich war noch ein Kind und sittenstrenge Zeloten mögen entsetzt die Hände ringen, wenn ich gestehe, daß ich mit neun Jahren den Faust halb auswendig konnte, und mit elf Jahren die Wahlverwandtschaften in der Tasche trug. Und doch verdarben sie meine Seele nicht: weil Niemand sie mir mit dem Ausruf:Das schickt sich nicht!" aus der Hand riß, suchte ich nicht dasUnschickliche" in den verbotenen Büchern. Was ich nicht verstand, das berührte mich nicht, aber was ich verstand, vielleicht auch oft nur ahnte, das erfüllte mich wie wunder­volle Offenbarung. Ich war ein sehr einsames Kind, fast Nie­mand, außer meiner nur selten bei mir weilenden Großmutter, küinmerte sich um mein Denken und Fühlen. Goethe aber sprach zu mir, und je älter ich wurde, desto klarer wurde mir seine Lehre: Sei du selbst, sagte er; bilde dein Wesen aus, soweit du kannst, nur dann kannst du Anderen nützen.Und dein Streben sei's in Liebe, Und dein Leben sei die That!" Das wurde für mich die Quintessenz aller Weisheit. Wohl hörte ich in meiner Umgebung immer wieder jene pessimistische Predigt, die ein Beweis für die Dekadenz der Kreise ist, in der sie eintönig fortklingt, jene Predigt von dem irdischen Jammerthal, von den schlechten Menschen, von der Begehrlichkeit und Selbstsucht der Massen, gegen die nichts schützt, als sich vornehm abzuschließen, mich widerte sie an, ja sie erweckte oft wüthenden Groll in mir. Denn mein Meister sagte mir auf jeder Seite: Reich und herrlich ist das Leben für den, der es selbst zu gestalten weiß; zu allem Guten fähig sind die Menschen für den, der sie behandelt, als wären sie gut:Wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, dann bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind." Mitheiteren Kräften", so rief er mir zu, gehe ins Leben hinaus;bleibe nicht am Boden haften; überall bist du zu Haus." Da wagte ich es, eine Wurzel