Nr. 19.

Die Gleichheit.

9. Jahrgang.

Zeitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 3033) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart

Mittwoch, den 13. September 1899.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Inhalts- Verzeichniß.

Aufruf an die Parteigenossinnen!- Häusliche Dienstboten in Großbritannien , Von Margaret E. Mac Donald- London . Aus der Bewegung. Feuilleton: Der selige Benjamin Franklin . Skizze von Mark Twain . Notizentheil von Lily Braun und Klara Zetkin : Frauenarbeit auf dem Arbeits­Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. bedingungen der Arbeiterinnen.- Kinderarbeit. Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

Parteigenoffinnen!

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Frauenbewegung.

Buschriften an die Nedaktion der Gleichheit" find zu richten an Fr. Klara Bettin( Eißner), Stuttgart , Rothebühl­Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furthbach- Straße 12.

rüstet Euch also zum Parteitage. Laßt Euch angelegen sein, darauf hinzuwirken, daß auch an den Berathungen der Sozialdemokratie in Hannover weibliche Delegirte theilnehmen.

Bekanntlich hat der Parteitag zu Frankfurt a. M. den Genossinnen das Recht eingeräumt, in öffentlichen Frauenversamm­lungen eigene Delegirte zu wählen. Wir empfehlen Euch, von diesem Rechte nur dort Gebrauch zu machen, wo Ihr in Folge der reaktionären Fassung und Handhabung der Vereins- und Versamm­Dienstbotenfrage.- lungsgesetze den allgemeinen Parteiversammlungen fernbleiben müßt, oder dort, wo besondere lokale Umstände ein Zusammengehen mit den Genossen bei den Delegirtenwahlen absolut unmöglich machen. Wir sind überzeugt, daß die Genossen nicht aus fleinlichen Erwä­gungen die Genossinnen betreffs der Wahl einer Delegirten auf die besonderen Frauenversammlungen verweisen. Wo keine zwin­genden Gründe für solche Versammlungen vorliegen, ist es jeden­falls vorzuziehen, die Wahl von Genossinnen als gleichberech= tigter Kämpferinnen unter Kämpfern- in den allgemeinen Parteiversammlungen in Vorschlag zu bringen. Besondere Frauen­versammlungen zum Zwecke der Stellungnahme zu dem Parteitag sollten nur nach vorausgegangener Verständigung mit den Genossen einberufen werden. Wenn wir die Wahl der weiblichen Delegirten durch Genoffinnen und Genossen zusammen auch nachdrücklich be­fürworten, so empfehlen wir doch den Genossinnen dort, wo die gemeinsame Wahl undurchführbar ist, für die Entsendung einer Delegirten durch eine Frauenversammlung einzutreten.

Am 9. Oftober tritt in Hannover der Parteitag der Sozialdemokratie zusammen, der einzigen Partei in Deutschland , welche die Frauen als gleichberechtigte Mitkämpferinnen aufnimmt und an ihren Berathungen und Beschlüssen theilnehmen läßt.

Genossinnen, nüßt die Euch zustehenden Rechte aus und er­füllt gewissenhaft die Euch aus diesen Rechten erwachsenden Pflichten! Fragen, welche von grundlegender Bedeutung für den Charakter und die Thätigkeit der Sozialdemokratie sind, stehen auf dem diesjährigen Parteitage zur Erörterung. Besonders schwer und verantwortungsreich ist deshalb die Aufgabe, die er lösen muß.

Die Aufgaben der gesammten Sozialdemokratie sind auch Gure Aufgaben, Genoffinnen. Die prinzipielle und taktische Hals tung der Partei trägt dazu bei, je nach dem Mehr oder weniger ihrer revolutionären Kraft, die Stunde Eurer Befreiung zu be= schleunigen oder zu verzögern. Sorgt deshalb dafür, daß auch Ihr auf dem diesjährigen Parteitag vertreten seid, sorgt dafür, daß Ihr durch delegirte Genossinnen an den Berathungen und Entscheidungen der Partei theilnehmt, wie Ihr am schweren, mühsal­reichen Kampfe der Partei energisch und opferstart in Reih' und Glied steht.

Der Bericht der Parteileitung giebt Gelegenheit, mit der Frage der allgemeinen Agitation auch die Frage der Agitation unter der proletarischen Frauenwelt zu erörtern. Förderlich wird es sein, wenn die Genossinnen ihre Anregungen und Rath­schläge zu dem Gegenstand dem Parteitag vorlegen und begründen. Denn wie die proletarische Frau für ihre Befreiung auf die Sozialdemokratie angewiesen ist, so bedarf umgekehrt die Sozial­demokratie der Proletarierin als zielflarer und geschulter Mit­streiterin im Klassenkampfe.

Wie gelegentlich früherer sozialdemokratischer Kongresse er­scheint es rathsam, daß auch in Anschluß an den Parteitag zu Hannover Genoffinnen und Genossen ihre Ansichten austauschen bezüglich der Agitation unter den proletarischen Frauen. Je rückständiger die Masse der Frauen noch ist, je geringere Bewegungsfreiheit ihnen Klassensklaverei und Geschlechtssklaverei lassen, kurz, je größer die' Schwierigkeiten sind, welche sich ihrer Einbeziehung in das Heer der Befreiungskämpfer entgegenstellen, um so nothwendiger ist es, daß man einheitlich und planvoll an das Werk der Aufklärung und Organisation des weiblichen Proletariats geht. An vielen Orten läßt diese Arbeit noch sehr zu wünschen übrig; in einzelnen ist an die Stelle früherer Energie eine gewisse Flauheit getreten. Ein Meinungsaustausch erscheint deshalb dringend geboten, und zwar ein Meinungsaustausch, an dem womöglich Genossinnen aus den verschiedensten Theilen Deutschlands theilnehmen. Genossinnen,

Genossinnen, ans Werk! Sorgt für rege Betheiligung der geschulten Proletarierinnen an den Versammlungen, die Stellung zu den hochbedeutsamen Fragen nehmen, welche den Parteitag beschäftigen. Sorgt dafür, daß in den Versammlungen die Inter­essen des weiblichen Proletariats die ihnen zukommende Beach­tung finden, daß Eure Wünsche gehört, Eure Anregungen geprüft werden. Sorgt dafür, daß die Anwesenheit weiblicher Delegirten auf dem Parteitag und ihre ernste, verständnißvolle Mitarbeit Zeugniß davon ablegen, daß Ihr nicht als großmüthig geduldete, sondern als mit Recht geschäßte Mitkämpferinnen in Reih' und Glied der Sozialdemokratie steht, daß Ihr gleichberechtigte und gleichwerthige Parteigänger seid. Seid eingedent Eurer Aufgabe: Selbstthätig mit Hand anzulegen an dem Werke Eurer Befreiung, nicht durch den Kampf von Geschlecht zu Geschlecht, sondern durch den Kampf von Klasse zu Klasse. Der Geldsacksgewalt zum Troz! Der Macht des Kapitalistenstaats zum Troß! Dem Vor­urtheil zum Trotz!

Fran M. Wengels, Berlin , Vertrauensperson. Die Redaktion der Gleichheit", Stuttgart .

Die Arbeiterpresse wird um Abdruck gebeten.

Häusliche Dienstboken in Großbritannien .

Von Margaret E. Mar Donald- London .

Die junge Bewegung der Berliner Dienstboten, welche Organi­sation und planmäßiges, gemeinsames Vorgehen zum Zwecke einer Besserstellung des sogenannten Gesindes erstrebt, hat die allgemeine Aufmerksamkeit mehr als bisher auf die so dringend verbesserungs­bedürftige Lage der Dienenden gelenkt. So groß die Zahl der Mäd­chen und Frauen ist, welche im häuslichen Dienst beschäftigt sind, so