schwierig ist es, ganz zuverlässiges Material über die einschlägigen Arbeits- und Eristenzbedingungen zu erlangen, so groß und mannigfaltig sind die Schwierigkeiten, welche sich deren Reform entgegenstellen. Jeder Versuch ist folglich zu begrüßen, durch gewissenhafte Forschung helles Licht über die Verhältnisse der Dienstboten zu verbreiten; die Klarstellung ist ein erster Schritt in der Richtung der Besserung.
Ein offizieller Bericht über die Löhne der häuslichen Dienstboten in Großbritannien wird deshalb gerade gegenwärtig für die Leserinnen der ,, Gleichheit" von Interesse sein. Der Bericht wurde kürzlich vom ,, Labour Departement"( Arbeitsamt) des Handelsministeriums herausgegeben und ist von einer Frau verfaßt, von Miß Clara Collet , welche seit 1893 als„ Labour Correspondent" im Auftrag des Ministeriums die Bedingungen der Frauenarbeit in Großbritannien untersucht und bereits mehrere sehr interessante Berichte über verschiedene Stadien und Seiten derselben, über Zahl, Alter und Löhne der Arbeiterinnen 2c. veröffentlicht hat.
Die letzte Volkszählung in Großbritannien , welche im Jahre 1891 erfolgte, wies nach, daß im häuslichen Dienst mehr weibliche Arbeitskräfte beschäftigt sind, als in irgend einem anderen Erwerbszweige. Man zählte damals 1748 954 weibliche Dienstboten; von je 100 weiblichen Personen im Alter von über 10 Jahren standen 11,69 in häuslichen Diensten. Miß Collet war es nur möglich, über die Lohnverhältnisse eines winzigen Bruchtheils dieser 13 Millionen Mädchen und Frauen Auskunft zu erlangen. Eine gründliche Erhebung über die Arbeitsbedingungen im Hausgesindedienst ist schwieriger und aussichtsloser als in jedem anderen Erwerbszweig, denn sie muß für jeden einzelnen Haushalt besonders vorgenommen werden, und die Hausfrauen fühlen eine große Abneigung dagegen, eingehende und genaue Auskunft über ihre häuslichen Angelegenheiten zu geben. Nach vielen angestellten Versuchen fand Miß Collet heraus, daß der beste Weg, die gewünschten Resultate zu erhalten, nicht darin bestand, auswahllos allen Haushaltungen Fragebogen zuzusenden, diese vielmehr nur an persönliche Freunde und Bekannte auszutheilen, sowie an die Einzelmitglieder zweier angesehener Körperschaften: der„ Royal Statistical Society"( Röniglichen Gesellschaft für Statistik) und der , British Economic Association "( Britischer Verein für ökonomische Studien). Die Mitglieder der genannten Gesellschaften übergaben die Fragebogen nur Leuten, mit denen sie persönlich bekannt waren. Auf diese Weise erlangte Miß Collet ziemlich zuverlässige Angaben. über 2067 Haushaltungen, welche zusammen 5453 weibliche und 326 männliche Dienstboten beschäftigten. Die betreffenden Haushaltungen vertheilten sich auf die meisten großen Städte und die Landbezirke von England, Schottland und Irland.
Der verschickte Fragebogen forderte Auskunft über die folgenden Punkte: Wohnort; Zahl der in der Familie gehaltenen häuslichen Dienstboten; Zahl der gewöhnlich im Hause sich aufhaltenden Personen, die Dienstboten abgerechnet. Des Weiteren enthielt er eine Tabelle mit nachstehenden Rubriken, die für jeden einzelnen Dienstboten ausgefüllt werden mußten: 1) Beschäftigung; 2) Alter; 3) Jahreslohn beim Antritt des betreffenden Dienstes, sonstige Zuwendungen an Geld abgerechnet; 4) Gegenwärtige Zusatzleistungen in Geld für Bier, Wäsche 2c.; 5) Gegenwärtige Lohnhöhe pro Jahr, die unter Rubrik 4 fallenden Zahlungen abgerechnet; 6) Länge der Dienstzeit in dem betreffenden Haushalt.
Die Ergebnisse der 2067 ausgefüllten Fragebogen geben Aufschluß über den Verdienst 2c. von 5338 weiblichen und 230 männ lichen Dienstboten und dürfen als ziemlich typisch für die Lohnverhältnisse der häuslichen Dienstboten in allen Klassen großbritannischer Haushaltungen gelten, die ärmsten ausgenommen. Miß Collet suchte sie deshalb noch durch Material über die Löhne des Hausgesindes bei den unteren Schichten der Bevölkerung zu ergänzen, wo die Lage der Dienenden am ungünstigsten ist. Zu diesem Zwecke setzte sie sich mit der„ Metropolitan Association for Befriending Young Servant Girls" ( Hauptstädtischer Verein zur Fürsorge für junge Dienstmädchen) in Verbindung, einer Organisation, die ihre Hilfe hauptsächlich der schlechtest gestellten Klasse der weiblichen Dienstboten zuwendet und Dienstnachweise in 31 Londoner Bezirken hat. Drei Monate hindurch wurden hier die bei Abschließung eines Dienstvertrags festgesetzten Löhne verzeichnet. Außer diesem Material zog Miß Collet noch die Statistik zu Rathe, die Mr. Charles Booth auf Grund der Ergebnisse der letzten Volkszählung zusammengestellt hat. Die allgemeinen Daten, welche aus den verschiedenen angegebenen Quellen stammen, stimmen so gut miteinander überein, daß Miß Collet sich zu der Annahme berechtigt fühlt, daß sie der Wahrheit sehr nahe kommen, wenngleich sie sich nur auf einen so Kleinen Bruchtheil der in Frage kommenden Arbeitskräfte beziehen und keinen Anspruch darauf erheben können, ein vollständiges Bild von der Lage der häuslichen Dienstboten zu geben.
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Die 5338 Dienstmädchen, über deren Löhne der verschickte Fragebogen Auskunft giebt, vertheilten sich wie folgt:
512 waren in Haushaltungen mit 1 Dienstboten,
1342
1158
=
=
=
M
796
522
335
673
V
=
=
V
=
=
=
=
=
=
=
= 2
=
3
4
5
6
mehr als 6 Dienstboten.
=
=
=
Der Lohn für weibliche häusliche Dienstboten beträgt in London 6 Pfund Sterling*( 120 Mt.) für junge Mädchen unter 15 Jahren; bis 26 Pfund Sterling 16 Schilling( ca. 540 Mt.) für Dienende im Alter von 45 Jahren und mehr. Als Durchschnittslohn darf 17 Pfund Sterling 16 Schilling( ca. 360 Mt.) pro Jahr gelten. Außerhalb von London stellt sich der Durchschnittslohn der Dienstmädchen in England auf 15 Pfund Sterling 10 Schilling( ca. 310 Mt.); in Schott land steigt er auf 16 Pfund Sterling 10 Schilling( ca. 330 Mt.); in Irland beträgt er nur gegen 12 Pfund Sterling( 240 Mt.). In Schottland werden die weiblichen Dienstboten zum Theil deswegen im Durchschnitt etwas höher entlohnt als in England, weil sie in ersterem Lande gewöhnlich die Wäsche waschen müssen, während diese in England zum Waschen außerhalb des Hauses geschickt wird. Es scheint, daß die Dienstboten in Irland alles in Allem älter sind, wie in den beiden anderen Theilen Großbritanniens , und daß sie hier in Stellungen bleiben, wo sie sich wohl fühlen, ohne sich um höheren Lohn zu fümmern. Weiter giebt es in Irland eine geringere Anzahl großer Haushaltungen, und eines der klarsten Resultate der Erhebung ist, daß in Haushaltungen mit mehreren Dienstboten der Lohn höher ist als in kleinen Haushaltungen. In London z. B. betrugen die jährlichen Durchschnittslöhne in
Haushaltungen mit
=
V
=
1 Dienstboten 14,9 Pfd. St.( 290 Mt.)
=
=
2
3
4
=
mit mehr als 4
M
16,6 18,8 M= 20,7 M 23,9
V
=
=
( 330=)
( 370
=)
( 410
=
( 470
=
)
=
=
)
So zeigt sich auch hier die paradoxale Erscheinung, die leider für sehr viele andere Verhältnisse gilt, daß diejenigen, die am wenigsten schwer zu arbeiten haben, den höchsten Verdienst erzielen( womit feineswegs gesagt sein soll, daß die bestgelohnten Dienstmädchen zu hohe Löhne erhalten und auf Rosen gebettet sind), während diejenigen, die den ganzen Tag über hart schanzen müssen, denen keine Zeit für Erholung, Bildung, Genuß der persönlichen Freiheit bleibt, sich mit wahren Hungerlöhnen begnügen müssen.
Die weiblichen Dienstboten, welche die niedrigsten Durchschnittslöhne erhalten, sind die Spül-, Küchen- und Kindermädchen, sie bekommen jährlich von 12-16 Pfund Sterling( 240-320 Mt.). Jedoch sind das meist jüngere Mädchen, die in großen Haushaltungen beschäftigt werden und bald zu besserem Verdienst aufsteigen. Der Lohnhöhe nach folgen auf sie die„ Mädchen für Alles", auf deren Schultern die Last des ganzen Haushalts ruht, die Arbeiten etwa ausgenommen, die zu thun der Hausfrau beliebt oder auch nicht beliebt. Ihr Lohn beträgt nur 14 oder 15 Pfund Sterling( 280 bis 300 Mt.), und sie haben nur sehr geringe Aussicht, ihn zu steigern oder in eine angenehmere Stellung zu kommen. In London hatten nach den Ergebnissen der Fragebogen von 268, Mädchen für Alles" nur 17 einen Jahreslohn von 20 Pfund Sterling( 400 Mt.), und die Arbeitsbedingungen dieser 17 unterschieden sich offenbar sehr wesentlich von denen der„ Mädchen für Alles" im Allgemeinen; sie mußten sämmtlich kluge, gewandte Hausbesorgerinnen sein, denn sie hatten ihre Plätze lange Jahre in ganz kleinen Haushaltungen inne.
Die durchschnittlichen Löhne der kleinen Zahl männlicher Dienstboten, auf die sich die Erhebung erstreckte, zeigen einen ungeheuer großen Abstand nach oben zu von den geringen Summen, mit denen die weiblichen Dienenden entlohnt werden. Die Diener, welche gewöhnlich junge und verhältnißmäßig unerfahrene Leute sind, erhalten einen Durchschnittslohn von 26 Pfund Sterling 14 Schilling( ca. 540 Mk.); der Lohn der Kellermeister( buttler, Diener, welche den Weinkeller besorgen, auch die Gläser und das Silberzeug unter sich haben, in kleineren Haushaltungen einen Theil der Obliegenheiten des nicht vorhandenen Dieners übernehmen müssen) stellt sich auf 58 Pfund Sterling 16 Schilling ( ca. 1180 M.); Köche werden mit 128 Pfund Sterling( 2560 Mt.) bezahlt. Zu diesen Summen muß man noch recht ansehnliche Beträge an Trinkgeldern hinzufügen, welche die Bediensteten in großen Haushaltungen weit mehr erhalten, als die in weniger bemittelten Fami
* Wir geben im Folgenden abgerundete Zahlen.