durch die Noth in der Familie und die Rücksicht auf ihre Pflichten daselbst gezwungen, dem Erwerb in möglichster Nähe der Wohnung nachzugehen. So wird sie zu Berufsarbeiten gedrängt, die dem weibliche» Organismus durchaus unzuträglich sind und mit der Lebenskraft der Frau die des kommenden Geschlechts untergraben. Das alles ack majorem Zloriam ckei: zum größeren Nutzen und Profit des ausbeutenden Kapitals. Denn gerade mit Rücksicht auf ihre Zwangslage läßt sich die verheirathete Frau mit wahren Hungerlöhnen abspeisen, die nur einen Zuschuß zu dem Einkommen des Mannes bilden und ihre senkende Rückwirkung auf den Verdienst des Mannes nicht verfehlen. Daß im Allgemeinen die verheirathete Frau zur industriellen Berufsarbeit gezwungen wird, weil der Erwerb des Mannes allein für den Unterhalt der Familie nicht ausreicht, das anerkennt auch der altenburgische Gewerbebeamte. Er sagt:„Die Gründe, die die verheiratheten Frauen zu der Arbeit in den Fabriken bestimmen, liegen in den meisten Fällen recht einfach. Im großen Ganzen ist es die wirthschaftliche Nothwendigkeit, welche die Frauen in die Fabriken führt: entweder ist die Frau der einzige Ernährer der Familie, oder es langt der Verdienst des Mannes nicht aus, den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten, sei es, daß den Man» selbst oder die Verhältnisse die Schuld daran trifft. Ich will aber betonen, daß das letztere natürlich allein von ausschlaggebender Bedeutung für die hier zu behandelnde Frage ist. Und da muß allerdings festgestellt werden, daß nicht nur in einzelnen Arbeitsverhältnissen die Löhne, sondern auch in ganzen Gewerben die Durchschnittslöhne noch vielfach so niedrig sind, daß eine Familie auch nur von drei bis vier Köpfen von dem Verdienst des Mannes allein nicht zu leben vermag, zumal die Kosten für die Unterhaltung einer Familie, die Preise für Miethe, Lebensmittel:c., besonders in dem Ostkreis unseres Herzogthums, durchaus nicht als gering bezeichnet werden können. Da müssen dann die Familienmitglieder und von diesen natürlich in erster Linie die Frauen mitverdienen helfen, und weil eine andere gleich lohnende Beschäftigung in ausreichendem Umfang nicht zu erhalten ist, bleibt ihnen nichts Anderes übrig, als Arbeit in den Fabriken anzunehmen." Zur Frage des Verbots der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen äußert sich der Aufsichtsbeamte wie folgt: „Wünschenswerth wäre es auf alle Fälle, verheirathete Frauen, soweit sie ein Hauswesen zu besorgen haben, von jeder Arbeit in den Fabriken auszuschließen, allein schon im Interesse eines geregelten Familienlebens, ihres Haushalts und der Kindererziehung. Das ist aber einmal nicht möglich, da ei» solches Verbot die Existenz einer Der selige Benjamin Franklin . Skizze vvn Mark Twain. j„Verschiebe nie auf morgen, was du ebenso gut übermorgen thun kannst." B. F.j Benjamin Franklin gehörte zu jenen Leuten, die man Philosophen nennt. Er war ein Zwillingspaar, da er gleichzeitig in zwei verschiedenen Häusern der Stadt Boston geboren wurde. Diese Häuser stehen noch heutzutage und tragen Tafeln, auf denen diese Thatsache in Worten ausgedrückt ist. Diese Gedenktafeln sind ja ganz schön am Platze, aber durchaus nicht nothwendig, denn die Einwohner zeigen dem Fremden die beiden Geburtshäuser so wie so schon und manchmal sogar mehrere Male an einem Tage. Der Held dieser Inschriften war von bösartigem Charakter und mißbrauchte schon frühzeitig seine Talente zum Verfassen von Sprüchen und Sentenzen, die darauf berechnet waren, der heranwachsenden Jugend aller folgenden Zeiten Leid zuzufügen. Seine einfachsten Handlungen waren nur darauf berechnet, für alle Zeiten den Knaben als Muster vorgestellt zu werden— den Knaben, welche sonst vielleicht glücklich gewesen wären. In dieser Absicht wurde er der Sohn eines Seifensieders, wahrscheinlich nur, damit die Bemühungen aller zukünftigen Knaben, welche versuchen, etwas zu werden, mit Mißtrauen angesehen werden möchten, wenn sie nicht die Söhne von Seifensiedern wären. Mit einer Bosheit, die in der Geschichte ohnegleichen ist, pflegte er den ganzen Tag zu arbeiten, dann die Nächte aufzubleiben und zu thun, als studire er Algebra beim Lichte eines glimmenden Feuers, damit alle anderen Knaben es ebenfalls so machen müßten, wenn sie sich nicht Benjamin Franklin vorhalten lassen wollten. Nicht zufrieden mit diesem Verfahren, hatte er die Gewohnheit, gänzlich von Wasser und Brot zu leben und beim Essen Astro- großen Zahl von Arbeiterfamilien direkt in Frage stellen würde. Dann aber wäre ein solches allgemeines Verbot um deswillen auch nicht zu rechtfertigen, weil die Arbeit in den Fabriken keineswegs eine schwerere, in Beziehung auf die Gesundheit der Frauen oder die Sittlichkeit bedenklichere ist, als z. B. in dem Kleingewerbe oder gar in der Landwirthschaft(vor Allem aber in der Hausindustrie. Red. der„Gl."); im Gegentheil, in einer großen Reihe von Industrien ist die Beschäftigung eine leichte, verhältnißmäßig angenehme und nur für Fraueuhände geeignete(Handschuh- und Hutfabriken, Stickereien, Posamentenfabriken und andere mehr). „Für einzelne Fabrikationen wäre ein Verbot der Beschäftigung verheiratheter Frauen dagegen wohl angebracht, so für die Braunkohlengruben(Naßpreßsteinfabriken, Verladen von Naßsteinen und Briquetts) und Ziegeleien. Die Arbeit ist hier für weibliche Arbeiter eine schwere und geeignet, verheirathete Frauen unter Umständen in ihrer Gesundheit zu gefährden, wovon die Unfallanzeigen aus dem vorigen Jahre in drei Fällen den Beweis liefern, in denen schwangere Frauen beim Transport, bezw. bei der Verladung einen Unterleibsschaden erlitten und abortirten. Außerdem ist die Art der Beschäftigung in sittlicher Beziehung nicht immer einwandsfrei: in den Trockenschuppen arbeiten vielfach Männer und Frauen zusammen, wobei die Letzteren zumeist zwei Meter und höher über dem Erdboden auf den Stellagen herumklettern. Aber auch hier stehen die wirthschaftliche» Interessen der Arbeiter einem direkten Verbot der Beschäftigung von verheiratheten Frauen zur Zeit noch entgegen, da gerade die hier beredeten Betriebe den Arbeiterfrauen auf dem Lande vielfach die einzige Arbeitsgelegenheit und Erwerbsquelle bieten. Andererseits halte ich es für wohl durchführbar, mit der Zeit diese Beschäftigung ganz zu beseitigen, sie also nur noch auf einen bestimmten Zeitraum, vielleicht noch auf die Dauer von fünf oder zehn Jahren, nachzulassen. „Auch noch eine weitere Art der Beschäftigung verheiratheter Frauen erscheint mir bedenklich: das Poliren von Hölzern in der Industrie der Holz- und Schnitzstoffe, z. B. in den Uhrgehäuse- und Bürstenfabriken. Die Arbeit wird hier erst seit wenigen Jahren in größerem Umfang von Frauen verrichtet, die damit auf einem wenig geeigneten Gebiet der Männerarbeit Konkurrenz machen, denn wenn auch bis jetzt trübe Erfahrungen noch nicht vorliegen, nennenswerthe Nachtheile für die Frauen sich aus dieser Beschäftigungsweise noch nicht ergeben haben, so kann mau doch ohne Weiteres behaupten, daß die Arbeit eine schwere und, da sie fast immer in abgeschlossenen, überhitzten und mit Dämpfen von denaturirtem Spiritus erfüllten nomie zu studiren— ein Umstand, der seit jener Zeit Millionen von Knaben Leid zugefügt hat, deren Väter Franklins gemeingefährliche Biographie gelesen hatten. Seine Lebensgrundsätze waren voll Feindseligkeit gegen Knaben. Heutzutage kann kein Knabe einem einzigen natürlichen Antrieb folgen, ohne über einige jener ewigen Sprüche zu stolpern und sofort von Franklin zu hören. Wenn er sich für zwei Cent Anisplätzchen kauft, sagt sein Vater:„Mein Sohn, denke daran, was Franklin gesagt hat: ,Ein Heller den Tag macht einen Groschen das Jahr", und mit der Freude an den Anisplätzchen ist es vorbei. Wenn er gern kreiseln möchte, nachdem er seine Schularbeiten gemacht hat, zitirt sein Vater:„Aufschieben heißt dem lieben Herrgott die Zeit stehlen." Wenn er eine tugendhafte Handlung verrichtet, bekommt er nichts dafür, denn„Tugend trägt ihren Lohn in sich selbst". Und der arme Junge wird zu Tode gehetzt und seiner naturgemäßen Ruhe beraubt, weil Franklin einstmals in einem seiner begeisterten Anflüge der Bosheit ausgerufen hat: „Zeilig ins Bett und zeitig heraus, Bringt Geld, Gesundheit und Weisheit ins HauS." Als ob ein Knabe sich nur das Geringste daraus machte, unter solchen Bedingungen gesund, reich und weise zu werden. Den Kummer, den diese Lebensregel mir veruisacht hat, weil meine Eltern sie an mir erprobten, kann ich gar nicht beschreiben. Der naturgemäße Erfolg ist mein jetziger Zustand allgemeiner Hinfälligkeit, Dürftigkeit und geistiger Verirrung. Meine Eltern ließen mich als Kind zuweilen schon vor neun Uhr Morgens aufstehen. Wenn sie mich hätten schlafen lassen, wie es meine Natur verlangte, wer weiß, wo ich da jetzt sein würde! Ohne Zweifel hätte ich einen Kramladen und wäre von Allen geachtet. Und was für ein durchtriebener, alter Kunde der Gegenstand dieser Denkinschriften war! Um eine Gelegenheit zu haben, seinen
Ausgabe
9 (13.9.1899) 19
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