Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.
Das Arbeiterinnenelend in der Textilindustrie wird durch die folgenden Angaben in seiner ganzen Größe enthüllt. In Großenhain verdienen die Andreherinnen in Spinnereien pro Stunde 10-14 Pfg., die Kremplerinnen 10-13 Pfg., Maschinenspulerinnen und Zwirnerinnen 11-13 Pig. Die Handspulerinnen werden pro Stunde mit 10 Pfg. entlohnt; dazu kommt noch 50 Pfg. Prämie pro Woche. Die Ausnäherinnen kommen auf einen Wochenlohn von 8-9 Mt. Für Ueberarbeit erhalten sie ebenfalls eine kleine Prämie. Der Lohn der Tuchweberinnen beträgt pro Strähn 312-4 Pfg., für Cruse und Satin pro Strähn 4/ 2-7 Pfg. Der Wochenverdienst der Arbeiterinnen stellt sich auf 6-7 Mt., bei schlechterem Material jedoch nur auf 3 6 Mt.- Einer Lohnsklaverei in des Wortes vollster Bedeutung sind die Italienerinnen unterworfen, welche in der Jutespinnerei und Weberei zu Sonthofen beschäftigt werden. Diese bedauernswerthen Opfer der Ausbeutung sind durch einen Vertrag von 1 und 2 Jahren gebunden und zwar haben sie diesen Vertrag nicht in Händen. Manche der Mädchen haben nur einen Wochenverdienst von 3 Mt. Die Verhältnisse in dem Sonthofener Betrieb zeichnen mit herzerfrischender Deutlichkeit die waschechte vaterländische Gesinnungstüchtigkeit des Unternehmerthums, sowie seine maßlose Profitgier. Der deutsche Kapitalist, der nicht zur„ Rotte der vaterlandslosen Gesellen" gehört, sondern in den Reihen der gesinnungstüchtigen Schützer von Kaiser und Reich steht, ruft„ Welsche" in das„ geliebte deutsche Vaterland". Er spielt sie als Schmutzkonkurrentinnen gegen die deut schen Schwestern" aus, macht sie zu Hörigen, steigert ihre Ausbeutung auf das Höchste und übt dadurch einen Druck auf die Arbeitsbedingungen der einheimischen Arbeitskräfte. Es wird selbst einem kräftig ausgewachsenen Narren nicht einfallen, zu behaupten, daß eine alleinstehende Arbeiterin mit Schund- und Hungerlöhnen von 3 Mt. die Woche zu existiren vermag. Sogar bei einem Höchstverdienst von 9 Mt. die Woche, von dem die obigen Angaben berichten, ist eine menschenwürdige Existenz unmöglich. Eine Lebenshaltung auf Grund von 9 Mf. die Woche ist nichts anderes, wie ein langsames Verhungern. Arbeiterinnen, denen die kapitalistische Profitgier derartige Spottlöhne zahlt, haben nur die Wahl zwischen der " Freiheit", sich vorzeitig unter den bittersten Entbehrungen zu Tode zu rackern, oder ihrem„ Recht", dieses Loos durch Selbstmord zu vermeiden; es sei denn, daß sie nicht vor jenem Ausweg zurückschrecken, den ihnen die kapitalistische Gesellschaft, ihrem ureigensten Wesen entsprechend, offen hält: Den Schacher mit ihrem Körper, die Prostitution.
Kinderarbeit.
Einen Kinderschutzantrag haben die sozialdemokratischen Stadtverordneten von Berlin eingebracht. Noch vor Beginn des Winters soll eine Polizeiverordnung erlassen werden, welche gewisse gewerbliche Beschäftigungen von Schulkindern verbietet. Der Antrag wurde von Singer vortrefflich begründet und einem Ausschuß überwiesen. Wir werden uns nächstdem eingehend mit der aufgerollten Frage beschäftigen.
Frauenbewegung.
Ein weiblicher Professor der Nationalökonomie wurde an die Universität von Wiskonsin berufen. Es ist Mrs. Helen Campbell, die sich durch statistische Erhebungen über die Lage der amerikanischen Arbeiterinnen einen Namen gemacht hat.
Frauen in amerikanischen Schulbehörden. Die Zahl der weiblichen Mitglieder von Schulbehörden in Amerika hat sich in letzter Zeit wieder vermehrt. Zum Oberschulrath in Colorado wurde Mrs. A. J. Peavey ernannt. In den Schulrath von Ann Arbor , dem Sitze der Staatsuniversität von Michigan , wurde Miß Bavers gewählt. Miß Katherine Adams wurde in den Aufsichtsrath des Rockford College in Illinois gewählt.
Weibliche Beamte im russischen Ministerium für Ackerbau und Landwirthschaft sollen laut einer Verfügung des betreffenden Ministers angestellt werden. Vorgesehen ist die Verwendung der Damen im Bureaudienst des Ministeriums und seiner Unterabtheilungen, sowie bei den Inspektionsreisen in den einzelnen Gouvernements. Auf diesen Reisen werden die landwirthschaftlichen Volks, Mittel- und Hochschulen inspizirt, ferner amtliche Besichtigungen 2c. vorgenommen.
Sitzgelegenheit für die Verkäuferinnen fordert Hubertine Auclerc, eine der ersten und eifrigsten französischen Frauenrecht
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lerinnen, in einer Petition an die Kammer. Die Petition ist von mehreren Hundert französischer Frauen unterzeichnet worden. Sie lautet:„ Wir fordern die Herren Deputirten auf, die weiblichen Handlungsgehilfen vor den Krankheiten zu schützen, welche andauerndes Stehen für Frauen nach sich zieht, indem sie die Direktoren der großen Geschäfte veranlassen, ihren Verkäuferinnen Sessel zu erstellen und ihnen das Niedersehen zu gestatten, wenn sie nicht mit Kunden beschäftigt sind. Die Direktoren sind im Weigerungsfall verantwortlich zu machen für die Vernichtung der Gesundheit ihrer Angestellten. Wir hoffen, daß die Herren Deputirten im Interesse des nachwachsenden Geschlechts Tausende künftiger Mütter vor ebenso quälender als nußloser und gefährlicher Ueberanstrengung bewahren werden und sprechen im Voraus unseren Dank dafür aus."
Ein Mädchengymnasium in Lemberg soll mit Beginn des Schuljahrs von Fräulein Kammerling eröffnet werden. Die galizische Statthalterschaft hat die Konzession dazu bereits ertheilt. Fräulein Kammerling, die erste Gymnasiallehrerin in Desterreich, hat ihre Studien an der Wiener Universität absolvirt.
Frauen als Kandidatinnen für die Mitgliedschaft eines Universitätskuratoriums. In Illinois steht die Wahl des Kuratoriums der Staatsuniversität bevor. Die republikanische und die demokratische Partei haben je einen weiblichen Kandidaten dazu aufgestellt. Ihr Eifer, für die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts einzutreteu, wird von den Temperenzlern und Sittlichkeitsvereinlern überboten, die zwei Kandidatinnen präsentiren.
Als Bureaubeamtinnen im französischen Handelsministerium möchte die Liga für Frauenrechte" die Frauen angestellt sehen und hat zu diesem Zwecke sich an den jetzigen Handelsminister, den Sozialisten Millerand , gewendet. Dieser hat versprochen, das Ersuchen in Erwägung zu ziehen. In Rußland , den skandinavischen Ländern und besonders in Amerika werden Frauen in verschiedenen Ministerien beschäftigt.
Eine Enquete über die Lage der Pelznäherinnen in Leipzig wollen die dortigen bürgerlichen Frauenvereine vornehmen. Zu ihrem Vorhaben wurden sie durch die ärztlicherseits konstatirte Thatsache veranlaßt, daß unter den Pelznäherinnen die Zahl der Schwindsüchtigen sehr groß ist. Wie dem„ Vorwärts" geschrieben wird, fehlt es den Damen an sachkundigen Kräften zur Führung der Enquete, auch haben sie keine Verbindung mit den aufgeklärten Leipziger Arbeiterinnen. Unter diesen Umständen ist von dem gewiß gut gemeinten Unternehmen nicht viel zu hoffen.
Frauen in der Armenpflege hat man in Hamburg seit einem Jahre beschäftigt. Dieser Versuch wird von der Armenverwaltung nunmehr als vollständig gelungen erklärt. Allerdings galt es zunächst nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten zu überwinden. In weiten Kreisen der Armenpflege stand man dieser Neuerung anfangs sehr abgeneigt gegenüber. In Folge dessen sind die Frauen bisher noch nicht in der Organisation der Armenpflege offiziell eingefügt worden. Sie sind den Bezirksvorstehern zugetheilt, und werden von diesen nach Gutdünken mit der Erledigung einzelner Aufträge befaßt. Zu den Versammlungen der Armenpfleger werden sie allgemein nicht zugelassen, vielmehr werden sie zu diesen Versammlungen nur zugezogen, wenn es sich um einen ihnen überwiesenen Pflegefall handelt. Doch ist dies offenbar nur eine vorläufige Regelung der weiblichen Armenpflege. Man wird jetzt vermuthlich schon bald dazu schreiten können, die Stellung der weiblichen Armenpflege offiziell zu regeln. Denn, wie es vorauszusehen war, hat sich die Thätigkeit der Frauen auf diesem Gebiet, namentlich soweit die Kinder- und Frauenpflege in Betracht kommt, sehr gut bewährt. So stellt der offizielle Bericht des Armenkollegiums fest, daß die Mitarbeit der Frauen jetzt in immer weiteren Kreisen der ehrenamtlichen Organe Anerkennung findet, und es steht zu hoffen, daß von der Frauenhilfe mit der Zeit ein immer umfassenderer Gebrauch gemacht werden wird. Die Zahl der in der öffentlichen Armenpflege Ende 1898 thätigen Frauen betrug 317, die Zahl der männlichen Armenpfleger 1569. Bekanntlich ist auch in Königsberg die Verwendung von Frauen als Armen pflegerinnen von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Hoffentlich zeigen sich hier dieselben erfreulichen Resultate wie in Hamburg .
Vom guten alten Zopf und vom Konkurrenzneid erzählt die Thatsache, daß der Kongreß der deutschen Zahnärzte, der fürzlich in Frankfurt a. M. tagte, die dort praktizirende und hochgeschätzte Zahnärztin Kromat als Theilnehmerin abwies. Zahnärz= tinnen können bekanntlich in Deutschland auf Grund des Gewerbegesetzes praktiziren.
Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart .