In Lübeck fand im November eine Volksversammlung statt, zu der Genossin Ziez- Hamburg das Referat übernommen hatte. Troy des starken Gewitters, das sich entlud, als sich die Arbeiter anschickten in die Versammlung zu gehen, war dieselbe gut besucht, und auch die Frauen waren in ihr stark vertreten. Es war eine Freude zu beobachten, mit welchem Verständniß eine Reihe von Genossinnen nach Schluß der Versammlung mit Genossin Zietz über die Verhältnisse in den einzelnen Betrieben sprachen und Auskunft ertheilten. Solche pflichttreu im Stillen wirkende Genofsinnen sind die Agitatorinnen, die oft ungekannt die erfolgreichste Arbeit für unsre Sache leisten. In Stockelsdorf und Schwartau sprach Genossin Zieh ebenfalls. Im erstgenannten Orte war die Versammlung leider nur schwach besucht, desto stärker war der Andrang zu der Versammlung in Schwartau. Schon vor der festgesetzten Zeit war das geräumige Lokal bis auf den letzten Platz gefüllt, so daß sehr viele umkehren mußten. Mindestens 100 Frauen waren in der Versammlung anwesend, darunter blutjunge Mädchen und ganz alte Mütterchen, die mit gespannter Aufmerksamkeit den Ausführungen folgten. Die Zustände, unter denen die lohnarbeitenden, ausgebeuteten Massen leben, revolutioniren die Köpfe bei Mann wie Frau, bei Alt wie Jung. L. Z.
Weibliche Fabrikinspektoren.
Eine Assistentin der Fabrikinspektion für Baden ist im ordentlichen Etat dieses Staates für 1900/1901 vorgesehen. Die Regierung äußert sich dazu wie folgt:„ Es soll dem Fabrikinspektorat eine wissenschaftlich gebildete Hilfsarbeiterin zur Mitwirkung bei der Gewerbeaufsicht in Betrieben mit vorwiegend weiblichen Arbeitern beigegeben werden. Ihre Verwendung wird zunächst eine vertragsmäßige sein, gegen eine jährliche Vergütung von 2000 Mt." Die von der badischen Regierung beschlossene Neuerung unterscheidet sich dadurch vortheilhaft von dem entsprechenden Vorgehen in anderen Staaten, daß das Amt der Assistentin offenbar als ständige Einrich tung und nicht als bloßer Versuch" gedacht ist, denn der Posten ist im ordentlichen Etat aufgenommen. Zu begrüßen ist auch, daß eine wissenschaftlich geschulte Hilfskraft angestellt werden soll.
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Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.
Die Zahl der auf den Bergwerken und Hütten Ober schlesiens beschäftigten Frauen ist in Folge der flotten Geschäftszeit ständig im Wachsen begriffen. Das ist ein Ergebniß der zahllosen Ausnahmebestimmungen, durch die es den Behörden ermöglicht wird, die gesetzliche Beschränkung der Frauenarbeit illusorisch zu machen. Am Ende des Monats Juni d. J. waren insgesammt 11 233 weibliche Arbeiter auf oberschlesischen Montanwerken thätig, gegen 10957 im Monat März. Davon entfielen auf die Steinkohlengruben 3814( II. Quartal 1898: 3695), Eisenerzgruben 1129( 1021); Bint- und Bleierzgruben 2446( 2294); Coatshochöfen 872( 730); Walzwerke 684( 606); Rohzintfabrifen 1644( 1703); Goatsöfen 520( 530); Schwefelsäure 69( 61), schwefliche Säure 12( 13). Also fast in allen Produktionszweigen ein bedeutendes Steigen der beschäftigten weiblichen Arbeiter. Im Verhältniß sind weit mehr Frauen neu eingestellt worden, wie Männer. Auf die oberschlesische Frauenarbeit kommen wir in einem anderen Zusammenhang noch ausführlich zu sprechen.
O. H.
Die Frauenarbeit in den Berliner Bekleidungs- Großindustrien. Ein kürzlich erschienener Band der Schriften des Vereins für Sozialpolitik" behandelt„ Die Hausindustrie der Frauen in Berlin". Das umfangreiche Werf enthält durchweg sehr beachtenswerthe, wenn auch nicht gleich werthvolle Abhandlungen über die hausindustrielle Thätigkeit der Berliner Frauen in folgenden Gewerben: Textilindustrie; Buzindustrie; Damenmaßschneiderei; Kürschnerei und Mützenmacherei; Kleiderkonfektion; Wäscheindustrie; Kostümund Weißwaarenindustrie; Fabrikation von Kravatten, Schirmen, Handschuhen, Hosenträgern und Korsetts; Ledergalanteriewaarenindustrie; Stickerei. In der Einleitung untersucht der sehr sachkundige Dr. Alfred Weber die Entwicklungsgrundlagen der großstädtischen Frauenhausindustrie", um mit Rücksicht auf die soziale Gesetzgebung zu einem Schluß darüber zu gelangen, ob die rückständigen Betriebsformen der Hausindustrie und Heimarbeit im Verhältniß zur Fabritarbeit noch heute sich ausdehnen, oder ob sie im Rückgang begriffen sind. Was die einschlägigen Verhältnisse in
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der Berliner Bekleidungs- Großindustrie anbetrifft, so gelangt Dr. Weber zu den folgenden Ergebnissen. Es waren hier beschäftigt: Fabritarbeiterinnen Werkstattarbeiterinnen Heimarbeiterinnen 1875.. 3674-12,8 Proz. 14904-50,6 Proz. 10889-36,6 Proz. 1895.. 13266= 18,8= 41816-59,5 13388-19,0= Für 1895 fommen dazu noch 1714 3 wischenmeisterinnen, das sind 2,5 Prozent der von der Statistik erfaßten 70 000 Arbeiterinnen.
=
Nach der gegebenen Uebersicht hat eine Abnahme der Heimarbeit und eine Zunahme der Fabrikarbeit, vor allem aber der Werkstattarbeit stattgefunden. Seit wann diese Verschiebung datirt, ist nicht genau festzustellen. Dr. Weber ist der Ansicht, daß die Tendenz zur Zentralisation des Betriebs in den 80er Jahren einsetzte, und zwar in der Folge von Umständen, die zu einer größeren Wirthschaftlichkeit der Produktion drängten, wie der ruhigere Geschäftsgang, die Weiterbildung der Technik der Industrie innerhalb der gegebenen Grenze ihrer Ausdehnung, Erschwerung der Konkurrenz durch ausländische Zölle 2c. Das Vordrängen des intensiven vor den extensiven Betrieb ist jedoch keineswegs gleichbedeutend mit einem Zurückweichen der Hausindustrie. Was zurückgegangen ist, das ist lediglich die Heimarbeit in den eigenen Wohnungen der Arbeiterinnen, da gegen hat die Werkstattarbeit, vor allem bei Zwischenmeistern, beträchtlich zugenommen und besteht in größtem Umfang weiter. Dazu muß man noch eins beachten. In Wirklichkeit sind in der Heimarbeit mehr Arbeiterinnen beschäftigt, als nach der obigen Tabelle erscheint. Eine beträchtliche Zahl von weiblichen Arbeitskräften, die in der Heimarbeit beschäftigt werden, sind von der offiziellen Statistik gar nicht erfaßt worden. Ein richtiges Bild von dem Verhältniß der Betriebsformen zueinander bekommt man, wie Dr. Weber zutreffend erklärt, erst dann, wenn man den offiziell nachgewiesenen Heimarbeiterinnen die weiblichen Arbeitskräfte zuzählt, deren hausindustrielle Thätigkeit die privaten Ermittlungen der Verfasser der Abhandlungen des angeführten Bandes festgestellt haben. Danach wurden in Berlin beschäftigt:
In der Kleiderkonfektion
2
den Wäscheindustrien
der Kostümkonfektion
M
Weißwaarenindustrie.
= Kravattenfabrikation
den Puzindustrien
41.000 Arbeiterinnen 16500
4500
A
1500
A
9800
V
2000
6500
A
M
Zusammen 81800 Arbeiterinnen
Die oben angezogene Statistik zählte 70189 Arbeiterinnen. Es ergiebt sich also ein Mehr von 11616 nicht erfaßten Arbeiterinnen, welches der Zahl der offiziell nachgewiesenen Heimarbeiterinnen hinzugefügt werden muß. Das Verhältniß zwischen den drei Betriebsformen stellt sich dann wie folgt dar. Es waren beschäftigt in der Fabrikarbeit. 13266 Arbeiterinnen 16,2 Proz. Werkstattarbeit 43530 53,2 25 004 30,6 N
Heimarbeit..
#
M
=
Der Umfang der Heimarbeit ist nach diesen Berechnungen in der Berliner Bekleidungs- Großindustrie fast doppelt so groß als derjenige der Fabrikarbeit, und in der Hausindustrie( Werkstattarbeit und Heimarbeit zusammen) sind 83,8 Prozent aller Arbeiterinnen der in Betracht kommenden Großgewerbe beschäftigt. In Verbindung mit dem reichen Thatsachenmaterial, welches das Buch über die Arbeitsbedingungen der einschlägigen Arbeiterinnenkategorien enthält, erheben diese Zahlen laute, eindringliche Anklagen wider die Saumseligkeit und Schwäche, mit der die Gesetzgebung sich der Interessen der hausindustriellen Arbeiterinnen annimmt. Wie groß diese Saumseligkeit und Schwäche ist, das haben die Verhandlungen und Beschlüsse betreffs der Novelle zur Gewerbeordnung recht beweiskräftig gezeigt.
Dienstbotenfrage.
Mit der Dienstbotenfrage beschäftigte sich kürzlich der Frauenbildungsverein in Breslau . Die frauenrechtlerische Organisation erklärte sich anerkennenswerther Weise für folgende Reformen: Aufhebung der unzeitgemäßen Gesindeordnung von 1810 und Unterstellung der weiblichen Dienstboten unter das Gewerberecht, das dem häuslichen Wirthschaftsbetrieb entsprechende Zusäße zu erhalten hat. Abschaffung der Dienstbücher mit polizeilicher Bescheinigung, weil diese keinen praktischen Werth haben, die Dienstboten in ihrem Fortkommen beeinträchtigen und ihnen zu ihrem Nachtheil anderen Arbeitern gegenüber eine Ausnahmestellung geben. Gewährung gesunder Schlafräume, für welche von der Baupolizei ein Minimum an Licht,