Luft, Ventilation und Temperatur festgesetzt ist. Freigabe des Sonntagnachmittags oder als Ausgleich einen Wochennachmittag. Womöglich gesetzliche Feststellung eines wöchentlichen Minimums an freier Zeit. Einführung der Bezeichnung Hausgehilfen" an Stelle von Dienstboten und Gesinde. Einrichtung von kommunalen Arbeitsnachweisen für hauswirthschaftliche Arbeiterinnen und dadurch Einschränkung bezw. Beseitigung der gewerbsmäßigen Vermittelung.
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Ueber ein Reformprogramm, das Dienstbotenverhältniß betreffend, verhandelte neulich der Berliner Hausfrauenverein, den bekanntlich Frau Lina Morgenstern leitet. Die Berathungen wurden als Vorbesprechungen" bezeichnet und fanden auf Grund der Thesen statt, welche im Berliner Frauenverein vor Kurzem aufgestellt worden sind.( Nr. 23 der„ Gleichheit"). Die von Frau Morgenstern geführten guten Hausfrauen vermochten allerdings nicht, sich dazu aufzuschwingen, diesen Thesen beizustimmen. Die Debatten verdichteten sich vielmehr nur zu den folgenden Forderungen. 1. Für den Gesammtbegriff Gesinde oder Dienstbote fortan den Ausdruck Hausgehilfin oder Angestellte im Hausdienst zu gebrauchen. 2. Eine Aenderung der Gesindeordnung von 1810 zu beantragen. 3. Den Dienstmädchen als Schlafraum nur solche Hängeböden zuzuweisen, die genügend Licht und Luft besitzen und zu denen eine feste Treppe führt. 4. Statt der üblichen Dienstbücher, die oft gefälscht und gemißbraucht werden, solche einzuführen, deren Fälschung unmöglich ist. 5. Den Dienstmädchen den Sonntagnachmittag freizugeben oder, wo die Verhältnisse dies nicht gestatten, einen Nachmittag in der Woche. Das vorstehende Programm sollte gelegentlich der Dienstboten. prämiirungsfeier des Hausfrauenvereins im Bürgersaal des Rathhauses weiter erörtert werden. Jedoch ausnahmsweise kann auch einmal einem gut bürgerlichen Hausfrauenverein das Pech passiren, daß er denkt, und daß die liebe Polizei lenkt. Der Feier, bei welcher Frau Morgenstern schwungvoll die den Herrschaften angenehmen und einträglichen Tugenden der Dienstboten und das gute Herz der gnädigen und ungnädigen Damen zu verherrlichen pflegt, wurde nämlich die ganz unverdiente Ehre zu Theil, wie die erste beste Veranstaltung der Umstürzlerinnen behandelt zu werden. Jm Bürgersaal des Rathhauses erschien nämlich ein Polizeileutnant und erklärte, daß die geplante Besprechung der Dienstbotenverhält nisse nicht stattfinden könne. Zur Diskussion solle eine öffentliche Angelegenheit stehen, und deshalb sei die vom Vereinsgesetz vorgeschriebene polizeiliche Anmeldung erforderlich gewesen. Da diese unterblieben, mußte die Besprechung wegfallen, und es fand nur die Prämiirung treuer Dienstboten" statt. Frau Morgenstern ver breitete sich nun in einer Ansprache über die Stellung des Hausfrauenvereins zur Dienstbotenbewegung. Sie erklärte, daß die Drganisation allen berechtigten Forderungen der Dienenden gern entgegenkommen werde und verwies zur Bekräftigung dieses Entgegenfommens auf das eben mitgetheilte Reformprogramm. Was die wöchentliche Freizeit der Dienstboten anbelangt, so fügte Frau Morgenstern noch hinzu, daß in Anbetracht der oft weiten Wege zu Verwandten u. s. f. die Ausgehzeit bis 10 Uhr Abends etwas zu gering bemessen sei und wohl um eine Stunde verlängert werden fönne. Sie ristirte schließlich auch die Aufforderung an die Hausfrauen, ihre Dienstmädchen vor den Nachstellungen der Männer, Söhne u. s. f. zu schützen. Zur aufgerollten Frage soll der Hausfrauenverein in einer besonderen Versammlung Stellung nehmen. Daß die Dienstmädchen von dieser Stellungnahme nicht allzuviel zu hoffen haben, dafür sprechen zwei Thatsachen. Frau Morgenstern hat sich nur für eine Aenderung, nicht aber für die Aschaffung der Gesindeordnung erflärt, und sie fordert die Beibehaltung der Dienstbücher auf Grund schärferer Bestimmungen, als sie jetzt für diese gelten. Diese dienstbotenfeindliche Halbheit wird nicht durch den Eifer aufgewogen, mit dem sie sich dafür ins Zeug legt, daß die Bezeichnung Gesinde und Dienstbote durch Angestellte im Hausdienst ersetzt werde. Den rackernden Dienstmädchen ist sicherlich die Abschaffung der Gesindeordnung und der Dienstbücher weit werthvoller als eine andere Benennung, so gerechtfertigt diese auch ist.
Frauenstimmrecht.
Die Forderung des Frauenstimmrechts wird die sozial demokratische Arbeiterpartei Hollands in ihre Agitation für das allgemeine Wahlrecht einbeziehen. In dem Komite, das von einer Delegirtenversammlung zu Amsterdam eingesetzt wurde, um die beschlossene Agitation zu leiten, sind auch die Frauen vertreten und zwar durch Beauftragte des Vereins für das Frauenwahlrecht". Eine kräftige Agitation für das allgemeine Stimmrecht aller großjährigen Staatsangehörigen, ohne Unterschied des Geschlechts, soll gelegentlich der Wahlen des Jahres 1901 entfaltet werden.
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Das Frauenstimmrecht für Viktoria nahm im Laufe dieses Sommers das Unterhaus des Staates mit 54 gegen 28 Stimmen an. Das Oberhaus verwarf jedoch das betreffende Gesetz mit 27 gegen 17 Stimmen.
Für die Zuerkennung des kommunalen Wahlrechts an das weibliche Geschlecht kämpft der Frauenbund" von Neu- Seeland . Daß die Frauen das betreffende Recht noch nicht besitzen, berührt eigenartig, da ihnen bereits vor mehreren Jahren das Wahlrecht zu den Parlamenten eingeräumt worden ist.
Frauenbewegung.
Die christlich- soziale Arbeiterinnenfreundlichkeit ist, von Herrn Stöcker geführt, wieder einmal zu den Berliner Näherinnen herabgestiegen. In Anschluß an die christlich- soziale Konferenz hatte der„ neue Luther" und die ihm anhängende Frauengruppe für den 1. Dezember in den Saal des Handwerkervereins eine Versammlung einberufen, zu der alle Näherinnen, die zu Hause für ein Geschäft arbeiten", eingeladen waren. Der Saal war gefüllt, jedoch nur zum Theil von Näherinnen, die größere Hälfte der Versammlungsbesucher bestand aus christlich- sozialen Damen der Stöckerschen Richtung. Die Referentin, ein Fräulein Kunzen aus Kassel , sang ein gewaltiges Loblied auf die Kranken- und Invaliditätsversicherung. Ihre Arbeiterinnenfreundlichkeit verdichtete sich zu einer Resolution, welche den Reichstag bittet, er möge die Ausdehnung der Krankenversicherung auf die Hausindustrie beschließen und beim Bundesrath beantragen, daß er die Alters- und Invaliditätsversicherung auf die Hausindustrie übertrage. Geradezu komisch wirkte die Auffassung der Rednerin, Reichstag und Regierung seien gerade jetzt von einem brennenden Reformeifer erfüllt. Die Interessen der Arbeiterinnen und der sozialdemokratische Standpunkt wurden von den Genossinnen Baader, Fahrenwald, Göße und Braun vertreten. Ihre Ausführungen wurden von den Arbeiterinnen mit lebhaftem Beifall aufgenommen, erregten dagegen die Entrüstung der weiblichen Stöckergarde, die es nicht an Bemühungen fehlen ließ, durch Lärm und Zwischenrufe unsere Genossinnen zum Schweigen zu bringen. Herr Stöcker selbst, der in der Diskussion das Wort ergriff, erklärte, daß seine Anhängerinnen aus christlicher Liebe den Arbeiterinnen helfen wollten, aber durch das unpraktische Verhalten der sozialdemokratischen Frauen daran gehindert würden. Der christlich- soziale Standpunkt wurde noch von einer Lehrerin, Gräfin Bernstorff und Generalsekretär Böhm vertreten. Nachdem sich Stöcker noch gegen die Ausführungen der Genossin Braun gewendet hatte, wollten die Christlich- Sozialen offenbar von einer Fortsetzung der Versammlung nichts mehr wissen. Die Genossinnen, welche Stöckers Anwürfe beantworten wollten, wurden niedergeschrieen. In einer allgemeinen Tohuwabohu kam dann die Resolution zur Abstimmung. Die Vorsitzende erklärte dieselbe für angenommen, unsere Genossinnen waren zusammen mit vielen anderen Versammlungsbesucherinnen der gegentheiligen Meinung. Während kurzer Bemerkungen der Genossin Braun steigerte sich das Lärmen der christlich- sozialen Damen, und schließlich forderte Herr Stöcker die Gegnerinnen der Resolution auf, den Saal zu verlassen. Nachdem das geschehen war, redete Herr Stöcker also:„ Liebe Freunde! Wir wollten den Arbeiterinnen helfen, Sie sehen aber, die sozialdemokratischen Frauen wollen davon nichts wissen. Lassen Sie uns daher künftig unter uns bleiben. Ich habe heut gesehen, daß Schiller recht hat, wenn er sagt: Da werden Weiber zu Hyänen. Wir wollen mit solchen Hyänen nichts zu thun haben." Ein Kommentar zu diesen Worten und zu dieser Versammlung erübrigt sich.
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Ein Gesetz zur Sicherung der Ersparnisse der verheiratheten Frauen hat die belgische Kammer jüngst angenommen. Das Gesetz gestattet den Ehefrauen, Sparkasseneinlagen bis zum Betrag von 1000 Fr. zu machen und das Kapital in Beträgen bis zu 100 Fr. monatlich für die Bedürfnisse des Haushalts abzuheben. Die Ersparnisse können weder von dem Gatten erhoben, noch von dessen Gläubigern mit Beschlag belegt werden, ausgenommen diese vermögen den Beweis dafür zu erbringen, daß die Schulden vom Manne für den Haushalt gemacht worden sind. Das Gesetz bezweckt vor Allem, die Ersparnisse der Frau gegen Vergeudung durch den trunksüchtigen Mann sicher zu stellen. Die belgischen Frauenrechtlerinnenund Arbeiterinnenorganisationen haben seit Jahren für das Gesetz agitirt. Daß es endlich zu Stande kam, ist in der Hauptsache das Verdienst der sozialistischen Abgeordneten, die es wieder und wieder eingebracht und vertheidigt haben. Der entscheidenden AbStimmung gingen glänzende Reden unserer Genossen Anseele, Vander velde und Denis voraus. Ob das Gesetz die Zustimmung des Senats findet, ist fraglich.
Drud und Berlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart .