Nr. 2.

Die Gleichheit.

10. Jahrgang.

Beitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Die ,, Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 3122) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart  

Mittwoch den 17. Januar 1900.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

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Inhalts- Verzeichniß.

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Was wir gegenwärtig fordern. Frauenarbeit in der Montanindustrie. II. Von H. Die Frauen in der schweizerischen Kranken- und Unfall­versicherung. Von D. Zinner. Aus der Bewegung. Schriften zum Studium der Frage des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes. Feuilleton: Ein Märtyrer. Von Richard Dehmel.  ( Gedicht.)- Gnaden­brot. Von Henrik Pontoppidan  .

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Soziale Ge

Notizentheil von Lily Braun   und Klara Zetkin  : Frauenarbeit auf dem Ge­biete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. setzgebung. Frauenstimmrecht. Frauenbewegung.

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Was wir gegenwärtig fordern.

Wir fordern einen wirksamen geseßlichen Arbeiterinnenschutz, weil der weibliche Organismus im Mutterschaftsfalle befondere Aufgaben zu leisten hat, gewissen gesundheitsschädigenden Einflüssen besonders leicht zugänglich ist und unter ihnen besonders schwer

Leidet.

Wir fordern einen wirksamen gefeßlichen Arbeiterinnenschutz, weil die Arbeiterin als Gattin und Mutter in der Familie Sonder pflichten erfüllen muß und in der Folge zwiefache Arbeitslast trägt.

Wir fordern einen wirksamen geseglichen Arbeiterinnenschuß, weil die Arbeiterin als Glied eines politisch rechtlosen, sozial unterbürtigen Beschlechts weniger aufgeklärt, organisirt und mit geringeren Rechten ausgerüstet ist als der Arbeiter und deshalb als Glied einer wirthschaftlich unfreien Klasse weniger widerstands­kräftig und kampffähig als er, ungünstige Arbeitsbedingungen ab­zuwehren und vortheilhafte Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Wir fordern einen wirksamen gesetzlichen Arbeiterinnenschuß, weil das kapitalistische Profitbedürfniß feine Rücksicht auf die Son­dernatur und die Sonderaufgaben der Arbeiterin fennt und ihre Widerstandsunfähigkeit ausnut, um gerade die weiblichen Arbeits­kräfte der härtesten, schonungslosesten Ausbeutung zu unterwerfen.

Wir fordern einen wirksamen gefeßlichen Arbeiterinnenschutz, weil in Folge des gekennzeichneten Standes der Dinge die Ge­sundheit und Lebenskraft der Arbeiterin zerrüttet, die Ausbildung und Bethätigung ihrer Fähigkeiten gehemmt oder verunmöglicht wird, die Erfüllung ihrer Aufgaben als Gattin und Mutter schweren Schaden leidet, und der kraftvollen Vertheidigung ihrer Interessen als Frau, Proletarierin und Staatsbürgerin große Hin­dernisse entgegenstehen.

Wir fordern einen wirksamen geseßlichen Arbeiterinnenschuß, weil mit der Gesundheit der Mutter das feimende Leben in ihrem Schoße gemordet oder dem Siechthum überantwortet wird; weil das verwahrlosende Heim und die mangelnde Pflege und Erziehung zum förperlichen, geistigen und sittlichen Verkommen des heran­wachsenden Geschlechts führt und das unvermeidliche Ergebnis der schrankenlosen kapitalistischen   Ausbeutung der weiblichen Arbeits­fraft mithin den Ruin der Volkskraft bedeutet.

Wir fordern einen wirksamen gefeßlichen Arbeiterinnenschutz, weil das kapitalistische Unternehmerthum die rücksichtslos ausge= beuteten, widerstandsunfähigen weiblichen Arbeitskräfte in Schmutz­fonkurrenz gegen die männlichen Arbeitskräfte ausspielt und dadurch deren Arbeitsbedingungen verschlechtert.

Wir fordern einen wirksamen gefeßlichen Arbeiterinnenschuß,

Buschriften an die Redaktion der Gleichheit" find zu richten an Frau Klara Bettin( 8undel), Stuttgart  , Blumen­Straße 84, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach- Straße 12.

weil die gesammte Arbeiterklasse mit Rücksicht auf ihren Befreiungs. tampf das höchste Interesse daran hat, daß die Arbeiterinnen durch Schuß gegen die kapitalistische Ausbeutung wirthschaftlich, gesund­heitlich, geistig und sittlich auf ein höheres Niveau gehoben und dadurch wehrtüchtigere Mitstreiterinnen werden; daß das prole­tarische Familienleben ein gesundes und edles sei; daß die Nach­tommen in körperlicher und geistiger Kraft heranwachsen.

Wir fordern von der Gesetzgebung das absolute Verbot der Nachtarbeit der Frauen, weil ärztliche Autoritäten festgestellt, praktische Erfahrungen bestätigt haben, daß gerade die Nachtarbeit in der allerverhängnißvollsten Weise den weiblichen Organismus zerrüttet, die Gesundheit ihrer Kinder und die Interessen der Familie schädigt.

Wir fordern das gesezliche Verbot der Verwendung von Frauen bei allen Beschäftigungsarten, welche dem weiblichen Dr­ganismus besonders schädlich sind, weil Berge wissenschaftlichen unanfechtbaren Materials dargethan haben, daß diese Beschäfti­gungen zahllose und schwere körperliche Leiden, sehr oft lebens­längliches Siechthum der Arbeiterinnen zur Folge haben, daß sie im Mutterschaftsfalle Schwergeburten, Fehlgeburten, Todtgeburten oder Kränklichkeit und Schwächlichkeit der Kinder bedingen.

Wir fordern den geseßlichen Achtstundentag für die Arbeite­rinnen, weil ihnen die Erwerbsthätigkeit Zeit lassen muß, die ver­ausgabten Kräfte durch Schlaf, Ruhe und Erholung zu ersetzen; weil sie Kraft und Zeit bedürfen, um als ebenbürtige Gefähr­tinnen des Mannes, als verständige und liebevolle Pflegerinnen und Erzieherinnen der Kinder im Hause zu walten; weil ihnen Zeit und Kraft bleiben muß, um sich zu bilden, aufzuklären, zu organi siren, ihre geistigen und sittlichen Bedürfnisse zu befriedigen, um in Gemeinde und Staat, in der Gewerkschaft und im politischen Kampfe ihre volle Schuldigkeit zu thun und ihre Interessen zu vertheidigen. Wir fordern den gesetzlichen Achtstundentag für die Arbeiterinnen, weil die Wissenschaft der Aerzte und Hygienifer nachgewiesen hat, daß eine längere als eine achtstündige Arbeits­zeit auf Kosten der Gesundheit und Lebenskraft der Arbeitenden und auf Kosten der Güte ihrer Leistungen geht. Wir fordern den gefeßlichen Achtstundentag für die Arbeiterinnen, weil die politische Dekonomie und die Erfahrung beweist, daß durch die achtstün­dige Arbeitszeit die Industrie keineswegs geschädigt, vielmehr mächtig gefördert wird.

Wir fordern die gesetzlich festgelegte Freigabe des Samstag­nachmittag für die Arbeiterinnen, weil erst die freie Verfügung über diesen halben Tag den lohnarbeitenden Frauen und Mädchen etwas wirkliche Sonntagsruhe sichert, den Sonntag für sie aus einem Wasch-, Scheuer- und Flicktag zu einem Feiertag verwandelt, welcher der Erholung und inneren Sammlung dient.

Wir fordern die Ausdehnung der geseßlichen Schutzbestim­mungen für Schwangere und Wöchnerinnen auf mindestens einen Monat vor und zwei Monate nach der Geburt, weil es erwiesen ist, daß die Frau in jener Zeit mit Rücksicht auf ihre eigene Ge­sundheit und die kräftige Entwicklung des Kindes größerer Scho­nung bedarf, und weil es insbesondere in den ersten Monaten von großer Wichtigkeit für das Gedeihen des Kindes ist, daß ihm die mütterliche Pflege und die natürliche Nahrung erhalten bleibt. Wir fordern die Beseitigung der Ausnahmebewilligungen von den betreffenden gesetzlichen Schutzbestimmungen auf Grund eines ärzt­lichen Zeugnisses, well diese Ausnahmebewilligungen den Umgebungen