der gesetzlichen Bestimmungen Thür und Thor   öffnen! Umgehungen, die auf Seiten des Unternehmerthums durch die Profitgier ver- anlaßt werden, auf Seiten der Arbeiterinnen durch Noth und Un- wissenheit; Umgehungen, die stets der Frau und dem Kinde zum Schaden gereichen. Wir fordern, daß durch eine entsprechende Umgestaltung der Krankenversicherung und unter Heranziehung des Staats, beziehungs- weise der Gemeinde zu den entstehenden Lasten, Schwangere und Wöchnerinnen für den Ausfall an Lohn während der vorgesehenen Schutzzeit entschädigt werden, weil die Ausgaben der proletarischen Familie in Folge des Wochenbetts und der Pflege von Mutter und Kind steigen; weil ohne die festgesetzte Entschädigung die Roth die Arbeiterin zu früh zur Erwerbsthätigkeit zurücktreibt; und weil die Sorge für Mutter und Kind ganz wesentlich im Interesse der Allgemeinheit liegt. Wir fordern einen wirksamen gesetzlichen Schutz für alle Ar- beiterinnen und weiblichen Angestellten in der Groß- und Klein- industrie, im Handwerk, Handel, Transport- und Verkehrswesen, weil die weiblichen Arbeitskräfte auf all diesen Gebieten des wirth- schaftlichen Lebens die gekennzeichnete Ausbeutung erfahren und aus den angeführten Ursachen des besonderen gesetzlichen Schutzes bedürfen. Wir fordern aus den nämlichen Gründen zu Gunsten der ländlichen Arbeiterinnen und der weiblichen Dienstboten den Erlaß besonderer gesetzlichen Schutzvorschriften, welche die aufge- stellten Grundsätze sinngemäß auf die einschlägigen Arbeitsverhält- nisse anwenden. Wir fordern wirksamen gesetzlichen Schutz für die verheiratheten wie für die ledigen Arbeiterinnen, weil es nicht nur gilt, den ersteren für ihre Aufgaben in der Familie Gesundheit, Zeit und Kraft zu sichern, weil es sich vielmehr darum handeln muß, dafür zu sorgen, daß die junge Arbeiterin körperlich gesund und auf ihren Beruf als Gattin und Mutter vorbereitet in die Ehe tritt. Wir fordern die Ausdehnung des gesetzlichen Arbeiterinnen- schutzes auf die Hausindustrie, weil die Erfahrung dargethan hat. daß ohne diese Ausdehnung das profitlüsterne Kapital um sich der lästigen gesetzlichen Fesseln zu entziehen die in den Fabrik- und Weikstättenbetrieben geschützten Frauen, wenn immer es möglich ist, in die ungeschützte Heimindustrie abschiebt, wo sie in den un- gesündesten Arbeitsräumen, bei ungemessen langer und ungeregelter Arbeitszeit gegen niedrigsten Lohn beschäftigt sind, wo mit der Steigerung der Ausbeutung die Verminderung der Vertheidigungs- fähigkeit gegen das Kapital Hand in Hand geht. Wir fordern die Anstellung fachlich gebildeter, praktisch er- fahrener Fabrikinspektorinnen, weil die Arbeiterinnen über gewisse gesundheitliche Schädigungen und sittliche Mißstände in ihrem Ar- beitsverhältniß der Geschlechtsgenossin eher Mittheilung machen werden, als dem vertrauenswürdigsten männlichen Beamten. Wir fordern die Anstellung von weiblichen Hilfsbeamten der Fabrik- lnspektion, die von den Arbeiterinnen selbst gewählt werden, weil solche Hilfsbeamte das besondere Vertrauen der Arbeiterinnen be- sitzen, in steter Fühlung mit ihnen stehen und aus Erfahrung am gründlichsten die Schliche kennen, durch welche das Unternehiner- thum die gesetzlichen Vorschriften zu umgehen sucht, sowie die Miß- stände, unter denen die Frauen und Mädchen besonders leiden. Wir fordern für das weibliche Geschlecht das aktive und passive Wahlrecht zu den Gewerbegerichten, weil die erwerbsthätigen Frauen und Mädchen die Möglichkeit besitzen müssen, durch die Wahl von Gewerberichtern ihre Interessen zu wahren, die vor den Gewerbegerichten verhandelt werden, und weil weibliche Gewerbe- richter mit großer Sachkenntniß in solchen Fragen zu entscheiden vermögen, die sich auf die Lohn-, Arbeits- und Dienstverhältnisse der Frauen und Mädchen beziehen. Wir fordern für alle weiblichen Lohnarbeitenden die länd­lichen Arbeiterinnen und weiblichen Dienstboten inbegriffen gesetzlich gesicherte volle Koalitionsfreiheit, weil die werklhätigen Proletarierinnen durch die Macht der Organisation der Macht des Geldsacks bessere Arbeitsbedingungen, insbesondere auch höhere Entlohnung abringen müssen, und weil die strenge Durchführung und der weitere Ausbau der Schutzgesetzgebung ganz wesentlich durch die Macht der Organisation aller Arbeitenden bedingt wird. Wir fordem gegenwärtig die vorstehenden Reformen zu Gunsten aller weiblichen Lohnarbeitenden, weil es gilt, das weibliche Prole­tariat kampftüchtiger zu machen, seine Befreiung vom Doppeljoche der Geschlechtssklaverei und Klassensklaverei zu erkämpfen und volles Menschenlhum zu erobern. Frauenarbeit in der Montanindustrie.* Ii. Belgien   ist das klassische Land des Ultramontanismus. Bei uns in Deutschland   giebt sich dieses als einen grundsätzlichen Vor- kämpser für Sozialreformen aus. Das Wohl der arbeitenden Klasse soll nirgends besser aufgehoben sein als beim Zentrum; nur dessen mangelnder Einfluß auf die deutschen Regierungen trage die Schuld daran, daß die Herren Hitze und Genossen noch nicht jedem deutschen Arbeiter ein Huhn im Topfe schafften, so versichern die ultramon- tanen Herren. Viele tausend deutsche Industriearbeiter hängen in der Folge dem Zentrum an und bauen auf sein soziales Programm. Bei dieser Sachlage ist es sehr lehrreich, an dem Beispiel von Belgien   zu zeigen, wie der Ultramontanismus wirthschaflet, wenn er thalsächlich das Steuer der Regierungsmaschine führt. Herr Woeste ist Fleisch vom Fleisch und Bein vom Bein des Herrn Hitze; der ultra- montane Gedanke ist international; dieschwarze Internationale" ist wie dierothe" durch eine feste Solidarität der Ideale verbunden. An den Thaten des regierenden belgischen Ultramontanismus kann man sinnenfällig erkennen, was die deutsche Arbeiterklasse an sozialen Reformen vom Zentrum zu erwarten hat, wenn es das Heft in die Hände bekommen würde. Wie sieht es nun mit dem sozialreforme- rischen Wirken des belgischen Ultramontanismus auf einem Gebiet aus. das geradezu schreiend ernste Reformen fordert: das Gebiet der Frauenarbeit in der Montanindustrie? Als wir die belgischen Bergwerksreviere durchwanderten, waren uns sämmtliche deutschen   Montanbezirke schon bekannt. Wir waren ver- traut mit dem Elend der Knappen und ihrer Familien, manche wider- wältige Szene hatten wir erlebt; wir waren schonmanches gewohnt". Aber in Belgien   streckte unsere Erfahrung doch die Waffen. Eine solche Entwürdigung des Weibes, wie in der dortigen Montan- industrie sahen wir nicht einmal in Qberschlesien. Schmutz- und koth- bedeckt schafften die Arbeiterinnen ohne Schutz vor der Witterung und mehr Stunden in angestrengtester Weise im Verladeraum, bei der Separation und sonstigen Uebertragsarbeilen auf den Zechen des Kohlenbeckens von Charleroi  . Aber was wir hier sahen, war erst das Vorspiel. Im Borinage stieg dasschwächere Geschlecht", angethan mit eckelhaften, schmutzstarrenden Lumpen in die Tief e. Im Borinage herrscht die ISstündige unterirdische Schicht? Da nun die Mädchen und Frauen als Schlepper thätig sind, so hat sich der Gebrauch eingebürgert, daß sie nach Abthun der letzten Schüsse, womit der Häuer seine Schicht beendet, den Ort leer zu schleppen habe. In der Folge kommen nicht selten 13-, ja IKstündige unterirdische Schichten der Frauen und Mäd- che» vor!?? Ist das nicht eine Schmach für unsere gesammte Kultur! Und diese Schmach geschieht in Belgien  , dem Herrschaftsgebiet des Ultra- montanismus, geschieht mit dessen Zustimmung. Unsere Genossen in der Deputirtenkammer haben jene Schändlichkeiten schon öfter zur Sprache gebracht. Das einzige, wozu sich diegeborenen Sozial- reformer" verstanden gezwungen durch die sozialistische Kritik. ist eine allmälige Verminderung der unterirdischen Frauenarbeit. Wir geben nachstehend eine Statistik der auf den belgischen Gruben thätigen weiblichen Arbeiter und Kinder; für 1898 liegen uns leider noch keine Angaben vor. Es arbeiteten: Unter Tage: IS9l 1891 1896 1897 Arbeiterinnen...... 3691 1618 888 636 Kinder von 1216 Jahren.. 8610 5940 5781 6027 lieber Tage: Arbeiterinnen...... 7181 7500 7792 7164 Kinder von 12 16 Jahren.. 2b47 2590 2568 2531 Charakteristisch an der Belegschaftsstatistik ist, daß vornehmlich die Zahl der unterirdisch beschäftigten Kinder im Alter von 12 14Jahren stieg! Oberirdisch nahm die Zahl der jugendlichen Arbeiterinnen ebenfalls zu. Das Kapital beutet mit Vorliebe gerade die schwächsten Elemente des Volkes aus. Der Höchstlohn der Arbeiterinnen beträgt pro Schicht 2 Frs. (1 Mk. 60 Pf.), doch wird derselbe, wie uns gesagt wurde, nur selten * Siehe Nr. 20 derGleichheit" von 1893.