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Arbeiterinnenschutes.

nicht nur eine Emanzipationsbewegung des weiblichen Geschlechts ist, Schriften zum Studium der Frage des gesetzlichen sondern ein Theil des Emanzipationskampfs der Arbeiterklasse, den Frauen und Männer gemeinsam durchführen müssen. Er bedauerte es deshalb, daß innerhalb der sozialdemokratischen Partei betreffs der Stellung den Frauen gegenüber sich nicht stets Uebereinstimmung zwischen Theorie und Praxis zeige. So habe man in Hannover  gegen Genossinnen mit wiglosen Wigen gekämpft, die auf dem gleichen Niveau standen, wie die in bürgerlichen Kreisen üblichen thörichten Wize über Schwiegermütter, Blaustrümpfe 2c. Daß solche Witze belacht werden, sei geradezu beschämend. Bedauerlich sei es, daß der Süddeutsche Postillon" die Genossin Luxemburg  , die auf dem Parteitag so trefflich gesprochen habe, daß man nur wünschen. tönne, alle Männer wären im Stande, es ebenso gut zu machen, auf das Geschmackloseste, ja geradezu roh farrifirt habe. Der Redner erklärte solche Erscheinungen daraus, daß der Deutsche   überhaupt die Frau niedrig einschätze. Ueber das Verhältniß der Frauen zur Politik führte Genosse Liebknecht   eingehend aus, daß ein Zeitalter des Rapi­talismus, der die Frauen wie die Männer zur Erwerbsthätigkeit treibt, nur die Gedankenlosigkeit behaupten könne, die Frau gehöre ausschließlich ins Haus und habe sich um öffentliche Dinge und Politik nicht zu kümmern. Er halte aufrecht, was er schon früher erklärt, daß die Frau die größere Hälfte der gesellschaftlichen Arbeit leiste, weil sie nicht blos für den Erwerb, sondern auch im Haushalt ar­beite und für die Pflege und Erziehung der Kinder sorge. Schon dieser Umstand gebe ihr ein Recht auf volle soziale Gleichberechtigung. Dazu komme, daß alle Vorgänge und Einrichtungen des öffentlichen Lebens von Einfluß auf die Interessen der Frau sind. Die indirekten Steuern, welche die Arbeiterfamilie schwer belasten, der Krieg, der den Frauen daheim Leid und Sorge bringt, das alles gebe den Frauen das Recht, sich um die Politik zu kümmern und Einfluß auf dieselbe zu verlangen. Pflicht der Männer in unseren Reihen sei es, die Aufklärung der Frauen auf allen Gebieten zu fördern und in der Praxis wie in der Theorie für ihre Gleichberechtigung einzu­treten. Wer die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts be­tämpft, wer ihm die Fähigkeit abspricht, sich im öffentlichen Leben zu bethätigen, der stehe auf einem Standpunkt, welcher der heutigen Kultur nicht entspricht. Die proletarischen Frauen müssen zusammen mit den Männern den Kampf für die Befreiung der Arbeiterklasse siegreich zu Ende führen. Die Ausführungen Liebknechts wurden mit stürmischem Beifall aufgenommen.

Nur hin und wieder schrecken sie empor, wenn die knarrenden Morgen schuhe des Inspektors die Treppen heraufkommen. Dann geht ein ängstlicher Ruck durch die Reihen. Und wenn seine große Gott­Vater Gestalt sich in der Thür zeigt, bücken sich die alten Köpfe tiefer über die Matten.

Die einzige belebende Abwechslung in der Einförmigkeit des langen Tages ist das Läuten der Glocke zu den Mahlzeiten. Sobald diese tönt, erheben sich Alle von ihren Sißen, bürsten sorgfältig die Strohüberreste von ihren Kleidern in den reglement mäßigen kleinen Haufen auf der Diele hinab und begeben sich auf den Korridor, wo ein Aufseher sie in Reihen zu zwei und zwei ordnet. Auf ein gegebenes Zeichen marschiren sie darauf zur Küchenluke hinab, von wo sie bald darauf wieder heraufsteigen, einen Napf vorsichtig zwischen den Händen und die Züge gleichsam aufgethaut von dem warmen, angenehmen Dampf, der ihnen in die Nase steigt.

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Morgens ist es ein halber Topf gekochtes, suppenähnliches Wasser Bier" nennt man das hier und ein Viertel Pfund trockenes Roggenbrot, in dem sie gierig mit ihren zahnlosen Gaumen schmaßen, während sie es fleißig in dem gefochten Wasser auf­weichen. Mittags ist es Milchbrei und ein Hering, oder grüne Kohlsuppe mit Wurzeln und Kartoffeln, dazu der Duft von dem Beefsteak des Inspektors, wenn sie auf ihrem Napf- Marsch einen Augenblick verstohlen vor der Thür der Privatküche inne halten, um hineinzulugen. Der Speck wird zur Vespermahlzeit mit noch einer Scheibe trockenem Roggenbrot und einem halben Krug Milchwasser servirt, worauf ein Aufseher die Runde durch die Stuben macht, um streng darauf zu achten, daß nichts unnüß fortgeworfen und nichts Ueberflüssiges bei Seite gesteckt wird.

Ueberhaupt vollzieht sich alles mit einer Präzision und Ord­nung, die mustergiltig genannt werden müssen. Von dem Augen­blick an, wo Morgens um 4 Uhr die Insassen aus dem Bette geschreckt werden bis zur vorschriftsmäßigen Abendmusterung, wo unter Anderem die Tagesarbeit beurtheilt und ausgemessen wird,

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,, Kapital"( dritter Abschnitt, 8. Kapitel. Vierter Abschnitt, 13. Kapitel), Karl Mary. Zur Lage der arbeitenden Klassen in England", Friedrich Engels  , Stuttgart  . Arbeiterschutz und Acht­stundentag", Karl Kautsky  , Nürnberg   1890. Die Fürther   Queck­filber Spiegelbelege und ihre Arbeiter", Dr. Bruno Schönlant, Stutt­ gart  . Die Gleichheit", Stuttgart  , sämmtliche Jahrgänge, insbeson­dere Artikel und Notizen 1892: Nr. 1, 2, 17; 1893: Nr. 16, 17, 18, 19, 20, 21, 24; 1894: Nr. 8, 10, 18, 25; 1895: Nr. 3, 6, 9, 11, 12, 19; 1896: Nr. 9, 16; 1897: Nr. 5, 17, 18, 19, 20, 24, 25, 26; 1898: Nr. 11, 24, 25; 1899: alle Nummern mit Ausnahme von 4 und 7. ,, Die Neue Zeit", Stuttgart  , sämmtliche Jahrgänge. Braun's Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik, Berlin  , sämmtliche Jahrgänge. Ergebnisse der Ermittlungen über die Lohnverhältnisse der Arbeite­rinnen in der Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche 2c." Berichterstattung des Reichsamts des Innern an den Reichstag  , Berlin   1887. Die Verhältnisse in der Kleiderkonfektion", Protokoll über die Verhandlungen der Kommission für Arbeiterstatistik, Berlin  1896. Die praktischen Ergebnisse der Achtstundenagitation", Thurow, Berlin   1898." Die Arbeiterfrage", Karl Herkner. Die Haus industrie in Thüringen  ", Emanuel Hans Say. Gesundheitsbuch für die Phosphorzündwaarenfabrikation, mit Berücksichtigung der Hausindustrie", Dr. Schlieben, Berlin   1898. Das Zinthüttensiech­thum in Oberschlesien  ", Dr. Seiffert, Braunschweig   1897. Die Spielwaarenindustrie des Meininger Oberlandes", Dr. Stillich, Jena   1899. Arbeiterschutzgesetzgebung", Volkslexikon, herausgegeben von E. Wurm, Nüruberg. Die Betheiligung des weiblichen Ge­schlechts an der Erwerbsthätigkeit", Käthe Duncker, Hamburg  , Generalkommission der Gewerkschaften, 1899." Mittheilungen aus den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten", Berlin  . Die Berichte der Fabritinspektion von Baden  , Württemberg, Hessen   und Bayern  . Die Hausindustrie der Frauen in Berlin  ", Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Leipzig   1899." Die englische Fabrikgesetzgebung", Helene Simon, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung u. s. f., Jahr­gang XXII. Entwicklung und gegenwärtige Organisation der eng­lischen Fabritinspektion", Helene Simon, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung u. s. f., Jahrgang XXIII. Die Fabrik- und Sanitäts­inspektorinnen in England", Helene Simon, Schmollers Jahrbuch für

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herrscht eine Bünklichkeit und Disziplin, die in keiner Kaserne besser sein kann. Man erstaunt über diese man könnte fast sagen unnatürliche- Adrettheit, mit der diese alten, schwach­töpfigen Menschen überall und bei jeder Gelegenheit ihren Plazz zu finden wissen und ihre Pflichten kennen. Auch die aufsässigsten Gemüther und die wunderlichsten Sonderlinge und wo finden sich diese wohl öfter als unter gebrechlichen Alten! schleifen sich in weniger als 14 Tagen zu den willigsten und gefügsamsten Gliedern des Mechanismus ab und zeigen gleich am ersten Tage der Welt jenes undefinirbare Gemeinsamkeitsgepräge schlaffer und reingewaschener Zahmheit, das Alle ebenso charakterisirt wie die gleiche graue Uniform aus grobem Stoffe. Nun muß aber auch von Allen anerkannt werden, daß man in dem jezigen Inspektor einen Mann gefunden hat, der in seltenem Maße zu der Stellung geschaffen ist, die er bekleidet. Groß und würdig, so daß selbst. die Dielen unter seinen Tritten zittern, mit der ganzen Majestät und unerschütterlichen Kaltblütigkeit eines gewefenen Unteroffiziers, hält er das Steuer in fester und kerniger Hand. Ruhig und mit einer Haltung, als hätte er ein spanisches Rohr verschluckt oder hielte ein solches doch mindestens unter seinem dicht zuge= knöpften Rocke   verborgen, wandert er täglich die Treppen hinauf und die Säle hindurch seine Rundtouren, um mit seinem uner­reichten Scharfblick für die geringste Unregelmäßigkeit und die geringste Versäumniß die reglementmäßige Justiz der Anstalt aus­zuüben. Zu dem Zwecke findet sich unten im Keller eine Reihe kleiner, dunkler, wohl verschlossener Räume Brummlöcher" genannt, wo die Sünder mit einer Holzpritsche, einem Strohsack und einem neuen Testament auf einige Tage eingesperrt werden, um dort ihr Verbrechen erwägen und büßen zu können eine Strafe, für die der Inspektor als alter Militär eine natürliche Vorliebe hat und der aus eigenem gekränkten Pflichtgefühl noch eine Verminderung der Essensrationen hinzufügt.

( Schluß folgt.)

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