auch diesmal unsere Genossen sich zu helfen. Ringsum an den Wänden des reich mit Tannen, Fähnchen und Bildern ausgeschmückten Saales hatten sie Stearinterzen angebracht, so daß die Versammlung in einem prachtvoll illuminirten Lokale stattfand. In musterhafter Weise ver­lief die auch stark von Frauen besuchte glänzende Versammlung. In der Diskussion ironisirte Genosse Hofer in köstlicher Weise die ,, Fürsorge" der Behörde und stattete ihr seinen Dank ab, daß sie uns wenigstens noch erlaube, bei Kerzen zu tagen statt beim Kienspan. Die Ver­sammlungen in Kolberg   und Köslin   waren ebenfalls überaus gut besucht. Nicht nur die Säle waren überfüllt, sondern auch noch die Nebenräume, in Köslin   sogar der Garten. Mit außerordentlichem Interesse, mitunter mit athemloser Spannung folgten die Leute den Ausführungen der Referentin. In ihrer elenden, gedrückten Lage und ihrer Unwissenheit klingt es ihnen wie ein Evangelium, wenn sie von einem Wege hören, der geeignet ist, sie aus Elend und Noth zu führen. Im Vergleich zum Stande der allgemeinen Arbeiter bewegung in den von Genossin Zietz bearbeiteten Gegenden ist die Frauenbewegung daselbst recht weit vorgeschritten. Fast an allen Orten sind weibliche Vertrauenspersonen vorhanden, die ihre ganze Kraft einsetzen und zum Theil mit außerordentlichem Geschick die Be­wegung leiten und erweitern. Daß ihre treue, aufopfernde Arbeit auch in Zukunft mit gutem Erfolg gefrönt werden möge, ist der Wunsch, der sich unwillkürlich auf die Lippen drängt.

L. Z.

Von der Organisation. Im ,, Bildungsverein für Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse Berlins  " hielt Frau Adele Gerhard   kürzlich einen sehr interessanten Vortrag über Wesen und Entwicklung der Konsumgenossenschaften". Die Rednerin betonte Eingangs, daß die Frau als Konsumentin ein besonderes Interesse an der Konsumgenossenschaft habe. Sie legte den spezifischen Charakter der letzteren im Gegensatz zu der Produktivgenossenschaft dar, zeigte die demokratische Grundlage der Konsumgenossenschaft, das für sie vorhandene sichere Absatzgebiet, ihre materiellen Vortheile für die Arbeiterklasse und ihre Bedeutung als Mittel der Erziehung zur Selbstverwaltung. Nach einem kurzen Ueberblick über die starke ge­nossenschaftliche Bewegung in England, Belgien   und der Schweiz  wendete sich die Rednerin den einschlägigen Verhältnissen in Deutsch  land zu Aus geschichtlichen Zusammenhängen heraus erklärte sie die Abneigung, die in der deutschen Arbeiterklasse bis vor Kurzem gegen die Konsumgenossenschaft bestanden hat. Sie schilderte die glänzende Entwicklung des Arbeiterkonsumvereins Leipzig Plagwig, ging auf den Zusammenschluß der konsumgenossenschaftlichen Neugründung aus Berliner   Arbeiterfreisen ein und forderte die Frauen dringend auf, sich für diese zu interessiren, sich ihrer Wacht und ihrer Pflicht als Konsumentin bewußt zu werden. Zum Schluß hob sie nachdrücklich hervor, daß die genosserschaftliche Bewegung niemals den politischen und gewerkschaftlichen Kampf des Proletariats ersetzen, sondern ihn nur ergänzen könne, indem sie aus der Arbeiterklasse den Stamm zu einer reifen, in gemeinsamer praktischer Arbeit erprobten Demokratie heranziehe und überleite zu einer demokratischen Verwaltung des wirthschaftlichen Lebens. Der Vortrag wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen. In der Diskussion pflichteten alle Frauen, die das Wort ergriffen, der Referentin bei, gedachten jedoch auch der Schwierig feiten, welche sich besonders in der Großstadt der Entwicklung der Konsumgenossenschaften in den Weg stellen. Auch die ideelle, erziehe­rische Bedeutung der Konsumvereine wurde in der Diskussion ge­würdigt. Nur ein einziger Redner wandte sich gegen die Konsum­genossenschaften, die er vom Standpunkt des Kleingewerbtreibenden aus bekämpfte. In ihrem Schlußwort erkannte die Referentin an, daß es sich gewiß um eine sehr schwierige Frage handle; doch sei es falsch, für die bisherige Passivität der Frauen nur deren Gleichgiltig­feit verantwortlich machen zu wollen. Die Frauen hätten vielmehr unter dem Einfluß der früheren gegnerischen Stellung leitender Kreise zur Genossenschaftsfrage gestanden. Frau Gerhard behauptete, daß vor fünf Jahren, als sie zuerst für die genossenschaftliche Idee ein­trat, sie den heute beifällig aufgenommenen Vortrag nur unter stärkstem Widerspruch hätte halten können. Bei dieser günstigen Wandlung hoffe sie auch für die Zukunft auf ein stärkeres praktisches Interesse für die Konsumgenossenschaft seitens der Frauen.

Notizentheil.

( Don Tily Braun und Klara Betkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Judustrie, des Handels und Verkehrswesens.

Eine prinzipiell wichtige Entscheidung, weibliche Arbeiter und Gesellen betreffend, ist kürzlich von der Berliner   Gewerbe­deputation gefällt worden. Der Inhaber einer Firma hatte gegen

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die Zwangsmitgliedschaft bei einer der Zwangsinnungen eingewendet, er beschäftige gar keine Gesellen, sondern nur weibliches Per­sonal. Diese Auffassung wurde jedoch auf Grund des§ 100 h.der Reichsgewerbeordnung in dem ergangenen Urtheil zurückgewiesen. Hier heißt es: Die Bezeichnung Gesellen und Arbeiter" ist nur im allgemeinen Sinne gebraucht, ohne Unterschied des Geschlechts, lediglich zum Unterschied von ungelernten Arbeitern. Unter dem Begriff Gesellen" sind hiernach alle diejenigen Hilfspersonen zu verstehen, welche technisch vorgebildet sind, eine Lehrzeit zurückgelegt haben und mit technischen Arbeiten des Handwerks beschäftigt werden. Dies trifft aber auch auf das vom Beschwerdeführer beschäftigte weibliche Personal zu, folglich sind beide Voraussetzungen für die Zwangsmitgliedschaft gegeben." Wenn fünftighin nach dem Beispiel der Berliner   Gewerbedeputation in anderen Fällen entschieden würde, wo den Frauen ein Recht unter der Begründung vorenthalten wird, daß der im Gesetz gebrauchte allgemeine Ausdruck sich nur auf die Männer beziehe, so fände manches Stückchen der Frauenfrage seine Lösung. Aber diese Vorurtheilslosigkeit haben die Frauen in Deutsch­ land   am wenigsten zu hoffen. Immerhin ist das gefällte Erkenntniß bedeutsam: es zeigt, daß die Richter vorurtheilslos entscheiden können, dafern sie es nur wollen. An den Frauen ist es nun, das Urtheil auszunutzen und durch stete Agitation zur Macht zu erstarken, welche auch in anderen Fällen eine vorurtheilslose Entscheidung erzwingt. Zahl der belgischen Arbeiterinnen in den gesetzlich ge­schützten Betrieben. Nach den Jahresberichten der belgischen Fabritinspektion für 1898 waren in 8903 inspizirten Betrieben zu­sammen 49134 weibliche Arbeitskräfte beschäftigt und zwar 10761 Mädchen von 12 bis 16 Jahren; 18993 Arbeiterinnen von 16 bis 21 Jahren und 19380 Arbeiterinnen von über 21 Jahren. Die Gesammtzahl der in den revidirten Anlagen verwendeten Arbeitskräfte betrug 235 867, von denen 16939 Knaben im Alter von 12 bis 16 Jahren waren, so daß sich also etwas mehr als 28 Prozent der ein­schlägigen Arbeiterschaft aus billigen, widerstandsunfähigen Elementen

Kindern, jungen Burschen und Mädchen und Frauen refrutiren. Kindliche, jugendliche und weibliche Arbeitskräfte machten in den inspi­zirten Betrieben der Spinnerei 41,99 Prozent der gesammten Arbeiter­schaft aus, in denen der Weberei 23,81 Prozent; in denen der Zündhölzchen­industrie 41,37 Prozent; in den revidirten Anlagen der Passementerie­und Wirfwaarenfabrikation 45,65 Prozent; in denen der Kartonnagen­fabritation 32,56 Prozent; in manchen Zweigen der Glasindustrie 32,24 Prozent. Diese Zahlen sind eine weitere Bestätigung der all­bekannten Thatsache, daß dem Kapitalismus eine große Vorliebe eignet für die sozial schwächsten Arbeitskräfte, weil diese seinem Profitbegehren den geringsten Widerstand entgegenzusetzen vermögen und deshalb billige und willige Arbeitskräfte sind. In Belgien   aber ist die Ausbeutung der Kinder, jungen Leute und Frauen besonders einträglich, weil hier die Arbeiterschutzgesetzgebung noch so armselig ist, daß sogar der Schutz dieser geschütten" Arbeiterkategorien ganz unvollständig ist. In dem Lande, wo Liberalismus und Klerikalismus sich in die Herrschaft getheilt, beziehungsweise abwechselnd regiert haben, entfielen z. B. im Jahre 1898 auf 27955 auch des Nachts beschäftigte Personen 3120 8 Prozent Kinder, jugendliche Arbeiter und Frauen.

Die Zunahme weiblicher Angestellter im deutschen Reichs­post- und Telegraphendienst ist eine beträchtliche und stetige. Im Jahre 1897 zählte man in dem betreffenden Verwaltungsgebiet 7256 weibliche Arbeitskräfte, 1898 dagegen 10247. Dabei sind die weiblichen Angestellten nicht mitgerechnet, welche im württem­bergischen und bayerischen Post- und Telegraphendienst verwendet werden. Bekanntlich ist für die Anstellung weiblicher Arbeitskräfte im Post und Telegraphendienst nicht in erster Linie die Rücksicht maßgebend, dem weiblichen Geschlecht neue und lohnende Berufs­gebiete zu erschließen, vielmehr steht die Verwendung der Frauen im Zeichen der schäbigen Sparpolitit." Die weiblichen Angestellten be­ziehen niedrigere Gehälter und sind, auch sonst schlechter gestellt, als ihre männlichen Kollegen. Genosse Singer trat gelegentlich der Be­rathung des Postetats auch dies Jahr wieder wie früher schon warm und nachdrücklich für höhere Besoldung der Telephonistinnen ein, die während der ersten zwei Jahre nur Tagesgelder von 2 Mt. 25 Pf. erhalten, also mit wahren Spottgehältern abgespeist werden. Der Herr Postgeneral Podbielsti schien diese Besoldung im Hinblick darauf für genügend zu halten, daß die Telephonistinnen nach zwei Jahren etwas mehr gezahlt erhalten. Singer hatte des Weiteren angefragt, ob es richtig sei, daß die Reichspostverwaltung die Bedingungen für die Anstellung der Gehilfinnen verschärfen wolle. Podbielsti erklärte. daß eine diesbezügliche Absicht der Regierung nicht vorhanden sei.

Weibliche Hafenarbeiter in Danzig  . Jm Danziger Hasen werden Frauen zum Laden und Löschen von Schiffen verwendet, neuerdings sogar von Kohlenschiffen, eine Arbeit, die besonders