friedigung ihrer Bildungssehnsucht, für die Antheilnahme am öffent-lichen Leben und am Kampfe für Freiheit und Recht, daß für dieErfüllung ihrer Mutter- und Gattinnenpflichten nur die dürftigenReste ihrer Persönlichkeit übrig bleiben, welche die kapitalistischeAusbeutung nicht zu Perbranchen geruhte oder nicht verbrauchenkonnte? Daß der Arbeiterin ihr Recht auf Organisation durcheinen Wink mit der Hungerpeiische entrissen werden kann?Die vielbesungene persönliche Freiheit bedeutet in der kapita-listischen Ordnung für die Arbeiterin nichts anderes, als die durchdie Roth erzwungene Unterwerfung unter die kapitalistische Aus-beutungsgewalt. Von der sogenannten„freien Erwerbsthätigkeit"der Proletarierin gilt das Wort:„Die Freiheit versklavt, die ge-schliche Bindung macht frei." In der That: indem das Gesetz dieZeit und die Bedingungen regelt, unter denen der Kapitalist dieFrauenarbeit ausbeuten darf, entzieht es der kavitalistischen Machtein Stück Menschenthum der Arbeiterin und giebt ihr einen Theilihrer persönlichen Freiheit, ihres Verfügungsrechts über sich selbstzurück. Im Namen der persönlichen Freiheit der Arbeiterin: Hermit einem wirksamen gesetzlichen Schutz der Frauenarbeit gegen diekapitalistische Profitgier!Im Interesse der Arbeiterfamilie widersetzen sich kapitalistischeWort- und Begriffssalschmünzer des Weiteren einem besseren gesetz-lichen Schutze der Frauenarbeit. Wo bleibt die Rücksicht auf dieArbeiterfamilie, wenn das fühllose Unternehmerthum den Lohn desMannes so schmachvoll tief senkt, daß sein Verdienst den Seinennicht mehr das trockene Brot zu sichern vermag, so daß die Rothdie Rücksicht auf die mütterlichen und häuslichen Pflichten derFrau unter die Füße stampft und diese zum Erwerb treibt,während die Kinder verelenden, das Heim verödet? Wo bleibtdie Rücksicht auf die Arbeiterfamilie, wenn der millionenreicheFabrikant die Arbeiterin mit solch blutigen Hungergroschen abspeist,daß Mann und Frau zusammen nicht die Familie zu erhaltenvermögen, so daß das Kind zartesten Alters Gesundheit, Jugeud«freude, Bildungsmöglichkeit preisgeben muß, um etwas zu ver-dienen? Wo bleibt die Rücksicht auf die Arbeiterfamilie, wenn derwaschecht patriotisch gefärbte Unlernehmerklüngel Böhmen, Polen,Russen und Italiener ins Land ruft— jetzt, wo mit„Deutsch-lands Zukunft" auch der kapitalistische Profit„auf dem Wasserliegt", womöglich auch die Kulis— um durch die Schmutzkon-kuirenz wohlfeilster und gefügigster Arbeitskräfte die Löhne der„theuren Volksgenossen" zu drücken?Wenn irgend eine Forderung im Hinblick auf die Interessender Arbeiterfamilie wirthschaftlich und sittlich gerechtfertigt und unab-weisbare Rothwendigkeit ist, so ist es die Forderung vermehrtengesetzlichen Arbeiterinnenschutzes. Nur ein solcher Schutz verleihtder jungen Arbeiterin die Muße, sich auf ihre Familienpflichtenvorzubereiten, der Familienmutter die Zeit, sich ihren häuslichenAufgaben zu widmen. Er zwingt das Kapital zur Sparsamkeitmit der Gesundheit und Kraft der Arbeiterinnen und giebt in derFolge der proletarischen Familie körperlich rüstigere, geistig frischere,leistungsfähigere Mütter und Töchter zurück. Er schafft durchseine praktischen Vortheile die Grundlage dafür, daß wenigstens inetlichen Stunden des Tages ein geordnetes, liebevolles, anregendesFamilienleben emporblüht, das die einzelnen Glieder der prole-tarischen Hausgemeinschaft mit sittlich tragender Kraft umfängt,das insbesondere dem Kinde eine treusorgende Pflegerin und Er-zieherin zur Seite stellt. Der materielle und sitttliche Gewinnaber, der dadurch für die Arbeiterfamilie entsteht, fällt weit schwererins Gewicht als eine kleine Lohnverkürzung, welche unter Umständenvorübergehend die Folge eines weitreichenden gesetzlichen Arbeiterinnen-schutzes sein kann. Auf die Dauer und im Allgemeinen hat dieArbeiterfamilie von diesem Schutze keineswegs eine Verschlechterungihrer wirthschastlichen Lage zu befürchten, vielmehr nur eine Hebungderselben zu hoffen. Die Wissenschaft und die Erfahrung habenbewiesen, daß überall lange, ungeregelte Arbeitszeit, ungünstigeArbeitsbedingungen Hand in Hand gehen mit niedrigem Verdienst,daß dagegen eine kurze, geregelte Arbeitszeit und menschenwürdigeZustände in Fabriken und Werkstätten stets zusammenfallen mithohem Lohn. Der ausgedehnte gesetzliche Arbeiterinnenschutz, derdem rücksichtslosen Walten der kapitalistischen Ausbeutung gewisseSchranken zieht, die Bedingungen verbessert und festlegt, unter denendie Lohnsklavin ihre Arbeitskraft verkauft, führt zu einer besserenEntlohnung der Frauenarbeit, beeinflußt dadurch günstig den Ver-dienst des Mannes und schlägt auch mit Rücksicht auf das Ein-kommen zum Wohle der Arbeiterfamilie aus. Im Interesse derArbeiterfamilie mithin: Her mit einem weitreichenden gesetzlichenArbeiterinnenschutz!Als Fastnachtsflitter erweisen sich vor der Wirklichkeit dieRedensarten von der Rücksicht auf die persönliche Freiheit derArbeiterin, auf die Interessen ihrer Familie, welche Schoßkinderund Vertheidiger der kapitalistischen Ordnung der Forderung desgesetzlichen Arbeiterinnenschutzes entgegenstellen. Als Fastnachts-flitter, deren Zweck es ist, den Ausgebeuteten und Begehrenden denAnblick des goldenen Kalbes zu verhüllen, dem die proletarischeFrau und mit ihr der proletarische Nachwuchs geopfert werdensoll. Die Arbeiterinnen und Arbeiter stellen dem Flittergold heuch-lerischer Flausen die Wucht nackter Thatsacheu entgegen. Aus ihremWissen von der Nothwendigkeit des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzeserwächst ihnen der Wille, die nöthigen Reformen zu erkämpfen.Wesen und Entwicklung der Konsumgenossenschaft.Vortrag von Adele Gerhard.Sehalten im verein für ßrüuen und Mädchen der Arbeiterklasse zu Berlin.Verehrte Anwesende! Ihrem Wunsche, Ihnen das Wesen derKonsumgenossenschaften darzulegen, sowie ihre bisherige geschichtlicheEntwicklung, bin ich gern gefolgt. Und zwar deshalb besondersgern, weil meines Erachtens ein naturgemäßer, enger Zusammen-hang zwischen der Frau, die für die täglichen Bedürfnisse des Haus-Halts, für den Konsum zu sorgen hat, besteht, und zwischen den-jenigen wirthschastlichen und sozialen Gebilden, von denen ich Ihnenheute sprechen will, den Konsumgenossenschaften. Die Frau alsKonsumentin hat aus materiellen wie ideellen Gründen das Rechtund die Pflicht, sich auch ihrer Macht als Konsumentin bewußt zuwerden, sich klar zu werden, wie sie diese Macht sowohl in zweck-mäßiger Weise für die nächsten praktischen Erfordernisse ihres eigenen� Haushalts, ihrer eigenen Familie verwendet, als auch sie von größerenGesichtspunkten aus nutzbar machen kann zu weitgehender Zukunsts-bedeutung.Verehrte Anwesende! Die Natur Ihres Vereins macht esmir unmöglich, von meinem politischen Standpunkt aus die Frageder Konsumgenossenschaften zu erörtern. Ich muß mich darauf be-schränken, Ihnen an der Hand der Geschichte die wirthschaftlicheBedeutung der Konsumgenossenschaft darzulegen, wie auch den Werth,den sie für ein Heranreisen der Arbeiterklasse zur selbständigenVerwaltung ihrer Angelegenheiten hat. Dieser letzte Punkt betreffsder Genossenschaft war es, den die Resolution des letzten sozial-demokratischen Parteitags besonders betonte, der sich im Uebrigen,wie Ihnen wohl bekannt, zur Gründung von Konsumgenossenschaftenneutral stellte.Ich möchte nun, ehe ich auf die geschichtliche Entwicklung derKonsumgenossenschaften eingehe, den spezifischen Charakter der Konsum-genossenschast näher erläutern, sie scharf abgrenzen gegen anderegenossenschaftliche Gebilde.»Unter der Fülle der wirthschastlichenGenossenschaften lassen sich in prinzipieller Hinsicht die Konsum-genossenschast und die Produktivgenossenschaft als wichtigste, voneinander streng zu scheidende Grundformen betrachten. Der Unter-schied zwischen beiden liegt nicht etwa darin, daß die Produktiv-genossenschast der Produktion, die Konsumgenossenschaft etwa nurdem Konsum dient. Sie werden vielmehr später bei der geschicht-lichen Betrachtung sehen, daß die Konsumgenossenschaften sehr oftmit einem Produktionszweig beginnen, wie uns die belgischen Ko-'operationen zeigen, wie die Geschichte der vorowenschen Bäckerei- undMüllereigenossenschaften lehrt. Auch die Konsumgenossenschast kannalso sehr wohl der Produktion dienen, ja sogar hiermit ihren Anfangnehmen. Das unterscheidende und entscheidende Merkmal liegt viel-mehr darin, daß die Produktivgenossenschaft eine Vereinigung derProduzenten, die Konsumgenossenschaft eine Verbindung vonKonsumenten darstellt. Es wäre mir lieb, wenn Sie diesen Punktbesonders im Auge behielten, um Mißverständnissen in der Diskussionvorzubeugen. Bei der Produktivgenossenschasl liegt die Leitung einesUnternehmens in den Händen der Produzenten, einer naturgemäßbeschränkten Anzahl von Personen, denen allein auch der Nutzendes Unternehmens zufließt. Sie können sich dies vergegenwärtigen,wenn Sie sich eine Produktivgenossenschaft der Hutmacher oder derZigarrenmacher vorstellen. An Leitung und Gewinn haben hierimmer nur eine sehr begrenzte Anzahl von Personen Antheil.