versprachen, ihren Einfluß zu Gunsten der Sozialdemokratie aufzu­bieten. Am 22. Februar sprach Genossin Zietz noch in einer Ge­werkschaftsversammlung in Niederndodeleben   bei Magdeburg  . Ueber 500 Landarbeiter und Arbeiterinnen hatten sich eingefunden, zum Theil aus umliegenden Orten, sogar aus Oschersleben  . Der proletarische Klassenkampft" lautete das Thema, dem die Anwesenden mit großer Aufmerksamkeit folgten. Die Mienen und das beifällige Kopfnicken der Besucher, sowie der Beifall bezeugten, daß das Gesagte ihnen aus dem Herzen gesprochen war. Nach dem Referat wurden 78 Personen der verschiedenen Organisationen als Mitglieder zu­geführt. L. Z.

In der Umgegend von Gießen   hielt Genossin Tröger- Offen­bach Anfang Februar eine Reihe von Agitationsversammlungen ab, die vor Allem die gewerkschaftliche Organisation der Tabakarbeiter und Arbeiterinnen und die der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen fördern sollten. Die trefflichen leicht verständlichen Ausführungen der Referentin wurden überall mit Beifall aufge= nommen. Mehr noch als das Händeklatschen bewies ein anderer Umstand, daß dieselben gefruchtet hatten: den Organisationen wurden neue Mitglieder gewonnen. In Heuchelheim   schlossen sich z. B. dem Verband der Tabafarbeiter 20 Arbeiterinnen an, der nämlichen Gewerkschaft traten in Wieseck   15, in Alten- Buseck   14 Mitglieder bei. Der erzielte Erfolg ist ein Ansporn zu weiterer energischer Agitation.

"

Die Porzellanmaler zu Berlin   hatten zum Zwecke der Agitation unter den Arbeiterinnen Anfang Februar eine Versammlung in ihrem Vereinslokal einberufen, in der Genossin Ihrer über das Thema: Arbeiterinnenschutz und Gewerkschaften" sprach. Leider wohnten der Versammlung nur wenige Arbeiterinnen bei, da die Agitation unter ihnen eine sehr schwierige ist und zwar hauptsächlich in Folge der erbärmlichen Arbeitsverhältnisse, über welche wir an anderer Stelle berichten. E. J.

"

Die Abschaffung der Ziffer 6,§ 361 des Reichsstraf­gesetzbuchs fordert im Namen zahlreicher Frauen Berlins   und der Umgegend die Vertrauensperson der Genossinnen in einer Eingabe an den Reichstag  . Der betreffende Passus des deutschen   Straf­gesetzbuchs lautet: Mit Haft wird bestraft eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterſtellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Ge­sundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstands er­lassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt." Die Begründung der Forderung betont den gegen das weibliche Ge­schlecht gekehrten, ausnahmegesetzlichen Charakter der Bestimmung und nimmt Bezug auf die schreienden Mißstände, welche sie im Gefolge hat. Wir werden den Wortlaut der Eingabe in der nächsten Nummer mittheilen.

Notizentheil.

( Von Tily Braun und Klara Betkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Jndustrie, des Handels und Verkehrswesens.

Frauen im Dienste der amerikanischen   Regierung. Im amerikanischen   Regierungsdienst werden Frauen schon seit etwa hundert Jahren beschäftigt, doch kam dies bis zum Bürgerkrieg nur in vereinzelten Fällen vor. Während des Bürgerkriegs wurde eine Anzahl Frauen in den verschiedenen Abtheilungen der Regierung an­gestellt. Die Neuerung wird darauf zurückgeführt, daß man wegen des starken Verbrauchs von Männern für den Felddienst nicht genug männliche Beamte bekommen konnte, und daß man den Witwen und Waisen gefallener Soldaten eine Existenz verschaffen wollte, was man für patriotische Pflicht hielt. Fürs Erste verwendete man die Frauen zu den leichtesten Diensten, z. B. zum Kopiren von Doku­menten, Abschneiden von Coupons der Bonds, zum Zählen von Bank­noten, Geld u. s. w. Das Jahresgehalt der Frauen betrug etwa 480 Dollars, nur wenige erhielten bis zu 600 Dollars.

In größerer Anzahl wurden Frauen anfangs der sechziger Jahre zuerst im Hauptpostamt zu Washington   angestellt. Der damalige Vize- Postdirektor Zeverly scheint die Leistungsfähigkeit der Frau gegenüber der des Mannes gerade auf die Hälfte taxirt zu haben. Wenn z. B. ein Posten vakant wurde, der mit einem Gehalt von 1200 Dollars verbunden war, stellte er statt eines Mannes wie bisher zwei Frauen an und besoldete jede mit 600 Dollars. Die Frauen wurden zuerst in jenem Bureau verwendet, in welchem un­bestellbare Briefe geöffnet wurden. Das Deffnen und Durchsehen von 125 solchen Briefen galt damals als gute Tagesleistung eines

46

Mannes. Zur Ueberraschung der höheren Beamten brachten aber die Frauen die durchschnittliche Zahl der geöffneten Briefe auf 250 pro Tag, so daß, wie es heißt, Mr. Zeverly den männlichen Be amten der betreffenden Abtheilung die Weisung zukommen ließ, mindestens ebenso viel Arbeit zu liefern oder ihrer Entlassung ge­wärtig zu sein.

Die erste größere Anstellung von Frauen in den Regierungs­bureaus fand starke Opposition. Zuerst führte man das Argument der Unschicklichkeit" ins Feld. Ferner wurden solche Anstellungen als ungesetzlich bekämpft, da das Wort Clerk"( Angestellter) gesetz­lich nur für männliche" Beamte ausgelegt werden könne. Es er­folgte ein Appell an den Kongreß( die höchste gesetzgebende Gewalt), der damals die Frage so löste, daß er zwar weibliche Clerks anerkannte, aber das Arbeitsquantum für männliche und weibliche Beamte speziell bestimmte oder richtiger gesagt die Gehälter der Frauen niedriger ansetzte wie die der Männer.

Der Kampf, die Frauen gänzlich aus den Aemtern zu vertreiben, hielt aber an, wie von anderer Seite der Kampf, ihnen für dieselbe Arbeitsmenge dieselbe Bezahlung wie den Männern zu sichern. Manche Volksvertreter z. B. befürworteten die Anstellung von Frauen im Interesse der Sparsamkeit; andere opponirten solchen Anstellungen, weil dadurch die Frauen ihrem natürlichen Wirkungskreis entrissen würden. Andere wieder führten den Kampf für die Verwendung der Frau im Staatsdienst im Namen von Recht und Gerechtigkeit. Nach langen und heftigen Debatten setzte der Kongreß gegen Ende der sechziger Jahre das Maximalgehalt der weiblichen Beamten auf 900 Dollars pro Jahr fest. 1870 standen sich die Befürworter und Gegner der Anstellung von Frauen wieder kampfbereit gegenüber. Das Resultat des Kampfes war ein Gesetz, durch welches den Vor­stehern der verschiedenen Regierungs- Departements freigestellt wurde, für irgendwelche Beamtenposten Frauen anzustellen, wenn diese die nöthigen Fähigkeiten dafür besitzen. Weiter bestimmte das Gesetz, daß das Gehalt dasselbe bleiben soll, ob nun den Posten ein Mann oder eine Frau ausfüllt. 1898 waren vierzig Prozent aller An­gestellten in den Regierungs- Departements in Washington   Frauen. Während früher die Frauen fast ausschließlich leichtere Arbeiten zu= gewiesen erhielten, macht man jetzt bei Zuweisung von Arbeit über­haupt keinen Unterschied mehr. In den letzten paar Jahren hat man Frauen sogar an die Spitze von Unterabtheilungen gestellt, und dieselben werden ganz zur Zufriedenheit der Departementschefs ge­leitet. Es wird behauptet, daß, während die Zahl der Beamten seit den letzten fünf Jahren numerisch dieselbe blieb, heute doch fast drei­mal so viel Arbeit geleistet wird wie damals. Von den 70000 Post­ämtern in den Vereinigten Staaten   befinden sich etwa 7000, oder zehn Prozent, in den Händen von Frauen. Doch ist hierbei zu be= merken, daß dies meist kleinere Postämter sind. Von den 650 großen Postämtern sind nur fünf, oder etwa ein Prozent, von Frauen ge­leitet. Dies wird dadurch erklärt, daß die Männer Dank ihres politischen Einflusses und der in Amerika   herrschenden Korruption sich die bestbezahlten Stellen sichern. Die amerikanischen   Frauen­rechtlerinnen verweisen auf diesen Umstand als einen Grund dafür, daß dem weiblichen Geschlecht das Wahlrecht zuerkannt werden müsse. Sie sind überzeugt, daß die Frauen dieses Recht nur zur Vertheidigung ihrer Interessen anwenden, aber keinesfalls dem Beispiele der Männer folgend zu Korruptionszwecken mißbrauchen würden.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Die Arbeitsbedingungen der in der Porzellanmalerei beschäftigten weiblichen Arbeitskräfte sprechen recht eindringlich für die Nothwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation und für die Nothwendigkeit eines kräftigen gesetzlichen Schutzes. Größten­theils ist die Arbeit der Porzellanmalerei Hausindustrie und wird vielfach von den Damen der besseren Stände" für ein Taschengeld ausgeführt. Die Folgen davon sind über Hand nehmende Arbeits­losigkeit der Porzellanmaler und immer geringer werdende Löhne. Die in den Fabriken arbeitenden Frauen und Mädchen verdienen 6 bis 8 Mart pro Woche; bei Akkordlohn   erhalten die weiblichen Arbeiter höchstens 2/3 von dem, was dem männlichen Arbeiter für dieselbe Arbeit bezahlt wird. Die nöthigen Pinsel, Spachtel, sowie die zur Abendarbeit erforderliche Lampe müssen sich die Arbeitskräfte fast überall selbst beschaffen; bei einigen Firmen müssen auch Farben, Gold und Anlegeöl von den Arbeitenden gekauft werden und zwar beim Arbeitgeber. Die Ausgaben für das Arbeitsmaterial betragen für die Arbeiterin pro Woche 70 bis 80 Pf. Eine Arbeiterin, die beim Auftragen von Farben und Gold weniger geschickt verfährt oder mangelhaftes Material zu verarbeiten hat, muß jedoch weit höhere Ausgaben für Material machen, ja in vereinzelten Fällen kann es vorkommen, daß der Verdienst ganz dafür aufgerechnet wird. Die