Bur Maifeier.

Maifeier, Fest der Hoffnung, des zielflaren Wollens, des Kampfesgelöbnisses der erwachenden proletarischen Massen, welche von heißer Sehnsucht nach freiem, edlem Menschenthum durch­zittert eine neue soziale Ordnung der Kultur für alle aufbauen wollen: Willkommen! Kaum daß deine Vorboten, die eisbrechen­den, Forst und Wiese reinfegenden Frühlingsstürme enteilt, nahst Du im Kranze zartsprossender Blätter, schwellender, fruchtver­heißender Knospen, ein Symbol des geschichtlichen Werdens, Wach­sens und Reifens. Nicht die Furcht Unwissender, die vor dem Walten übernatürlicher Mächte zittern, hat dich geboren.&& schuf dich nicht die Hoffnungsbedürftigkeit Verzweifelnder, die nach dem Strohhalm des Glaubens an eine überirdische ausgleichende Gerechtigkeit fassen. Nicht die Machtbegier Ausbeutender und Herrschender, die ewig im Genuß bleiben möchten, hat dich der ausgebeuteten und beherrschten Menge aufgezwungen. Die freie Entschließung Wissender, Wollender und Kämpfender hat dich gesetzt, einen Merkstein , der erzählt, wie lang die dornenreiche Strecke ist, welche die Arbeiterklasse bereits auf ihrem Zuge aus dem Aegypten­land ihrer kapitalistischen Knechtschaft zurückgelegt hat; einen Merk­ stein , der meldet, in welcher Richtung und welchem Ziele zu fie vorwärts strebt.

Willkommen Maifeier, die du uns eine Botschaft kündest, gewaltiger und verheißungsreicher als die von der Menschwerdung eines Gottes: die Botschaft von dem ewig glimmenden prome­theusschen Funken des Menschenthums im Menschen, die Botschaft von der sittlichen Wiedergeburt des Proletariats, das sein eigener Heiland sein will. Bist du nicht der machtvolle Protest der Lohn­sklaven gegen die Verknechtung und Ertödtung des empfindenden, denkenden, strebenden Menschen in ihnen durch den todten Befiz, gegen seine Herabwürdigung noch unter das Arbeitsthier zur bloßen Arbeitsmaschine? Bist du nicht die hoffnungsfrohe, zielflare Be­fräftigung ihres Willens, den Achtstundentag, all jene sozialen Reformen zu erringen, welche den sozial Schwachen die Kraft stärken müssen, auf daß sie die soziale Revolution zu vollziehen vermögen, welche zusammen mit der Freiheit der Arbeit die Frei­heit alles dessen bringt, was Menschenantlig trägt? So zeugst du von dem neuen geschichtlichen Leben, das kraftstroßend, kern­gesund in den Massen Derer pulsirt, die unter des Kapitals lastender Klassenherrschaft noch Unfreie und Kulturberaubte, aber schon Freiheitskämpfer und Kulturheischende sind. Maifeier, Kampfesthat und Kampfesruf des brüderlich geeinten Weltproletariats, das von einer Klassennoth in einer Erkenntniß, einem Willen zu der einen revolutionären Macht zusammengeschweißt wird, die allein die Herrschaft des Kapitals zu zertrümmern, das Reich der Frei­heit zu gründen vermag: Willkommen!

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gefehrt, sie hat ihnen neue, schwerere Plagen aufgebürdet. Die proletarische Frau ward in ungezählten Fällen zur Lohnsflavin, die in Werkstatt und Fabrik oder bei der traurigen Heimarbeit fremden Reichthum frohnden muß. Gleichzeitig aber blieb sie die Haussklavin, der in der Familie und für die Familie eine Menge wirthschaftlicher Verpflichtungen obliegen, von ihren sittlichen Auf­gaben daselbst zu schweigen. Die eigene Noth wie die Profitgier des Unternehmerthums duldet nicht, daß sie das Schaffen für den Broterwerb hintenansezt. Die Pflichten gegen Mann und Kinder will sie nicht vernachlässigen. So läutet ihr die Fabrikglocke nicht zum Feierabend, fie ruft sie zu anderen Arbeitslasten, die sie nicht nach dem Beispiel der reichen Mitschwestern" auf bezahlte Mieths­personen abzuwälzen vermag. Ihr Arbeitstag hat keine Grenzen, er dehnt sich über den Abend bis tief in die Nacht hinein aus, oft, sehr oft reicht er bis zum dämmernden Morgen. Den zwie­fachen Pflichten sucht sie zu genügen auf Kosten ihrer Nachtruhe, ihrer Gesundheit und Lebenskraft.

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Der Schweizer Fabrikinspektor Dr. Schuler hat schon vor Jahren den ziffernmäßigen Nachweis erbracht, daß auf die Fabrik­arbeiterinnen seines Landes mehr Fälle von Erkrankungen, eine größere Zahl von Krankentagen und eine höhere Sterblichkeit pro Jahr entfallen, als auf die Fabrikarbeiter. Auch in anderen Län­dern, wo die Proletarierin im kapitalistischen Joch robottet, zeigt sich die nämliche Erscheinung. Das lehren die Berichte der Kranken­tassen, das bestätigen die Beobachtungen der Aerzte und Hygi enifer. Gewiß, die Thatsache erklärt sich zum Theil dadurch, daß der weibliche Organismus in höherem Grade als der Körper des Mannes für die schädigenden Einflüsse der heutigen, kapitalistisch ausgebeuteten Industriearbeit empfänglich ist. Aber zum anderen Theil wird sie dadurch bedingt, daß die Kräfte der Frau nach zwei Seiten hin in Anspruch genommen werden, daß die Berufs­arbeiterin auch die ledige für häusliche Verrichtungen Stunden aufwenden muß, die der Mann der Erholung und Ruhe zu widmen bermag.

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Bei dieser Sachlage ist der Achtstundentag für die Prole­tarierin von besonderer Bedeutung. Er verkürzt beträchtlich die Zeit, während der sie bei ihrer Berufsthätigkeit gesundheits­schädigenden Einflüssen ausgesetzt ist. Er giebt ihr die Möglichkeit, ihre Pflichten als Gattin und Mutter zu erfüllen, ohne daß sie mit übermenschlicher Willensenergie die letzten Fünfchen ihrer Kraft aus sich herauspressen muß. So bedeutet er für sie in noch höherem Maße als für den Mann eine Ersparniß an ihrem ein­zigen Kapital, der Gesundheit, der Lebenskraft.

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Mag heutigen Tages die dem Kapital zinsende Proletarierin auch ihre Kraft bis aufs Aeußerste anspannen, mag sie Nacht­ruhe und Sonntagsrast dem Scheuern, Flicken, Waschen 2c. opfern, um der Familie ein trauliches Heim zu bereiten, mag sie sich alle Mühe geben, um dem Manne eine verständnißvolle Gefährtin, den Kindern eine liebreiche, fürsorgliche Mutter zu sein: meist wird sie für die Familie nicht zu leisten vermögen, was sie für sie leisten

Warum fordern die Proletarierinnen den sollte und von Herzen gern leisten möchte. Das Kapital giebt

Achtstundentag?

Mit jeder Maifeier mehrt sich die Zahl der proletarischen Frauen und Mädchen, welche willensklar und willensstark der kapitalistischen Welt die Kampfesforderung entgegenrufen: Her mit dem Achtstundentag! Kein Wunder das. Die Forderung des Achtstundentags ist mehr wie jede andere Reformlosung dazu an­gethan, die proletarischen Frauen in Bewegung zu bringen, ihre Sympathie zu gewinnen, ihr Klassenbewußtsein zu wecken, sie als tapfere Mitstreiterinnen dem Kampfe ihrer Klasse für Menschen­recht gegen Kapitalsgewalt zuzuführen. Denn so unabweisbar auch die Lage des gesammten Proletariats den Achtstundentag fordert die große Stärkung für den Kampf um seine volle Befreiung so hat doch keine Schichte der Ausgebeuteten und Beherrschten ein so unmittelbares, zwingendes Interesse an der geheischten Verkürzung der Arbeitszeit, als gerade die Prole­tarierinnen.

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Die moderne Produktionsweise hat das frühere wirthschaft­liche Thätigkeitsgebiet der Frau im Hause zerstört. Die Prole­tarierinnen hat sie damit nicht von Arbeitsmühen entlastet. Um­

die Frau erst dann der Familie zurück, wenn es den größten Theil ihrer Zeit, den besten Theil ihrer Kraft aufgesaugt und in blinkenden Profit verwandelt hat. Die Folgen hiervon schreien zum Himmel in Gestalt der erschreckend hohen Sterblichkeit der Proletarierkinder zarten Alters, des Siechthums und der Schwäch­lichkeit des überlebenden Nachwuchses, der großen Zahl von Un­glücksfällen unbeaufsichtigter Kleinen, der raschen Zunahme der jugendlichen Verbrecher.

Der Achtstundentag wirkt diesen furchtbaren Erscheinungen ent­gegen. Dadurch, daß er der Proletarierin etliche Stunden freier Zeit, größere törperliche und geistige Frische bringt, ermöglicht er ihr höhere Pflichtleistungen als Gattin und Mutter. Zugleich giebt er ihr ein Stück von den Freuden des Familienlebens zurück, die ihr das Kapital gegenwärtig fast vollständig raubt.

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Neue, schwerwiegende Aufgaben hat das moderne Wirthschafts­leben für die Proletarierin gezeitigt. Es hat sie hineingeschleudert in die wirthschaftlichen und politischen Kämpfe unserer Tage. Sie muß sich dem ausbeutenden Kapital gegenüber ihrer Haut wehren, ihre Lebensinteressen gegen seinen Werwolfsappetit nach Profit ver­theidigen. Das kann sie nur thun, wenn sie Theil nimmt an dem