Arbeiterinnen bedürfen am allernothwendigsten eines wirksamen Ar­beiterschutzes. So lange in dieser Domäne der schlimmsten Ausbeutung nicht durch die Gesetzgebung Wandel geschafft wird, ist auch an eine wirksame Selbsthilfe der Ausgebeuteten durch die Macht der Organi­sation nicht zu denken. Das entsetzliche Elend hat ihre Widerstands­fraft meist total gebrochen, ihre Jsolirtheit verhindert das Sichaus­sprechen, Berathen, Zusammenschließen. Und wenn sie doch einmal emporgerüttelt werden, erschrecken sie vor der großen Zahl ihrer Kon­kurrenten, die in dem Maße zunehmen, als dem Unternehmer die winzigen Arbeiterschutzbestimmungen für den Fabrikbetrieb unbequem werden, und er sich derselben durch Beschäftigung von Heimarbeitern entzieht. Deshalb her mit dem Arbeiterschutz für die Hausindustrie und Heimarbeit.

Die Bewegung der Berliner   Plätterinnen und Wäscherinnen.

Die alte Waschfrau", die trotz weißer Haare gesund und zu­frieden am Waschfaß steht, ist in Poesie und Prosa von den bürger­lichen Sängern der Genügsamkeit" oft genug als Verkörperung dieser Tugend gepriesen worden, die den Habenichtsen dringend anempfohlen wird, weil sie den Besitzenden so bequem und einträglich ist. Die ,, junge Blätterin" und das Waschmädchen" aber wurden und werden gefeiert als reizende, billige Liebchen flotter, lebenslustiger Bürger­söhne, denen die frischen, sauberen Proletarierinnen zur Kurzweil eines Verhältnisses" gerade gut genug dünken.

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Wie wenig stimmen die thatsächlichen Lebensverhältnisse der Wäscherinnen und Plätterinnen zu dem Bilde von der alten, aber noch rüstigen Frau, die zufrieden und heiter bei freudig gethaner Ar­beit ihrem Ende entgegensieht. Wie wenig stimmen die thatsächlichen Verhältnisse zu dem Bild von dem jungen, rothwangigen, über­müthigen Ding, das unter Lachen und Scherzen fast, wie zum Spiel, am Plättbrett oder am Waschsaß steht. Die alte Waschfrau" ist in der Regel ein von Rheumatismus  , Krampfadern, Hals- und Lungenleiden geplagtes Weib, und den jungen Plätterinnen und Wäscherinnen" sind nur zu oft die Kennzeichen der Blutarmuth, Bleichsucht und Tuberkulose ins Antlitz geprägt. Schwere Sorgen um des Lebens Nothdurft beladen die Einen wie die Anderen. Bei harter Frohnarbeit, die oft in halbdunklen Kellerräumen und Hinter­häusern von Früh bis Abends bei künstlichem Licht verrichtet werden muß, inmitten von ungesundem Dampf und Brodem, in einer über­higten Atmosphäre, die von den Ausdünstungen der feuchten Wäsche geschwängert ist; bei niedrigen Löhnen, die kaum zur Fristung der armseligen Existenz ausreichen: geht Frische, Gesundheit und Frohsinn bald zum Teufel, und Genügsamkeit und Zufriedenheit wären unter solchen Umständen keine Tugenden, sondern verhängnißvolle Laster.

Bettina von Arnim  .

Herr von Goethe hatte am 23. April 1807 einen seltsamen Besuch. Ein junges dreiundzwanzigjähriges Wesen, halb Weib halb Kind, durch ein Billet Wielands empfohlen, dem Alten von Weimar aber schon längst bekannt aus den Mittheilungen seiner Mutter, der Frau Rath, auch Mutter Aja genannt im Freundeskreis ihres genialen Sohnes, fißt auf einem Sopha vor dem Alten". Der erzählt ihr dies und das, auch vom Tode der Herzogin Amalia  , von dem sie, seine Besucherin, wohl in den Zeitungen gelesen habe. ,, Ach, ich lese die Zeitungen nicht!"- So! Ich habe ge= glaubt, alles interessire Sie, was in Weimar   vorgehe!"", Nein, nichts interessirt mich als nur Sie, und da bin ich viel zu unge­duldig, in den Zeitungen zu blättern."-" Sie sind ein freundlich Kind."" Lange Pause. Da springt sie vom Sopha auf Da springt sie vom Sopha auf

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und fliegt ihm an den Hals.

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Katharina Elisabeth  ( daher Bettina  ) Ludovika Magdalena Brentano ist geboren am 4. April 1785 zu Frankfurt am Main  in dem Kauf und Handelshause, das goldener Kopf genannt worden war von seinem Begründer Pietro Antonio Brentano   und in der Sandgasse noch heute vorhanden ist.

Mit zweien ihrer Schwestern lebte sie vier Jahre bis 1798 in der Klosterpension zu Frizlar, dann abwechselnd wieder in Frankfurt   und Offenbach   bei ihrer Großmutter Sophie von Laroche  , die mit Wieland, Herder, Goethe und den meisten anderen Geistes­größen der Zeit Verbindungen hatte. Mit den jüngeren dichterischen Talenten verband sie ihr Bruder Klemens Brentano   und Karoline von Günderode  .

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Wer die Arbeitsbedingungen der Plätterinnen und Wäscherinnen fennt, wer da weiß, wie schwer ihre Arbeit ist, wie höchst gesund­heitsschädlich die Umstände, unter denen sie meist verrichtet wird, wie lange ihr Arbeitstag, der sich oft zur Arbeitsnacht ausdehnt, wie färglich ihr Lohn, der muß es deshalb mit aufrichtiger Freude be­grüßen, daß die Berliner   Plätterinnen und Wäscherinnen in eine Bewegung für bessere Arbeitsbedingungen eingetreten sind.

Der erste Mahnruf zum Streben nach einer Hebung der Lage ertönte aus Charlottenburg  . Die Gleichheit" brachte den Bericht über jene Versammlung der Plätterinnen, welche glänzend verlief und zur Gründung eines lokalen Vereins führte, der sich erfreulich weiter ent­wickelt. Dem Beispiel der kleinen Schwesterstadt ist Berlin   gefolgt. Der sehr tüchtige und thatkräftige Leiter des Vereins der Wäsche- und Kra­vattenbranche" rief die nahe verwandten Gewerbe der Plätterinnen und Wäscherinnen zur gewerkschaftlichen Arbeit auf. Und die Gerufenen tamen. In hellen Haufen eilten sie herbei, als hätten sie nur des erlösenden Wortes geharrt, das sie aus ihrer Vereinzelung rufen, in die allgemeine Bewegung der kämpfenden Arbeiterklasse einreihen sollte. Plötzlich wurde es den Plätterinnen und Wäscherinnen be­wußt, daß es ihr eigenes Wohl und Wehe sei, um das es sich handle. Daß sie so spät zu dieser Erkenntniß erwachten, ist nicht wunderbar. Greifen ja häufig auch die besser für den Kampf gerüsteten Männer nicht eher zu dem Mittel der Selbstvertheidigung, der Koalition, als bis ihnen die äußerste Noth die Waffe in die Hand drückt. Wie viel schwerer noch fällt der erste Schritt den Frauen, den geduldigen Seelen, welche meinen, daß eine Last, die ohne Murren so lange ge­schleppt wurde, auch weiter getragen werden wüsse.

Eine zweite Anregung zu einer Bewegung für bessere Arbeits­bedingungen fand, nachdem die dumpfe Ergebung erschüttert worden war, guten Boden. Die zunehmende Preissteigerung im neuen Jahre, namentlich für Kohlen und Koats, veranlaßte die Inhaber der Plätt­stuben, einen neuen, höheren Tarif zu vereinbaren, der zu Pfingsten veröffentlicht wurde und seitdem im Kundenverkehr gilt. Nun wollte es den Plätterinnen nicht in den Kopf, daß nur die Meister für die Preissteigerung schadlos gehalten werden sollten und nicht auch sie, die doch jeden Pfennig Mehrausgabe so schwer empfinden.

In einer sehr gut besuchten und gutgestimmten Versammlung der Neuplätterinnen wurde die Sachlage erörtert und der Beschluß gefaßt, eine Versammlung der Altplätterinnen( so genannt, weil sie alte, d. h. gebrauchte Wäsche plätten, im Gegensatz zu den Neuplät­terinnen, welche für die Wäschefabriken arbeiten) einzuberufen. Daß für die Versammlung einer der größten Säle Berlins   gewählt wurde, erschien als Wagniß, da die Plätterinnen bis dahin jeder Organisation entbehrten. Erfreulicherweise erwies sich der Saal nur eben groß genug, um die Menge derer zu fassen, welche herbeieilten, um ihre eigene Versammlung zu besuchen, ihre eigenen Beschwerden vor­gebracht zu hören. Man sah es Vielen an, man hörte es aus

Als diese lettere, ihre Herzensfreundin, sich in Folge einer unglücklichen Liebesgeschichte 1806 erdolcht hatte, suchte Bettina Goethes Mutter auf, schloß mit dieser innige Freundschaft und errichtete, wie der jüngeren Freundin, auch dieser in ihren Schriften das herrlichste Denkmal und das echte Charakterbild dieser wunders baren Frau.

Im März 1811 vermählte sich Bettina   mit Achim von Arnim  , dem Freunde ihres Bruders Klemens, und ebenso wie dieser der romantischen Dichtergruppe angehörig.

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Gemeinlich verbindet man mit den Worten romantisch" und Romantik" die Vorstellung von reaktionär- katholischem Wesen: das ist bei Bettina   und ihrem Gatten Achim von Arnim   durchaus nicht der Fall. Der letztere war glühend begeistert für Deutschlands   Erhebung und Einigung, trat dafür in Kleists Abendblättern", im Rhei­nischen Merkur" von Görres und in dem von ihm selbst geleiteten ,, Preußischen Correspondenten" warm ein, wodurch er sich den Ein­tritt in den preußischen Staatsdienst verschloß, so lange Hardenberg die Geschäfte leitete. Beim Ausbruch des Freiheitskriegs" trat er in den Berliner   Landsturm ein, dessen spätere Aufhebung er dem König gegenüber freimüthig als verfehlte Maßregel tadelte; 1817 begrüßte er die Jubelfeier der Reformation mit einer lite­rarischen Gabe( Predigten des Mathesius).

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Vier

Zwanzig Jahre lebte Bettina   mit Arnim in glücklicher Ehe in Berlin   und auf dem Landgut zu Wiechersdorf. Söhnen und drei Töchtern hat sie das Leben geschenkt. Am 21. Januar 1831 verlor sie ihren Gatten durch einen schnellen sanften Tod. 1832 starb auch ihr Abgott Goethe, dem fie wesentlich geholfen hatte bei Abfassung seiner Selbstbiographie