sätzlicher Gegner der Heranziehung von Frauen zur Gewerbeaufsicht. Er befürwortet die Anstellung kantonaler Aufsichtsbeam­tinnen. Wenn die Frau aber geeignet ist, den Pflichten der kan­tonalen Gewerbeaufsicht zu genügen, weshalb soll sie da außer Stande sein, die Aufgaben der eidgenössischen Fabrikinspektion zu erfüllen?

Dienstbotenfrage.

Die Berliner Dienstbotenbewegung. Nach langer Pause fand am 29. Juni in Berlin   wieder eine öffentliche, interessante Ver­sammlung der Dienstboten statt. Der große Saal des Königshofs" war bis auf das letzte Plätzchen gefüllt. Die meisten Versammelten gehörten dem dienenden Stande" an, nur hier und da fielen an­wesende Herrschaften" auf. Privatdozent Dr. Stillich, der, wie wir seinerzeit mittheilten, zum Zwecke einer Enquete über die Lage der Dienstboten in Berlin   eine größere Anzahl von Fragebogen ver­sandt hat, referirte über die Gründe seiner Untersuchung und die Auf­nahme, welche sie in der Deffentlichkeit gefunden habe. Als im vorigen Jahre die Dienstbotenbewegung in Fluß fam, wurden die bittersten Klagen über ungesunde Schlafräume, übermäßig lange Ar­beitszeit, unwürdige Behandlung der Dienenden 2c. erhoben. Die Gegner der Bewegung behaupteten, diese Klagen seien übertrieben und unwahr. Redner gewann damals sofort die Ueberzeugung, daß die Bewegung ohne ein feststehendes Thatsachenmaterial niemals zielbewußt werde vorgehen können und beschritt deshalb den zur Er­langung eines solchen einzig gangbaren Weg: er sandte Dienenden und Herrschaften Fragebogen, deren Beantwortung zunächst nur ein­mal Aufschluß über die elementarsten Lebensbedingungen der Berliner Dienstboten geben sollte.

Aber welche Aufnahme fand dieses rein sachliche und unpar­teiische Vorgehen bei Presse und Publikum! Sämmtliche Berliner Parteiblätter von den extremst konservativen bis zu den liberalsten , freisinnigen" verdammten mit verblüffender Einmüthigkeit die Be­strebungen des Herrn Dr. Stillich. Mit Entstellungen und Lügen, wie z. B. die Fragebogen seien charakteristischer Weise nur den Dienenden zugesandt worden, wurde der Kampf begonnen, mit den nichtigsten Einwänden fortgeführt: zur Vertheidigung der bestehenden Zustände wurde von den Kapitalistenblättern immer wieder auf die eigenartigen Verhältnisse auf dem Lande hingewiesen, während sich doch die Enquete ausdrücklich nur auf Berlin   bezog und überhaupt das ländliche Gesinde in die Bewegung der städtischen Dienstboten gar nicht einbezogen werden soll und kann. Daß das Unternehmen alsbald als ein rein sozialdemokratisches" verschrieen wurde, braucht eigentlich gar nicht besonders erwähnt zu werden.

Nicht weniger ungünstige Aufnahme fand die Umfrage bei den Hausfrauen. Man sollte es kaum für möglich halten, zu welch niedrigen Mitteln Frauen gebildeter Stände greifen können, wenn sie sich in ihren heiligsten Rechten" angegriffen wähnen, Herr Dr. Stillich wurde mit einer Fluth anonymer Briefe überschüttet. die die unfläthigsten Beleidigungen seiner Person enthielten. Einzelne Fragebogen wurden ihm in beschmiertem Zustande, natürlich nicht ausgefüllt, unfrankirt zurückgesandt! Redner führt die Unfähigkeit dieser Frauen, soziale Fragen objektiv zu behandeln, auf die schlechte Erziehung in unseren höheren Töchterschulen zurück, deren Lehr­plan sich den modernen Verhältnissen noch in keiner Weise ange­paßt hat. Die reichen Damen arbeiten selbst nicht, und deshalb fehlt ihnen jede vernünftige Schäßung des Werthes der Arbeit. Die Frauen des Mittelstands aber kennen die Verhältnisse im übrigen gewerb­lichen Leben nicht und haben feinen Maßstab für den Werth der häus­lichen Arbeit, weil ihre eigene Thätigkeit im Haushalt nie eine Geld­bewerthung gefunden hat. Im letzten Grunde erklärt sich der Haß der Hausfrauen gegen die Dienstbotenbewegung dadurch, daß es sich um einen Klassenkampf handle, um einen absoluten Interessengegen­satz zwischen Herrschaften und Dienenden.

Jm größten Gegensatz zum Verhalten der Hausfrauen stand das der Dienstboten. Sie haben sich eifrig bemüht, zuverlässiges, wahrheitsgetreues Material zu beschaffen. Von den 60000 Dienst­boten, die es in Berlin   giebt, hat nicht ein einziger anonyme Ver­dächtigungen gegen die Herrschaft vorgebracht. Von den Angestellten haben die am zahlreichsten die Fragebogen ausgefüllt, welche sich in verhältnißmäßig guten Stellungen befinden. Die im Mittelstand die­nenden Mädchen, welche die jämmerlichsten Arbeitsbedingungen hätten, seien offenbar zu gedrückt, um sich zum Interesse für die allgemeinen Angelegenheiten ihres Standes aufzuschwingen. Vielfach haben auch die Herrschaften einen brutalen Druck ausgeübt, um die Beantwor tung der Fragebogen seitens Dienender zu verhindern. Eine Reihe von Briefen, die der Referent erhielt, beweisen das erwachende Ver­ständniß der Dienstboten für ihre Lage. Dr. Stillich wird das Re­

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sultat seiner Umfrage nach gründlicher wissenschaftlicher Bearbeitung am Schlusse des Jahres der Oeffentlichkeit übergeben. Nach den oft von lebhaftem Beifall unterbrochenen Ausführungen folgte ein zweiter Vortrag von Herrn v. Gerlach. Dieser betonte, daß sich gegen die Feststellung der Thatsachen nur sträube, wer die Wahrheit zu fürchten habe. Als eine unerhörte Beleidigung wies er die Behauptung der Vossischen Zeitung" zurück, des eingefleischtesten Kapitalisten­blatts: Die Mehrheit der Berliner Dienstmädchen ist schlecht." Zwecks Hebung der Lage der Dienenden forderte er vor allem Be­seitigung der vorweltlichen Gesindeordnung von 1810, Abschaffung der Dienstbücher, die durch Verordnung seit 1896 obligatorisch ein. geführt worden sind, bessere Regelung und Eintheilung der Arbeit und Freigabe von mindestens einem halben Tag in jeder Woche. Diese Forderungen könnten nur erreicht werden durch Organisation der Dienenden und ernsten Kampf um ihre Rechte. Im Interesse der Hausfrauen läge es, der Bewegung durch Entgegenkommen, durch Erfüllung der berechtigten Forderungen die Spize abzubrechen. Für die Angestellten aber müsse es gelten: Vorwärts auf der be­gonnenen Bahn! Stärkung der Organisation, dann kann der Erfolg nicht fehlen. Die Redezeit in der Diskussion wurde auf 10 Minuten beschränkt, da die Wortmeldungen sehr zahlreich waren. Nur Perl­mann, der Leiter einer Fachzeitung der Hausangestellten, erklärte, daß die vorjährige Bewegung schwere Schäden der Dienstver hältnisse enthüllt hätte. Die Bewegung sei nothwendig und müsse sich vor jeder Harmonieduselei hüten. Es existire feine Interessen­gemeinschaft zwischen Herrschaften und Dienenden. Der einzige Weg zur Besserstellung der Letzteren sei: Organisation. Im ferneren Ver laufe der Diskussion forderten mehrere Angestellte die Anwesenden zum Anschluß an die beiden bestehenden Vereine auf: den Hilfs­verein für weibliches Hauspersonal" und den Verein für Dienst herrschaften   und Dienstangestellte." Die erstgenannte Organisation umschließt nur Dienstboten und steht mehr auf dem radikalen Standpunkt des Kampfes um die Forderungen der Die­nenden, die zweite steht mehr auf dem Standpunkt des gütlichen Uebereinkommens. Ihr Vorstand besteht aus der gleichen Anzahl Herrschaften und Dienstboten. Der Verein besitzt einen für Mit­glieder unentgeltlichen Stellennachweis, eine Hilfskasse für die Haus­angestellten, er fördert die berufliche Ausbildung der Dienenden durch Veranstaltung abendlicher Lehrkurse, er bildet bei Streitigkeiten ein Schiedsgericht und pflegt schließlich edle Geselligkeit. Die Diskussion drehte sich hauptsächlich um das Wie" eines erfolgreichen Vorgehens der Dienstboten. Es sprachen Redner für wie gegen eine Kampfes­bewegung, aber alle in durchaus sachlicher, würdiger Weise. Noch ehe die Rednerliste erschöpft war, wurde ein Schlußantrag und die folgende Resolution angenommen, letztere einstimmig: Die im Königs­hof" am 29. Juni tagende stark besuchte, öffentliche Volksversammlung erklärt, daß die unerhörten, gesetzlichen Ausnahmebestimmungen, unter denen das Gesinde leidet, die Beseitigung der bestehenden Gesinde­ordnungen erheischen. Dies Ziel kann nur durch die Organisation der Dienstboten erreicht werden. Pflicht eines jeden Dienstboten ist es, sich einer Organisation anzuschließen."

Frauenbewegung.

Die erste Aerztin Schwedens  , Fräulein Stecksén, errang fürz­lich mit großem Erfolg die akademischen Würden.

Die Gründung eines Frauenmuseums in Petersburg   er­streben die Frauenvereine dieser Stadt. Das Museum soll zeigen, welchen Einfluß die Frau auf die Entwicklung der Industrie, Kunst und Wissenschaft ausgeübt und was sie auf diesen Gebieten ge= schaffen hat.

Quittung.

Für den Agitationsfonds der Genofsinnen gingen bei der Unter­zeichneten ein: Genossin M. Kt. 3 Mt.; Genossinnen aus Königs­ berg   3 Mt. 15 Pf.; Chemnizer Genossinnen durch Genossin Rie­mann 34 Mt. 15 Pf. Summa 40 Mr. 30 Pf. Dankend quittirt

Ottilie Baader  , Vertrauensperson, Berlin   O., Straußbergerstraße 28, 4 Tr.

Aufforderung.

Genossinnen, welche Anträge, die vorgschlagene Besprechung in Mainz   betreffend, stellen wollen, werden um baldigste Einsendung derselben ersucht.

Ottilie Baader  , Vertrauensperson, Berlin   O., Straußbergerstraße 28, 4 Tr.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Bundel) in Stuttgart.  - Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b.H.) in Stuttgart  .