fammer als Zentrale beigetreten. Die Gewerkschaften von Berufen, in denen die Frauenarbeit eine große Rolle spielt, besitzen eigene Frauenfektionen für die weiblichen Mitglieder. Einige dieser Sektionen weisen eine verhältnißmäßig zahlreiche Mitgliederzahl auf. Besonders erfreulich ist der rege Eifer, mit dem die Mitglieder der Frauen­sektionen in Fabriken und Werkstätten ihre Kameradinnen der Dr­ganisation zuzuführen streben. Die Sektionen der Schneiderinnen, Buchbinderinnen 2c. besitzen an den Genossinnen Kulischoff und Mal­nati, letztere eine frühere Lehrerin, treue Beratherinnen und Mit­arbeiterinnen, sowohl was die agitatorische Thätigkeit in weiteren Kreisen anbelangt, wie das Wirken auf dem Gebiete der Klein­arbeit in den Organisationen selbst.

Die Frauengewerkschaften von Gent   entfalten in jüngster Zeit eine rührige Thätigkeit. Besonders lassen sie sich angelegen sein, durch geeignete Vorträge und Diskussionen eine Reihe von gut unter­richteten, redegewandten Agitatorinnen heranzuziehen.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Wohnungsverhältnisse der Ziegeleiarbeiterinnen. In einer Feldziegelei bei Friedberg  ( Großherzogthum Hessen) mußten nach dem Bericht der Gewerbeinspektion drei Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren in einem Raume schlafen, der 2,75 Meter Länge, 2,15 Meter Breite und 3 Meter mittlere Höhe, also einen Raum­inhalt von etwa 17,75 Rubikmeter hatte. Das sind also pro Person 5,92 Rubikmeter Rauminhalt, während die Polizeiverordnung des Kreises 9 Kubikmeter als Minimum vorschreibt. Auf einer anderen Ziegelei wurde ein tistenartiger, vollständig geschlossener Bretterverschlag von der Größe eines gewöhnlichen Bettes und 1,50 Meter lichter Höhe als Schlafgelaß für zwei Arbeiterinnen be­nutzt. Der Rest ist Schweigen. An anderen Orten wird über un­genügende Absonderung der Schlafräume für beide Geschlechter ge­geklagt. H. F.

Frauenstimmrecht.

Die Agitation für das Frauenstimmrecht in Belgien  wird seitens der sozialistischen   Arbeiterpartei gelegentlich ihres Kampfes für das allgemeine Wahlrecht mit allem Nachdruck geführt werden. Der Generalrath der Partei beschloß in einer neuerlichen Sigung, daß die Forderung überall mit der größten Energie zu ver­treten sei. Eine besondere Broschüre soll weiteren Kreisen die Be­rechtigung und Nothwendigkeit des Frauenstimmrechts klar machen. Damit insbesondere auch die Frauen über die Frage aufgeklärt und zum Kampfe für ihr Recht begeistert werden, soll eine Frau diese Broschüre verfassen. Der Generalrath der belgischen Arbeiterpartei hat Genossin Gatti de Gamond   mit der Arbeit betraut. Der Generalrath hat weiter die Gründung eines Landesausschusses für Eroberung des allgemeinen Wahlrechts in die Wege geleitet, in welchem alle Frauenorganisationen vertreten sein sollen, die für das Frauenstimmrecht eintreten. Am Sonntag vor der Wiedereröffnung der Kammer im November werden in allen Hauptorten der einzelnen Kreise große Manifestationen für das allgemeine Wahlrecht statt­finden. In Brüssel   ist die Manifestation auf den Abend vor dem Zusammentritt des Parlaments festgesetzt. An ihr werden die Dele­girten aller sozialistischen   Provinzialorganisationen und sämmtliche sozia­listische Abgeordnete theilnehmen. Bei allen Manifestationen soll, wie bei der eingeleiteten ständigen Agitation, das Frauenstimmrecht ge­fordert und vertheidigt werden.

Das Eintreten der Sozialisten für die politische Gleichberech­tigung des weiblichen Geschlechts hat bewirkt, daß die bürgerliche Presse sich lebhaft mit der Frage beschäftigt. Die katholischen Zeitungen erklären sich für das Frauenstimmrecht. Sie bauen auf die Rückständigkeit der Frauenmassen und die Macht des Beichtstuhls, auf die Macht des politischen Agitators im Priester­gewande. Daß diese Rückständigkeit und diese Macht auf die Dauer nicht vor der sozialistischen   Aufklärungsarbeit Stand hält, beweist das Beispiel der Arbeitermassen und ihrer fortschreitenden politischen Schulung, ihres immer festeren Anschlusses an die Sozialdemokratie. Jedenfalls zeigt die Haltung der Klerikalen Presse wieder einmal die Anpassungsfähigkeit und das taktische Geschick des Klerikalismus, der in Belgien   eine Auffassung über Bord wirft, welche er in Deutsch­ land   als ,, unverrückbaren Grundsay" festhält: die Auffassung, daß die Frau im öffentlichen Leben nichts zu thun habe, und daß ihre soziale und politische Gleichberechtigung der Anfang vom Ende aller natür­lichen und göttlichen Ordnung" sei. Die liberalen belgischen Blätter wenden sich dagegen mit aller Heftigkeit gegen die Forderung des Frauenwahlrechts. An Stelle ernster Gründe geben sie dabei läppische

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( 8undel) in Stuttgart  .

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Witzchen und Mätzchen zum Besten, wie sie der Spießbürger am Stammtische liebt. So fragt z. B. eine liberale Zeitung: Was soll aus der Einigkeit der Familie werden, wenn der Marn im Gemeinderath dem Zentrum, die Frau der äußersten Linken an­gehört?" Als höchsten Trumpf spielt der Etoile Belge" die Be­hauptung aus, daß die Frauen selbst das Wahlrecht nicht begehrten und nicht ausnüßen würden. Genosse Vandervelde   weist darauf hin, daß die Liberalen mit der gleichen Behauptung krebsen gingen, als es sich darum handelte, den Arbeitern das Stimmrecht zu ver­leihen. Diese haben seither einen so wirksamen Gebrauch von ihrem Rechte gemacht, daß die Besitzenden das Wahlrecht gefälscht haben, daß sie dem Proletariat das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht vorenthalten. Die Arbeiter haben gelernt, sich des Wahl­rechts gegen ihre Herren zur Vertheidigung ihrer Interessen zu be­dienen. Auch die Frauen werden das lernen, die Proletarierinnen, die zwei Herren über sich haben: den Mann und den Arbeitgeber. Die Frau hat außerdem gegen drei soziale Wunden zu kämpfen: gegen den Alkoholismus, der ihr den Mann entreißt, gegen den Militarismus, der ihr den Sohn raubt, gegen die Prostitution, die auf ihre Tochter lauert. Ihre eigenen Interessen wie die ihrer Lieben, die es zu schirmen gilt, werden auch die noch rückständige Frau zur bewußten politischen Kämpferin schulen."

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Die Forderung des Frauenstimmrechts schärfer als seither im Kampfe für das allgemeine Wahlrecht zu betonen, beschloß ein­stimmig der Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie, der am 2. September in Graz zusammentrat. Der Beschluß wurde herbeigeführt durch einen Antrag der fünf Genoffinnen, welche am Parteitag als Delegirte theilnahmen. Die Genossinnen Schlesinger und Boschek begründeten die Forderung sehr wirkungsvoll.

Die Einführung des Frauenwahlrechts im Staate Oregon  wurde bei einer allgemeinen Volksabstimmung mit 28298 gegen 26 265 Stimmen, also mit sehr geringer Majorität verworfen. Bei der letzten Volksabstimmung über die gleiche Forderung wurden nur 11 223 Stimmen für das Frauenwahlrecht abgegeben, 28 176 Stimmen aber dagegen. Der Gedanke der politischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts hat also einen ganz erheblichen Fortschritt gemacht.

Den Umschwung der Meinung zu Gunsten des Frauen­stimmrechts in amerikanischen   Einzelstaaten zeigen folgende That­sachen. In Kolorado   wurde im Jahre 1877 das Frauenstimm recht abgelehnt, 1893 wurde es eingeführt. In Washington   sank die Zahl der Gegner des Frauenwahlrechts vom Jahre 1889 bis 1898 von 19386 auf 9882. In Kansas   stieg die Zahl der An­hänger der Forderung binnen wenigen Jahren von 9100 auf 95302. In Süd- Dakota   erklärte sich 1890 eine Majorität von 23610 Stim­men gegen das Frauenstimmrecht, 1898 dagegen nur noch eine solche von 3285 Stimmen. Die Aussichten für die Einführung des Frauen­stimmrechts bessern sich allenthalben.

Frauenbewegung.

Studirende Frauen an der Universität Tübingen  . Im laufenden Semester studiren an der Universität Tübingen   fünf Damen.

Zahl der Studentinnen in der Schweiz   und in Deutsch­ land  . Die Zahl der Studentinnen an den Schweizer   Universitäten beträgt 1026. Das ist ein Viertel der ganzen Studentenschaft.

In Zürich   sind zur Zeit an Universitäten angestellt: Fräulein Dr. Rworostansty als vierter Assistent an der Geburtshilflich- gynäko­logischen Klinik und Politlinit, Med. pratt. Fräulein Fitschen als zweiter Assistenzarzt an der Psychiatrischen   Klinik. Als Sekretärin an der Stadtbibliothek fungirte die bekannte Dichterin und Dar­stellerin der Blüthezeit der Romantik" Ricarda Huch  . Ihre Fach­kollegin Fräulein Dr. Anna Tumartin liest an der Universität Bern  über Aesthetik  .

An den reichsdeutschen Universitäten hören in diesem Semester nach einer Zusammenstellung der Frankfurter Zeitung  " 561 Frauen Vorlesungen, und zwar in Berlin   293, Bonn   61, Breslau   41, Er­ langen   2, Göttingen   31, Halle 47, Heidelberg   13, Kiel   8, Königs­ berg   15, Marburg   8, München   und Straßburg   je 11, Tübingen   5, Würzburg   15.

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Die Zulaffung der Frauen zum Studium der Rechts­und Staatswissenschaften beschloß das Professorenkollegium der tschechischen juristischen Fakultät zu Prag   mit Stimmenmehrheit. Von Beginn des Semesters 1900/1901 fönnen nun Frauen an allen drei Fakultäten der Universität Prag studiren.

Als Zähler bei der letzten Volkszählung in Kuba   wurden auch Frauen verwendet und sollen treffliche Arbeit geleistet haben. Drud und Berlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .