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gegeben wird, so führte sie aus, muß die Partei mit den Frauen, den Arbeiterinnen, rechnen. Es empfiehlt sich deshalb, die Arbeiterinnen über die Bedeutung des allgemeinen Wahlrechts aufzuklären. Das Eintreten für das Frauenstimmrecht aber giebt der einschlägigen Agitation treffliche Ausgangspunkte. Zur Frage des GemeindeZur Frage des Gemeinde wahlrechts forderte der Parteitag das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für alle in der Gemeinde wohnenden Inländer, die das zwanzigste Lebensjahr erreicht haben, ohne Unterschied des Geschlechts. Die Verhandlungen zum Puntte Ors ganisation beschäftigten sich wiederholt mit der Frage der Frauenorganisation. Genosse Staret, der als Vertreter der Parteileitung zu diesem Punkte der Tagesordnung referirte, führte betreffs der Frauenorganisation im Wesentlichen Folgendes aus: Die Partei muß der Frauenorganisation besonderes Augenmerk zuwenden. Es fann konstatirt werden, daß in dieser Hinsicht schon recht viele Fortschritte gemacht worden sind. Es ist wahr, daß die Organisirung der Frauen aus den bekannten Gründen viel schwerer ist, als die der Männer. Im vergangenen Jahre hatte die Sozialdemokratie trotzdem gute Erfolge der Bestrebungen zur Organisirung der Frauen zu verzeichnen. Es wurden eine Reihe von Frauenorganisationen gegründet. Noch wichtiger ist, daß man sich in vielen Orten ernstlich angelegen sein ließ, die Arbeiterinnen den gewerkschaftlichen Organi sationen zuzuführen. Aber die errungenen Erfolge sind, es muß dies nachdrücklich hervorgehoben werden, nur bei den industriell thätigen Frauen und Mädchen erzielt worden, nicht bei den Frauen der Genossen. Wo nur Frauen der Genossen in der Bewegung stehen, zeigt sich sogar ein Rückschritt. Die Genossen dürfen die Organisirung der Frauen nicht dem Frauen- Reichskomite und den verschiedenen Frauentomites in den einzelnen Orten allein überlassen, sie selbst müſſen den Ausbau der Frauenorganisation mit aller Energie in die Hand nehmen. In den Debatten wurden mancherlei Vorwürfe gegen die Genofsinnen laut. So meinte ein Genosse, daß das Frauen Reichskomite eine regere Agitation in Wien entfalten sollte. Ein anderer Redner wendete sich gegen die Frauenfektionen der Gewerkschaften und argwöhnte hinter ihnen allerhand weibliche Sonderbestrebungen 2c. Genossin Boschet wies diese Anwürfe sehr ge= schickt unter Hinweis auf den Bericht des Referenten zurück. Die Fortschritte, welche die Genossinnen betreffs Organisirung der Arbeiterinnen erzielt hätten, seien unbestreitbar. Der vorgebliche ,, separatistische Standpunkt" sei das Bestreben, auch die proletarischen Hausfrauen einer Organisation zuzuführen. Aus diesem Bestreben könne man aber unmöglich den Genossinnen einen Vorwurf machen, ebenso wenig aber daraus, daß sie zur Erreichung des Zieles die Mittel wählten, die Erfolg versprechen, weil sie den Lebensbedingungen der Frauen Rechnung tragen. Bedauerlich sei, daß die Anschuldigungen von Genossen nachgesagt würden, die sich selbst nie um die Organi firung der Frauen gefümmert hätten. Durch dieses Vorgehen fühlten sich Genossinnen abgestoßen, die noch nicht durch das Parteileben abgehärtet seien. Genossin Boschek erklärte des Weiteren, daß die anwesenden weiblichen Delegirten an allen Berathungsgegenständen. des Parteitags das lebhafteste Interesse nähmen und zu allen wichtigen Puntten gern das Wort ergreifen möchten. Allein die beschränkte Zeit des Parteitags verbiete das. Sie begnügten sich deshalb zu den Fragen zu sprechen, die von besonderer Wichtigkeit für die Frauen seien. Die meisten weiblichen Delegirten nähmen als Vertreterinnen von Arbeiterinnen am Parteitag Theil. Es sei deshalb ihre erste Pflicht, im Interesse der Frauen zu sprechen. Die Organisirung der Frauen sei in erster Linie Aufgabe der Genossinnen. Den meisten Genossen fehle das Verständniß, die Zeit und die Geduld, um sich der Agitations- und Organisationsarbeit unter den Frauen zu widmen. Die Genoffinnen würden auch weiterhin ihre ganze Kraft einsetzen, um ihre Pflicht zu erfüllen. Genossin Boschek wurde vom Parteitag in die Parteileitung gewählt. Wir begrüßen ihre Wahl, wie die einer Genossin in die Parteileitung der tschechischen Sozialdemokratie als einen Beweis dafür, daß im sozialdemokratischen Lager die Gleichberechtigung der Geschlechter kein leeres Wort ist; wir begrüßen sie aber auch als Ausdruck der Anerkennung für das, was unsere Genossinnen in Desterreich- Böhmen leisten.
Der Parteitag der tschechischen Sozialdemokratie, der vom 8. bis 11. September in Budweis tagte, beschäftigte sich ebenfalls mit der Frage der Frauenorganisation. Die Parteileitung hatte dazu folgenden Antrag gestellt:
" Frauenorganisation. Die bisherigen Bestimmungen sollen durch folgende ersetzt werden: Die Genossinnen haben die Pflicht, den Gewerkschafts- und Bildungsvereinen beizutreten, die bei einer geeigneten Anzahl von weiblichen Mitgliedern Frauenfektionen oder Frauengruppen gründen sollen.
Zum Zweck einer systematischen Organisationsarbeit unter den Frauen soll von der Frauenkonferenz ein Frauenagitations
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tomite gewählt werden. Dieses Frauenagitationskomite hat die Aufgabe, die Agitation unter den Frauen zu leiten und die Verbindung mit den Leitungen der Frauensektionen und Frauengruppen sowie mit der Parteiexekutive und der Gewerkschaftskommission aufrechtzuerhalten. Das Komite beschickt die Partei- und Gewerkschaftskongresse durch eine Delegirte. Die organisirten Frauen sollen in allen Vertretungskörpern der Partei( Lokal-, Wahlkreisausschüssen, Landesvertretungen und Parteiexekutive) eine entsprechende Vertretung haben. Die organisirten Genossinnen sind gleich den Genossen verpflichtet, die vom Kongreß festgesetzte Parteisteuer sowie auch die von der Landesvertretung bestimmten Beiträge zu leisten. Die Ausgaben des Frauenkomites hat die Parteiexekutive, die für gewerkschaftliche Agitation aufgelaufenen Kosten die betreffende Branche oder die Gewerkschaftskommission zu tragen.
Das Frauenagitationsfomite ist für seine Thätigkeit der Frauenkonferenz, der Parteivertretung sowie dem Parteitag verantwortlich." Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Leider liegt uns bis jetzt kein Bericht über die einschlägigen Verhandlungen vor. Dem Parteitag wohnten sieben weibliche Delegirte bei( auf 111 Delegirte überhaupt), die Genossinnen Steiner, Wien ; Krapka, Wien ; Skaloud, Prag ; Strssad, Smichow ; Touzil, Weinberge; Aust, Kladno ; Komaret, Nienburg . Der Parteitag beschloß, daß die Redaktion der Frauenzeitung 3enska List" von Brünn nach Prag verlegt werden soll. Genossin Touzil wurde zum Mitglied der Parteileitung gewählt.
Frauenbewegung.
Zwei Frauen als Vertreterinnen des Staates Utah nahmen an den beiden großen Parteiversammlungen Theil, welche zur Präsidentenwahl Stellung nahmen. Die Versammlung der republikanischen Partei in Philadelphia , welche zu dem gleichen Zwecke tagte, wohnte Mrs. Jones aus Salt Lake City als Delegirte bei. Auch die Demokraten hatten bei ihrer Versammlung in Kansas City eine weibliche Delegirte, Mrs. Cohen aus Utah .
Vermischtes.
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Die hohe Bedeutung einer guten Ausbildung aller Fähig= keiten der Frau hat kürzlich ein Geistlicher unumwunden anerkannt. Ein amerikanischer Geistlicher der katholischen Kirche , Msgr. Spalding, Bischof von Peoria in Jllinois, hat am 21. März zu Rom eine bemerkenswerthe Predigt gehalten über Erziehung und Wissenschaft, in der er u. A. sagte:„ Die besten und nobelsten Individuen, die edelsten Rassen sind stets diejenigen gewesen, welche die beste Erziehung genossen.... Das Geheimniß aller Macht liegt in der Erziehung und zwar in der Erziehung aller unserer Fähigkeiten, nicht nur der intellektuellen. Die Wahrheit, welche uns frei macht, macht uns auch stark und liebevoll; sie ist kein todtes Ding.. sie ist Leben, sie bildet das Leben der Seele, ihrer Liebe, Schönheit, Güte. Der größte Dienst, den man dem Menschen erweisen kann, ist daher, ihm die möglichst reiche physische, intellektuelle, moralische und religiöse Erziehung zu geben( auch die Religion wird nur durch Erziehung erhalten", heißt es an anderer Stelle), und das gilt nicht blos von dem Manne, sondern auch von dem Weibe. Welche Hoffnung auf wahren Fortschritt kann es geben, wenn wir die Frau unerzogen lassen. Ist das Weib unwissend, so ist es ohne Weiteres leichtfertig und sinnlich(?). Ist seine Religion nichts mehr als Aberglaube, so wird es skeptisch und frivol. Wollen wir ein starkes braves Geschlecht erziehen, so müssen wir dem Weibe die denkbar beste Erziehung angedeihen lassen. Es hat das gleiche Recht wie der Mann, alles zu wissen, was wissenswerth, alles zu thun, was gut und edel ist. Die Seele hat kein Geschlecht. Lassen wir die Hälfte der Menschen in Unwissenheit, wie dürfen wir hoffen, die andere Hälfte derselben zu dem Lichte der Wahrheit und der Liebe hinaufzuheben? Man lasse den Geist des Weibes sich entwickeln, seinen Einfluß zunehmen, so wird es erst recht dem Manne eine Genossin in allen Kämpfen des Lebens werden. Je höher die Bildung der Frau sein wird, desto mehr wird sie sich der selbstlosen Betheiligung an allem Guten und Schönen anschließen.
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Duittung.
Bei der Unterzeichneten gingen ein: Für den Agitationsfonds von den Genossinnen aus Köln durch Genossin Zeise 30 Mt. Für die Delegation der Genossin Zieh zum Internationalen Kongreß von den Hamburger Genossinnen durch Genossin Pionetti 80 Mt.; von den Genossinnen Dresdens 13 Mt. 40 Pf.
Dankend quittirt