girten zogen sich darauf mit der Erklärung zurück, diesen Abmachungen nicht zustimmen zu können. Eine Versammlung in Berlin   pflichtete dieser Stellungnahme bei und erklärte nun erst eigentlich den Streit. Doch wurde der Streitfall bald zu Gunsten der Arbeiter und Arbeite­rinnen erledigt. Geübte Arbeiterinnen( Falzerinnen 2c.) erhalten jetzt: in Stuttgart   21, in Leipzig   22 und in Berlin   27 Pf. pro Stunde. Für Arbeiterinnen an der Draht- und Fadenheftmaschine, Goldauf­trägerinnen 2c. werden Stundenlöhne gezahlt: in Stuttgart   26, in Leipzig   27 und in Berlin   30-35% Pf. Ungeübte Arbeiterinnen er­halten im ersten halben Jahre: in Stuttgart   13, in Leipzig   14, in Berlin   17 Pf. pro Stunde; im zweiten halben Jahre: in Stuttgart   16, in Leipzig   17 und in Berlin   20-22 Pf. Für Ueberzeitarbeit erfolgt entsprechende Mehrbezahlung. Die Arbeitszeit beträgt 9 Stunden. Die Festsetzung des Akkordtarifs dürfte nunmehr auch zur Zufrieden­heit der Arbeiter und Arbeiterinnen erfolgt sein.

So ist die Bewegung im Buchbindergewerbe in der Hauptsache siegreich beendet worden. An dem erfolgreichen Ausgang dürfen auch die Arbeiterinnen ihr Theil Verdienst beanspruchen. Ihre rege Be­theiligung an der Bewegung, ihre unerschrockene, feste und doch ruhige Haltung, die Begeisterung, mit der sie zu den Opfern eines Kampfes bereit waren: haben zum Siege der Arbeiterforderungen wesentlich beigetragen. Die jüngste Bewegung im Buchbindergewerbe hat einen Beweis mehr dafür geliefert, daß die Arbeiterin nicht unfähig für den wirthschaftlichen Kampf ist, und daß sie organisirt, daß bei ihr Interesse für die gewerkschaftliche Bewegung erweckt werden kann. Allerdings hat das Einbeziehen der Arbeiterinnen in die ge­werkschaftlichen Organisationen und Kämpfe eine Voraussetzung: daß auch an eine Verbesserung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse der Frauen und Mädchen gedacht, daß mit Energie für eine solche ge­tämpft wird, so wie es bei der Bewegung im Buchbindergewerbe ge­G. Sch. schehen ist.

Notizentheil.

( Von Lily Braun   und Klara Belkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

Die Zahl der in den Fabriken Preußens beschäftigten Arbeiterinnen hat nach den Jahresberichten der Regierungsgewerbe­räthe im Jahre 1899 eine weitere recht erhebliche Zunahme erfahren. Es sind im Ganzen 423 764 weibliche Personen in den Fabriken 2c. beschäftigt gewesen gegen 397 284 im Jahre 1898 und 378 553 im Jahre 1897, so daß gegenüber dem voraufgegangenen Jahre eine Zu­nahme um 26 480 Arbeiterinnen oder 6,7 vom Hundert erfolgt ist, während von 1897 zu 1898 nur eine Zunahme um 18731 oder 5,0 vom Hundert stattgefunden hatte.

Von der Gesammtzahl entfallen auf die weiblichen Personen unter 14 Jahren 525( 1898: 469)(+ 11,9 v. H.), auf die von 14 bis 16 Jahren 46831( 43 186)(+ 8,4 v. H.), auf die von 16-21 Jahren 148 331( 139 777)(+6,1 v. H.) und auf die über 21 Jahre alten 228 077( 213 852)(+ 6,6 v. H.). Man ersieht hieraus, daß die Zahl der Kinder und jugendlichen Arbeiterinnen erheblicher gestiegen ist als die der über 16 Jahre alten. Eine große Anzahl von Fabriken hat die Frauenarbeit vermehrt. Die Zahl der Fabriken, die weib­liche erwachsene Arbeiter beschäftigten, betrug 22 285 gegen, 18 898 im Jahre 1898, ist also um 3387 oder 17,9 v. H. gestiegen. Darüber, wie viel Fabriken jugendliche Arbeiterinnen beschäftigten, geben die Zusammenstellungen der Jahresberichte leider keine Auskunft. Nur über die einzelnen Industriegruppen, in denen jugendliche Arbeite­rinnen beschäftigt werden, erhalten wir Nachricht. Darnach sind von den unter 14 Jahre alten weiblichen Personen 278, also mehr als die Hälfte aller, und von den 14-16 Jahre alten 18 133( 1898 16590), also nahezu 40 v. H. aller, in der Textilindustrie beschäftigt. Dann folgt die Industrie der Nahrungs- und Genußmittel mit 6591 jugend­lichen Arbeiterinnen gegen 6807 im voraufgegangenen Jahre, so daß hier also eine Abnahme stattgefunden hat. 17 456 jugendliche Arbeite­rinnen oder 38 v. H. der Gesammtzahl entfallen allein auf die Rhein­proving, darunter 9582( 1898 8792) auf den Regierungsbezirk Düssel­ dorf  . In der Provinz Westfalen   werden 5202( 1898: 4898), in Hessen  Nassau 2747( 2686) jugendliche Arbeiterinnen beschäftigt.

Von den über 10 Jahre alten Arbeiterinnen wurden 147 758 ( 1898: 146 539) in der Textilindustrie, 55 874( 53 676) in der Industrie der Nahrungs- und Genußmittel und 49 961( 38 475) in der Beklei­dungs- und Reinigungsindustrie beschäftigt; letztere Industrie hat also eine sehr starke Zunahme der Frauenarbeit erfahren. Während von den 27 Aufsichtsbezirken 6 eine Abnahme der weiblichen Arbeiterinnen von 14-16 Jahren hatten, hat die Zahl der über 16 Jahre alten

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Arbeiterinnen nur in einem Vezirt, nämlich in Merseburg  ( um 250) abgenommen. Von den einzelnen Provinzen beschäftigt die Rhein­proving die meisten über 16 Jahre alte Arbeiterinnen, doch ist die Zunahme hier in den letzten Jahren hinter dem Staatsdurchschnitt zurückgeblieben. Es wurden nämlich im Rheinland   im Jahre 1899 84411 Arbeiterinnen gezählt gegen 81 671 im Jahre 1898 und 78 890 im Jahre 1897, so daß im letzten Jahre eine Zunahme um 3,4( 1898 3,5 und 1897 3,9) v. H. stattgefunden hat. Auf den Regierungs­bezirk Düsseldorf   entfallen allein 49 096 über 16 Jahre alte Arbeite­rinnen gegen 47 837 im Jahre 1898. In zweiter Linie steht unter den Provinzen Schlesien   mit 74870 erwachsenen Arbeiterinnen gegen 73 576 im Jahre 1898, so daß hier also eine Zunahme um nur 1,7 v. H. stattgefunden hat. Dann folgt Westfalen mit 27 902( 27 097) erwachsenen Arbeiterinnen.

Die vorliegenden Ziffern erweisen einmal mehr, in welchem Umfang die kapitalistische Entwicklung den häuslichen Herd" für die Proletarierinnen zerstört hat. Sie predigen aber auch eindringlich die Nothwendigkeit, daß die ausgebeutete Arbeiterin, die hinaus muß, ins feindliche Leben", Antheil   nimmt am gewertschaftlichen und politischen Kampfe ihrer Klasse gegen die ausbeutende und unter­drückende kapitalistische Ordnung.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Aus der Berliner   Wäschekonfektion. In dem Bericht der Berliner   Handelskammer für 1899 erfährt auch die Wäschefabri­tation eine eingehende Besprechung. Es wird da unter Anderem ausgeführt, daß das Geschäft nach England eine viel größere Aus­dehnung würde gewinnen können, wenn die Arbeitskräfte mehr auf Handnäherei, die dort( speziell für feine Wäsche) den Vorzug erhält, eingerichtet wären. Die Berliner   Arbeiterinnen sind der Handnäherei durchaus abgeneigt und zu derselben auch nur äußerst schwer durch ,, entsprechend höhere Löhne" zu bewegen, aus welchem Grunde Frank­ reich   für Damenwäsche auch noch immer das Feld in England be­hauptet, da es einen guten Stamm von Handnäherinnen besitzt, der stets Ergänzung findet.

Was da von entsprechend höheren Löhnen" geredet wird, ist der simpelste Mumpit. Die Konfektionäre sollen nur einmal so zahlen, daß die Arbeiterinnen bei einer mäßigen Arbeitszeit einen auskömmlichen Arbeitslohn verdienen können und sie werden Hand­näherinnen in genügender Zahl bekommen.

Ueber die Lage der Heimarbeiter in der Berliner   Wäscheindustrie wird dann weiter gesagt: Auch 1899 machte sich der schon mehrfach beklagte chronische Mangel an geübten Arbeitskräften recht fühlbar. Der Grund für diese Erscheinung liegt aber nicht allein an den be­nöthigten größeren Fabrikationsmengen und auch nicht an einem Mangel an Arbeitswilligen, sondern vielmehr an dem Fehlen des jungen Nachwuchses. Die Näherei der Wäsche- und Kragenkonfektion besserer Fabritate in ihrer heutigen Vollendung erfordert vor ihrer Ausübung, einige untergeordnete Nähereitheile ausgenommen, mehr­jähriges handwerksmäßiges Erlernen. Sie gewährt dafür anderer­seits gesicherten und mehr als ausfömmlichen Verdienst, auch nöthigenfalls nach der Verheirathung als Heimarbeiterin. Hier­aus folgt aber auch, daß als Heimarbeiterinnen nur ehemalige ge­übte Näherinnen beschäftigt werden können. Während nun einerseits an verheiratheten Arbeitswilligen, die aus Mangel an Fertigkeit nicht beschäftigt werden können, ein Ueberfluß vorhanden ist, fehlt es andererseits an Lernwilligen fast vollständig. Die Näherei kann von Männern nicht erlernt werden, weil es ihnen im Allgemeinen hierzu an Geschicklichkeit fehlt. Die Mädchen aber, deren konkurrenzloses Erwerbsgebiet die Näherei ist, wenden sich ihr nicht zu, sondern werden in Berlin   solchen Branchen zugeführt, in denen sie mit mehr oder minder Erfolg dem Wettbewerb des Mannes zu begegnen haben." Gesicherten und mehr als auskömmlichen Verdienst!" Das ist denn doch bei dem allgemein bekannten Elend der Kon­fektionsarbeiterinnen eine unverschämte Aufschneiderei. Würde der Mensch am Lügen ersticken, so lebte der Verfasser dieses Berichtes schon längst nicht mehr.

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Auch in der Konfektion von Schürzen, Jupons, Kinderkleidchen und verwandten Artikeln hat sich nach dem Bericht als ein sehr empfindliches Hinderniß für den flotten Fortgang der Fabrikation ein nicht zu behebender Mangel an geschulten, sachverständigen Ar­beitskräften in unangenehmster Weise fühlbar gemacht. Es flagten namentlich die Zwischenmeister, daß sie geübte Näherinnen nicht in genügender Anzahl beschaffen können. Es muß hierbei hervorgehoben werden, daß die Versuche, weniger geübte Arbeiter, die sich zahl= reicher anboten, allmälig einzuschulen und anzulernen, in den meisten Fällen scheiterten, weil die Betreffenden die nun einmal zum Lernen auf jedem Gebiet unumgänglich nöthige Ausdauer nicht besaßen und

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