bedroht, damit aber auch ihr förperliches Vermögen, gesunde Mütter gesunder Kinder zu sein, ein Umstand, der dem gesammten Proletariat, ja der ganzen Nation zum Schaden gereicht;
in Erwägung:
daß eine lange und schwere industrielle Berufsarbeit den Arbeiterinnen die Zeit, die körperliche und geistige Frische raubt, die für Erfüllung der häuslichen Pflichten erforderlich sind, ganz be= sonders aber für die Pflege und Erziehung der Kinder und für den Aufbau eines gesunden, sittlichen Familienlebens, ein Umstand, der ebenfalls die verhängnißvollsten Nachtheile für die Arbeiterklasse und das ganze Volt zeitigt;
in Erwägung:
daß die lange und schwere industrielle Berufsarbeit den Arbeiterinnen die Möglichkeit entzieht oder wenigstens erschwert und einschränkt, sich zu bilden, aufzuklären, zu organisiren, am gewerkschaftlichen und politischen Kampfe ihrer Klasse theilzunehmen, nach ihrer wirthschaftlichen, politischen und sozialen Gleichberechtigung als Angehörige des weiblichen Geschlechtes zu streben und dadurch ihre Lage zu verbessern;
in weiterer Erwägung:
daß es für die Besserstellung der gesammten Arbeiterklasse in der Gegenwart von höchster Bedeutung ist, die Arbeiterinnen aus. unorganisirten Schmußkonkurrentinnen in gewerkschaftlich zusammengeschlossene Kampfesgefährtinnen zu verwandeln, aus verständnißlosen Gegnerinnen der politischen Kämpfe des klassenbewußten klassenbewußten Proletariats in geschulte Mitstreiterinnen;
in endlicher Erwägung:
daß das Proletariat seine volle soziale Befreiung nur erringen fann, wenn auch die proletarischen Frauen mit aller Kraft für die Verwirklichung des sozialistischen Endziels kämpfen und wenn ein förperlich, geistig und sittlich gesundes proletarisches Geschlecht heranwächst;
in Würdigung der Thatsache:
daß die ausbeutende Kapitalistenklasse die Arbeitsbedingungen der industriell thätigen Frauen und Mädchen festlegt, ohne dabei Rücksichtnahme walten zu lassen auf die Sonderbeschaffenheit und Sonderleistungen des weiblichen Organismus, auf die Sonderaufgaben der Frau als Gattin und Mutter, auf die Sonderstellung der Frau als einer sozial Minderberechtigten und daher Widerstandsschwächeren;
und in Anbetracht:
daß diese brutale Rücksichtslosigkeit der Kapitalistenklasse nicht blos alle Interessen der Arbeiterinnen aufs Tiefste schädigt, sondern auch die des ganzen Proletariats, ja die der gesammten Nation, für deren kulturelle Entwicklung es von höchster Bedeutung ist, daß eine werkthätige Bevölkerung heranwächst, gesund und stark an Leib und Geist;
fordern wir gegenwärtig:
1. Absolutes Verbot der Nachtarbeit für Arbeiterinnen.
2. Verbot der Verwendung von Arbeiterinnen bei allen Beschäftigungsarten, welche dem weiblichen Organismus besonders schädlich sind.
3. Einführung des gesetzlichen Achtstundentags für Arbeiterinnen. 4. Freigabe des Sonnabendnachmittag für die Arbeiterinnen. 5. Aufrechterhaltung der gefeßlich festgelegten Schußzeit für erwerbsthätige Schwangere und Wöchnerinnen von 4 Wochen vor bis 6 Wochen nach der Niederkunft. Beseitigung der Ausnahmebewilligungen zu früherer Wiederaufnahme der Arbeit auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses. Erhöhung des Krankengeldes für Schwangere, bezw. Wöchnerinnen auf die volle Höhe des durchschnittlichen Tagelohnes. Obligatorische Ausdehnung der Krankenunterstützung der Wöchnerinnen auf die Frauen der Krankenkassenmitglieder.
6. Ausdehnung der gesetzlichen Schußbestimmungen auf die Hausindustrie.
7. Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren.
8. Sicherung völliger Koalitionsfreiheit für die Arbeiterinnen. 9. Aktives und passives Wahlrecht der Arbeiterinnen zu den Gewerbegerichten.
Die Arbeiterpresse wird um Abdruck gebeten.
178
Die Berichte der hessischen Fabrikinspektoren zur Frage des Ausschlusses der verheiratheken Frauen aus der Fabrik.
Sollen verheirathete Frauen in der Fabrik arbeiten? In einer interessanten Studie hat Martin eine ganze Reihe von Gründen gegen die Fabritarbeit verheiratheter Frauen geltend gemacht. Er nahm dabei den Standpunkt ein, der später auf dem Internationalen Arbeiterschußkongreß( Zürich 1897) von der Gruppe der katholischen Reformler vertreten wurde. Damals waren es die deutschen Sozialdemokraten, die unter Führung von Klara Zetkin und Bebel die betreffenden Vorschläge bekämpften.
Der Erfolg der vom Reichskanzleramt zu unserer Frage veranstalteten Umfrage bei den Gewerbeaufsichtsbeamten des Deutschen Reiches hat der sozialdemokratischen Auffassung recht gegeben. Uebereinstimmend sprechen sich die Berichte gegen das Verbot aus. Auch die uns vorliegenden hessischen Berichte bringen eine Fülle einschlägigen Materials. Danach ist es nicht die Fabrikarbeit verheiratheter Frauen, sondern die industrielle Frauenarbeit überhaupt, so wie sie heute unter kapitalistischem Regime betrieben wird, die dem weiblichen Organismus verhängnißvoll wird. Ja, der eine und andere der Berichterstatter geht so weit( und nach meinen Erfahrungen mit vollem Rechte), die intensive Arbeit heranwachsender, in der Entwicklung begriffener Mädchen für weitaus schädlicher zu halten, als die Arbeit vollentwickelter Frauen. Freilich giebt es eine ganze Reihe von Betrieben, deren gesundheitsschädlichen Einflüssen nicht einmal die Körperverfassung des Mannes, geschweige denn die der Frau Stand halten kann. Wenn z. B. in einer Chromatfabrik Rheinhessens durchschnittlich die Hälfte der Arbeiter chromatkrant ist, wenn ein solches Verhältniß als günstig angesehen werden muß und erst durch unendliche Bemühungen sanitäre Vorkehrungen und hygienische Vorschriften herbeigeführt wurden; wenn von Offenbach in Jahresfrist neun Fälle von Anilinismus gemeldet werden, von denen einer sogar tödtlich verlief; wenn im gleichen Bezirk von 43 Bleierkrankungen die Rede ist: dann sollten Mann und Weib solcher Art von Arbeit gleich ferngehalten werden. Derartig gefährliche Betriebe sind kurzerhand zu schließen, sofern es den Unternehmern nicht gelingt, durch Vervollkommnung der technischen Hilfsmittel und ausgedehnteste sanitäre Vorkehrungen die Gefahr möglichst abzuwenden. Daß Letzteres unter Umständen wohl möglich ist, scheint aus dem Gießener Bericht hervorzugehen. In einer Bleifarbenfabrik, der sogenannten Bodenburger Mühle, ist seit Sommer 1898 nicht ein einziger Fall von Bleikolik vorgekommen. Selbstverständlich sollte in solchen und ähnlichen Betrieben, wie Zündholzfabriken, Schriftgießereien 2c., Frauenarbeit nicht vorkommen. Nach den allgemeinen Erfahrungen sollte dasselbe für die Frauenarbeit in der Zigarrenindustrie gelten. Doch scheint der Umstand, daß die Arbeitszeit keine sehr ausgedehnte und daneben die Verrichtung von Feld- und Gartenarbeit in Hessen die Regel ist, das Gesundheitsbild in etwas günstigerem Sinne zu beeinflussen. Trotzdem hat Oberhessen , das Zentrum der Zigarrenfabrikation, mehr Todtgeburten als die anderen Landestheile. Nach den anderwärts gemachten Erfahrungen dürfte diese Erscheinung im Zusammenhang mit der Beschäftigungsweise stehen. Von 1422 Neugeborenen sind hier 261 im ersten Lebensjahr gestorben bezw. todtgeboren, gleich 18 Prozent, während für ganz Hessen die allgemeine Säuglingssterblichkeit einschließlich Todtgeburten 13 Prozent betrug. Noch höher, 19 Prozent, war die Sterblichkeit der Kinder von Zigarrenarbeiterinnen. Ein Arzt des Darmstädter Bezirks sagt aus,„ daß die Beschäftigung in Zigarrenfabriken sowohl durch die Einathmung des Staubes, als in Folge der sigenden Lebensweise und des Aufenthalts in einer staubigen, übelriechenden Atmosphäre die Entstehung von Unterleibsund Lungenleiden begünstige". Derselbe Berichterstatter fährt fort: ,, So lange die Kinder die Schule besuchen, sehen sie meist schwach und angegriffen aus. Sind dieselben aus der Schule entlassen und bekommen eine gesunde Beschäftigung in freier Luft, so erhalten sie bald ein blühendes und gesundes Aussehen. Kommt ein solches Mädchen von der Schulbank weg in eine Bigarrenfabrik, so wird dasselbe noch schwächlicher, blutarm und bleibt in der Entwicklung zurück." Lungenleiden, Schwindsucht, Unterleibsleiden, das Unvermögen, gesunde Kinder zu gebären, wie häufig sind das die Folgen frühzeitiger Fabrikarbeit, von der traurigen Unwissenheit in allen Zweigen der Haushaltführung gar nicht zu reden.
"
In wie hohem Grade die Fähigkeit, gesunden Kindern das Leben zu schenken und diese durch die Fährlichkeiten des ersten Lebensjahres zu bringen, von frühzeitiger Fabritarbeit beeinflußt wird, erhellt aus einer interessanten vergleichenden Tabelle, deren Aufstellung sich die Mainzer Assistentin angelegen sein ließ. Danach übersteigt die Säuglingssterblichkeit bei den Frauen, die vor und nach ihrer