Man sage nicht, wie Manche es thun, daß das Wahlrecht werth­Ios sei, weil es nur eine kleine Macht ist, die jeden Wähler in den Stand setzt, am Leben der Nation theilzunehmen. Man sage nicht, wie Manche es thun: Ich bin eine ruhige Frau, warum soll ich mich um diese Dinge kümmern?" Wenn diejenige eine ruhige Frau ist, welche sich um ihre eigenen Angelegenheiten fümmert und wünscht, ihre Pflichten gegen ihren Nächsten zu erfüllen, so sollte sie ganz besonders es bewillkommnen, wenn sich ihr Mittel und Wege bieten, ihrem Lande zu dienen, indem sie in ruhiger Weise ihre Meinung an der Wahlurne ausdrücken kann, ob dieser oder jener Mann im Stande ist, ihre eigenen Interessen, die ihres Nächsten und ihrer Volksgenossen in der Gesetzgebung zu vertreten.

Wir fordern alle Frauen auf, daß sie die dringende Noth­wendigkeit dieser Frage den Wahlkandidaten vorstellen, auf die sie Einfluß haben, daß sie sie überzeugen, wie wichtig es ist, die Schranken aufzuheben, welche die Nation des mütterlichen Einflusses in der Politik beraubt und die Frauen hindert, ihre Pflichten gegen das Vaterland zu erfüllen."

Frauenbewegung.

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Mit der Frage des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes be­schäftigte sich unter Anderem auch der zweite Internationale Kongreß für die Stellung und die Rechte der Frau, der in Paris getagt hat und seiner Zusammensetzung wie dem Charakter seiner Arbeiten nach weit weniger ein Kongreß der internationalen, als vielmehr lediglich der französischen Frauenrechtlerinnen radikalerer Richtung war. Die Forderung gesetzlicher Arbeiterinnenschutzbestim­mungen, welche die Sozialistin Mme. Vincent stellte und vertrat und die auch noch von anderer Seite Befürwortung fand, wurde als das Verlangen nach Ausnahmegesetzen gegen die Frauen" verworfen. Die radikalen Frauenrechtlerinnen, welche sich gegen den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz erklärten, bewiesen sammt und sonders durch ihre Ausführungen, daß sie für die Behandlung der Materie eine durch Sachfenntniß ungetrübte Auffassung mitbringen, dazu jene seichte Prinzipienreiterei, welche die soziale Gleichheit ohne Berücksichtigung thatsächlicher Sonderverhältnisse mechanisch und gedankenlos an der Elle abmißt. Wie blutwenig die Damen mit den einschlägigen Ver­hältnissen bekannt sind, erhellt aus Folgendem. Mme. Durand, die Chefredakteurin des Frauenblattes Fronde", behauptete entgegen allen vorliegenden praktischen Erfahrungen, daß der erhöhte gesetz­liche Schutz der Arbeiterinnen zu einer Herabsetzung ihres Lohnes führen müsse. Immerhin erklärte sich der Kongreß für den gesetz­lichen Schutz der gesammten lohnarbeitenden Bevölkerung, für gleiche Schutzbestimmungen ohne Rücksicht auf das Geschlecht der Arbeitenden. Des Weiteren nahm er eine ganze Reihe von Resolutionen und Be­schlüssen an, welche auf eine Regelung und Besserung der Arbeits­bedingungen abzwecken. So erhob er folgende Forderungen: Gleichen Lohn für gleiche Arbeit ohne Unterschied des Geschlechtes. Pflicht der staatlichen und kommunalen Verwaltungen 2c., diesen Grundsatz allen angestellten und beschäftigten Personen gegenüber zur Durchführung zu bringen. Uebertragung der Arbeiten, welche die Armenpflege ver­giebt, an Arbeiterorganisationen und nicht an private Unternehmer. Wahl der Gewerbeaufsichtsbeamtinnen durch Gewerkschaften von Ar­beiterinnen bezw. Frauenorganisationen. Einführung von Sitzgelegen­heit und Ruhezeit für alle in Verkaufslokalen 2c. beschäftigten Per­sonen ohne Unterschied des Geschlechtes. Ausdehnungen der gesetz­lichen Bestimmungen zur Regelung der Arbeitszeit auf das gesammte Personal des Handelsgewerbes und aller anderen Unternehmungen. Gesetzliche Festlegung eines achtstündigen Normalarbeitstags und eines vollen Ruhetags pro Woche ohne Herabseßung des Lohnes. Einfüh­rung der unentgeltlichen Stellen- und Arbeitsvermittlung durch die Behörden und durch Gewerkschaften und Genossenschaften. Gesetz­licher Schutz der Lehrlinge auch über ihre Arbeitszeit hinaus, ganz besonders im Betreff der hygienischen Bedingungen, unter denen sie leben und arbeiten. Schutz der Schwangeren vierzehn Tage vor und einen Monat nach der Entbindung, Möglichkeit für dieselben, diese Zeit in einer besonderen Anstalt zu verbringen. Gleichstellung der Dienstboten bezüglich der sanitären Bedingungen und der Ruhezeit mit den gewerblichen Arbeitern. Kontrolle der Arbeitszeit der minder­jährigen Dienstboten durch die Gewerbeaufsicht. Die letztere Forde rung hatte eine sehr starke Minderheit von Kongreßtheilnehmerinnen 70 gegen 110 gegen sich. Alles in Allem sprechen die vor­stehenden Beschlüsse von viel gutem Willen, wenn auch soweit die Interessen der Arbeiterinnen in Betracht kommen von Unklarheit und ungenügender Kenntniß der Verhältnisse.

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Bibliothek zur Frauenfrage in Berlin . Seit erstem Oktober befindet sich die Bibliothek zur Frauenfrage Berlin W, Kleist­straße 11, Gartenhaus part. Die Bibliothek ist wie bisher ge­

Berantwortlich für die Rebattion: Fr. Klara Zetkin ( Bundel) in Stuttgart .

öffnet: Donnerstag von 6-9 Uhr Nachmittags und Sonntag von 11-1 Uhr Vormittags. Auswärtige Abonnenten erhalten auch ferner­hin jeden Monat ein Postpacket Bücher. Der Katalog nebst Be­nutzungsordnung ist jederzeit gegen Einsendung von Mf. 0,40 durch die Bibliothekarin, Frl. Luise Guttmann, zu erhalten.

Zur Untersuchung der erstmalig inhaftirten weiblichen Personen in Berlin hat die Sittenpolizei eine Aerztin angestellt: Frl. Dr. med. Hacker. Frl. Hacker ist eine grungsätzliche Gegnerin der staatlichen Reglementirung der Prostitution.

Drei weibliche Vortragende an Schweizer Universitäten sind für das Wintersemester zu verzeichnen. Fräulein Rodrigue liest in Genf über Biologie, Frau Zebrowski hält an der Neuenburger Akademie Vorlesungen über deutsche Literatur, und Fräulein Tumarkin dozirt in Bern über Aesthetik.

Das Doktoregamen als Juristinnen haben letzten Sommer zwei Damen in Brüssel bestanden: Mme. Gilain, die ihre Studien in Brüssel absolvirte, und Mlle. Delchef, die in Lüttich studirte. Das Recht der Ausübung des juristischen Berufs vor Gericht haben die Frauen in Belgien noch nicht erhalten. Ein entsprechendes Ansuchen wurde dreimal verworfen: 1888, 1889 und 1890. Vor der Hand ist noch wenig Aussicht vorhanden, daß die Forderung der weiblichen Juristen auf gleiches Recht mit ihren Kollegen durchdringt.

Frauen als Erfinderinnen. In den vier Sommermonaten des laufenden Jahres wurden in Frankreich mehr als 70 Patente von Frauen erworben.

Die Staatsprüfung für den Posten eines Dampfboot­Stenermanns wurde kürzlich zum ersten Male von einem jungen Mädchen in Buffalo bestanden. Fräulein Roe, dies der Name der Dame, ist 24 Jahre alt und hat ihren Vater seit ihrer Kinderzeit auf seinen Nachttouren begleitet. Ihre Zeugnisse weisen nach, daß sie auf drei ihrem Vater gehörigen Schiffen Dienſt thut.

Ein weiblicher Rabbiner amtirt in der jüdischen Gemeinde von San Franzisko, es ist dies Miß Rachel Frank.

Ein weiblicher Chemiker als Mitglied der Kommission für Gesundheitspflege wurde in der Stadt Lyon im Staate Massachussets angestellt: Miß Marion Cowen. Sie ist die einzige Frau, die in der Gruppe der Neu- Englandstaaten ein derartiges Amt bekleidet.

Höhere Schulbildung für Mädchen in Frankreich . Nach einem amtlichen Bericht giebt es gegenwärtig in Frankreich 40 vom Staate unterhaltene Lyceen und 28 städtische Collèges für Mädchen, in der Kolonie Tunis besteht ein Mädchenlyceum. Bis zum Jahre 1880 existirten in Frankreich keine derartigen öffentlichen Bildungsanstalten, sondern nur höhere Privatschulen für Mädchen. Die Lyceen wurden im letzten Schuljahr von 8431, die Collèges von 3563 Schülerinnen besucht. Die Lyceen und Collèges, die ungefähr unseren Gymnasien entsprechen, bereiten auf den Besuch der Universitäten und höheren Lehranstalten vor.

Als Staatsinspektorin der öffentlichen Schulen von Idaho ( Vereinigte Staaten ) wurde Miß French zum zweiten Male er­wählt. Ihre Wahl wurde besonders von den Demokraten befür­wortet.

Zwei Frauenuniversitäten sollen gegründet werden, die eine in Japan , die andere in Honduras ( Zentralamerika ). In beiden Ländern sind Männer die Führer der Bewegung für höhere Bildung und Berufsthätigkeit der Frauen. In Japan ist es vor Allem Jiuse, der für die Errichtung einer Hochschule für Frauen in Tokio gewirkt hat. Im Laufe dieses Sommers wurde ihm die Genehmigung für Verwirklichung seines Planes ertheilt, auch erhielt er die Verfügung über ein Grundstück als Bauplatz für die Universität. Angesehene Persönlichkeiten haben bereits 130000 Yeu für das Unternehmen auf­gebracht und haben einen Ausschuß zur Förderung desselben gegrün­det. Die Hochschule soll im April nächsten Jahres eröffnet werden.

Zur Beachtung.

Die Referentinnen und Referenten, welche Vorträge über den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz übernehmen wollen, werden ersucht, sich baldigst mit der Unterzeichneten in Verbindung zu setzen. Das Gleiche gilt von den Genossinnen und Genossen, welche die ein­schlägige Agitation durch schriftliche Arbeiten unterstüßen können. Mit sozialdemokratischem Gruße

Ottilie Baader , Zentralvertrauensperson, Berlin W., Groß- Görschenstr. 38, II. Hof rechts, 3 Tr. Drud und Berlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .