gesetzes ist. Ob gerichtliche Entscheidungen vorhanden sind, die dies festlegen, ist mir zwar unbekannt, aber es ergiebt diese Auffassung des Aborts ohne Weiteres aus gerichtlichen Entscheidungen in ganz analogen( ähnlichen) Fällen. So ist z. B. entschieden, daß, wenn ärztliche Kunsthilfe bei Geburten nothwendig wird, die Krankenkassen für die dadurch entstehenden Kosten aufzukommen haben, da solche von der Norm abweichende Geburten als Krankheiten im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes aufzufassen sind. Die Fehlgeburt kann nun unter feinen Umständen als physiologischer( natürlicher) Vorgang aufgefaßt werden, sie ist immer ein pathologisches( frankhaftes) Er­eigniß, d. h. eine Krankheit im Sinne des Gesetzes. In Berlin wird denn auch unbedenklich, soweit nicht die Kranken selbst eine allge­meine Bezeichnung( Unterleibserkrankung oder dergleichen) wünschen, " Abort" oder Fehlgeburt" als Name der Krankheit" auf dem Krankenschein angegeben und es ist mir nicht bekannt, daß auch nur eine Kasse die Zahlung des Krankengeldes in solchen Fällen ver­weigert. Unter diesen Umständen aber ist eine solche Kranke, wenn man von der Nichtbezahlung der ersten drei Krankheitstage absteht, sogar in verhältnißmäßig günstigerer Lage als die Wöchnerin" im gewöhn­lichen Sinne des Wortes, denn die Letztere erhält nach§ 20 3iffer 2 des Krankenversicherungsgesetzes nur dann eine Unterstützung, wenn sie innerhalb des letzten Jahres, vom Tage der Entbindung ab ge= rechnet, mindestens sechs Monate hindurch einer auf Grund dieses Gesetzes errichteten Kasse oder einer Gemeindekrankenversicherung angehört" hat. Für den Abort bezw. die Fehlgeburt hat diese Ein­schränkung keine Geltung, allerdings auch nicht für das anormale Wochenbett. Letzteres erwähne ich namentlich deshalb, weil es, soweit meine Kenntniß reicht, in Arbeiterinnenkreisen nicht genügend bekannt ist. Gar nicht selten wird eine Wöchnerin, welche die Voraussetzungen des§ 20 Ziffer 2 des Krankenversicherungsgesetzes nicht erfüllt, bezw. welche wenigstens die erforderlichen Beweisstücke( Krankenkassen­bücher u. s. w.) nicht zu erbringen vermag, doch Krankengeld bean= spruchen können, weil der Wochenbettsverlauf durch Blutungen, Fieber oder dergleichen gestört ist und somit eine Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes vorliegt. Das wird um so eher an­gängig sein, als jede halbwegs vernünftige Kassenverwaltung ja in solchen Fällen gerne ein bis zwei Augen zudrücken wird.

Durchaus zutreffend hebt dagegen H. V. das Fehlen einer Schutz bestimmung für Fehlgeburtswöchnerinnen" in der Gewerbeordnung hervor und der Erlaß einer solchen Bestimmung erscheint wohl disku­tabel. Freilich wird man sich darüber nicht täuschen dürfen, daß gerade in dieser Beziehung die Kontrolle eine überaus schwierige sein wird. Die Schwierigkeiten beginnen schon auf dem rein medizinischen Gebiet. Der Arzt wird wenigstens in Berlin häufig erst zu gezogen, wenn der Abort im Wesentlichen abgelaufen ist, und nach einem Abort in den ersten Schwangerschaftsmonaten ist es, namentlich wenn die Kranke etwa noch unrichtige Angaben macht, häufig nicht möglich, eine sichere Diagnose zu stellen. Also ganz einfach wird die Lösung dieser Frage nicht sein.

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Dr. Kurt Freudenberg- Berlin .

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Am 24. und 29. Oktober fanden in Leipzig zwei je von 300-400 Personen besuchte öffentliche Frauen­versammlungen statt, in denen Genossin Duncker über Kohlennoth und Kohlenwucher" sprach. Die Referentin führte aus, daß die Lage der arbeitenden Klasse beginne, sich noch drückender zu gestalten wie bisher, einmal durch den Niedergang der Industrie, der sich be­reits in Lohnreduktionen und Arbeiterentlassungen äußere, und zweitens durch die Preistreibereien auf fast allen Gebieten des nothwendigsten Lebensbedarfs. Ganz besonders schwer laste die Vertheuerung des Brennmaterials auf dem Proletariat. Gestützt auf ein reichhaltiges Zahlenmaterial, theils aus amtlichen Berichten, theils aus Mitthei­lungen der Berg- und Hüttenarbeiterzeitung u. A., wies die Referentin nach, daß die sogenannte Kohlennoth von einer Handvoll Grubenbesitzer fünstlich durch Förderungseinschränkung und erhöhte Ausfuhr- be­günstigt durch Ausnahmetarife hervorgerufen worden sei. Die Riesengewinne der Kohlenmagnaten wurden in drastischen Gegensatz zu den elenden Lohn- und Arbeitsverhältnissen der eigentlichen Kohlen­produzenten, der Grubenarbeiter, gestellt. 13175 tödtliche Unfälle das und 47108 Verstümmelungen in den Jahren 1886 bis 1899 ist die Dividende der Arbeiter. Auch die Zwischenhändler tragen ein reichliches Theil zur Vertheuerung der Kohle bei. Gegenüber

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* Auch uns war das nicht zweifelhaft, doch veröffentlichten wir den Artikel mit Rücksicht auf die Anregungen, die er enthielt. Die Red. d. ,, GI."

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dieser Brandschaßung der Konsumenten haben sich die bisherigen Regierungsmaßregeln( Verbilligung der Kohleneinfuhr) als erfolglos erwiesen. Erschwerung der Ausfuhr und Organisation des Kohlen­einkaufs durch Gemeinden und Konsumvereine wären wirksame Mittel. Von Grund aus könne man die bestehenden Mißstände nur durch Verstaatlichung der Bergwerke kuriren, für die wir aber zur Zeit nur unter bestimmten Voraussetzungen eintreten können. Am Schlusse wurde folgende Resolution angenommen: Die heutige Frauenversammlung erklärt sich mit den Ausführungen der Referentin einverstanden und richtet an Staat und Gemeinde die dringende Forderung, daß sie der Kohlennoth nicht thatenlos zusehen, sondern energisch dagegen eintreten und den Werkbesitzern mitsammt den Spekulanten auf die raffgierigen Finger Klopfen. Als nächstliegende Maßregel empfiehlt die Versammlung den Großeinkauf von Kohlen durch die städtischen Behörden." Es fanden in den beiden Ver­sammlungen 57 Neuaufnahmen zum Verein für Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse statt. K.

Eine Agitationstour für die Arbeiterinnen- Vereine der Schweiz unternahm Genossin Ihrer im vorigen Monat. Obgleich die Frauenvereine in der Schweiz mit keinen gesetzlichen Schwierig­feiten zu kämpfen haben, entwickeln sie sich doch nur sehr langsam. Die meisten der Vereine bestehen schon seit Mitte der 80er Jahre. Einzelne neugegründete Organisationen, welche von vornherein die Unterstützung der Genossen fanden, sind schnell vorwärts gekommen. Obgleich die Versammlung in Basel an einem Samstag stattfand, war der Saal der Burgvogtei dicht gefüllt. Die Gesangsabtheilung des Arbeiterinnenvereins leitete die Versammlung durch ein frisches Lied ein. Zu den Ausführungen der Referentin über: Die Frau im Kampf ums Dasein", welche allseitigen Beifall fanden, sprachen noch die Genossen Greulich und der Arbeitersekretär Dr. Wassi­lieff. Den Aufforderungen, dem Verein beizutreten, folgten 50 Frauen und Mädchen, so daß der Verein nun 130 Mitglieder zählt. Basel ist eine industriereiche Stadt, die noch ganz deutschen Charakter trägt. Der Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft begegnen wir hier genau wie bei uns. Im Tannenhof in Schaffhausen fand am Sonntag Abend die zweite Versammlung statt. Obgleich das Weinlesefest und schönstes Sommerwetter war, hatte sich eine zahlreiche Zuhörerschaft eingefunden. Durch die an das Referat anknüpfende Diskussion wurde den weiblichen Arbeitern flar gemacht, wie nöthig es gerade die Arbeitsbedingungen in den Fabriken zu Schaffhausen machen, daß auch die Frauen und Mädchen lernen, durch die Organisation für ihre Menschenwürde und ihre Interessen einzustehen und einen ihrer Arbeit entsprechenden Lohn zu erringen. Ein gemüthliches Tänzchen hielt die Besucher noch bis Mitternacht zusammen. In Zürich fand die Versammlung im Kasino Außersihl statt. Der Be­such blieb hier weit hinter den Erwartungen der Vereinsleiterinnen zurück. Hier folgte dem Referat eine sehr lebhafte Diskussion, die in der Hauptsache der Frage galt, wie mehr Schwung in die Ar­beiterinnenbewegung zu bringen sei. Den strebsamen Leiterinnen des Vereins ist ein guter Erfolg zu wünschen. Ein ganz anderes Bild wies die Versammlung in Winterthur auf, einem freundlichen Industrieort. Ein dichtgefüllter Saal und vorwiegend Frauen als Versammlungsbesucher. Auch in Winterthur ein einiges Zusammen­gehen der Leiterinnen des Vereins und der Genossen. Der Versamm­lung wohnten zwei Pfarrer bei, Gesinnungsgenossen, von denen der eine in die Diskussion eingriff. Ein riesiges Eisenwerk ist es, in dem die meisten Arbeiter von Winterthur beschäftigt sind. Daß die Löhne hier wie auch anderwärts für die Erhaltung der Familie nicht aus­reichen, beweist der Umstand, daß sehr viele Arbeiterfrauen in der Hausindustrie einen Erwerb suchen und wie wir an anderer Stelle in nächster Nummer mittheilen wahre Bettelpfennige ver­dienen. Der Verdienst der Fabrikarbeiterinnen von Winterthur und Umgegend ist übrigens, wie wir dort zeigen, ebenfalls ein erbärm­licher. In Frauenfeld , wo allein in einer großen Schuhfabrik 600-700 Arbeiterinnen beschäftigt sind, in anderen Betrieben eben­falls eine stattliche Zahl, erfreute sich die Versammlung eines starken Besuchs. Der dortige Arbeiterinnenverein besteht erst seit einigen Monaten, zählte aber doch bereits 70 Mitglieder, denen sich in Folge der Versammlung 17 neue zugesellten.-

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In Rorschach am Bodensee sind die Arbeiterinnen Mitglieder ihrer betreffenden Gewerkschaften, es besteht kein Arbeiterinnenverein, wenigstens kein solcher, der als Kampfesorganisation zur Erzielung besserer Arbeitsbedingungen betrachtet werden kann. Dagegen giebt es am Orte einen Katholischen Arbeiterinnenverein, der vom Pfarrer und den Aufsehern der größten Stickereifabrik, Feldmühle" genannt, ge­leitet wird, die den Herren Loeb, Schönfeld& Cie. gehört. Die ge­nannte Organisation besitzt einen Arbeitsnachweis nur für katholische Arbeiterinnen, Mitgliedern des Textilarbeiterverbandes wird keine Beschäftigung vermittelt. Der Verein wurde, vielsagend genug, nach