196

fanden statt in Gelenau i. Erzg., Hohenstein- Ernstthal ,| Chemnitz ( zwei Versammlungen), Kappel, Gablenz, Grüna, Döbeln , Roßwein , Geringswalde , Leisnig und Waldheim . In Hartha konnte leider die anberaumte Versammlung nicht statt­finden, weil den dortigen Genossen das Lokal, welches denselben bereits seit zehn Jahren zur Verfügung steht, vom Wirthe in letzter Stunde entzogen wurde. Die Referentin sprach über" Weltmachtspolitik" und über Kohlennoth und Brotwucher". Die Versammlungen waren alle gut besucht; besonders waren recht viel Frauen anwesend, die den Ausführungen aufmerksam lauschten. An ihrem Gesichts­ausdruck konnte man erkennen, welch reges Interesse sie an dem Vortrag nahmen. Bei jeder Gelegenheit zeigt es sich, wie bei der Proletarierin das Verständniß für das öffentliche Leben, für die Politik, um die sich die Frau bekanntlich nicht kümmern soll, immer mehr und mehr wächst. Wie stark das Verlangen nach politischer Aufklärung, das Interesse am öffentlichen Leben ist, bekundeten verschiedene Frauen dadurch, daß sie einen Weg von und 2 Stunden nicht scheuten, um der Versammlung beiwohnen zu können. Dabei ist zu beachten, daß die Betreffenden am anderen Morgen schon um 6 Uhr wieder an die Arbeit mußten. Nur der Philister kann heut noch davon faseln, daß den Frauen das öffentliche Leben nichts angehe. Der Vorurtheilslose fann sich nur wundern, daß bei den heutigen Ver­hältnissen es noch Frauen giebt, die den politischen Fragen gleich­giltig gegenüberstehen. Sind es doch gerade die Frauen, ist es doch gerade das weibliche Proletariat, das am meisten unter der Aus­beutung, und Unterdrückung leiden muß. Wie empfindlich werden nicht die Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen von den Raubzügen be­troffen, welche das Kapital in Gestalt der Weltmachtspolitik, des Brot und Kohlenwuchers unternimmt. Die Weltmachtspolitik legt ihnen nicht nur die Steuer an Gut auf, sondern auch noch die Blut­steuer, manche Mutter zittert in Angst und Sorge um ihr Kind. Die ständige Bertheuerung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse durch die Machenschaften kapitalistischer Ausbeutungsflüngel, durch Zölle und Ab­gaben mehrt die Sorgen der Frauen des arbeitenden Volkes, des Mittel­standes. So erwachen diese immer mehr zum Nachdenken über ihre Lage, und der rege Besuch unserer Versammlungen seitens der Frauen ist erklärlich; natürlich ist ihr Interesse an den Ausführungen, ihre begeisterte Zustimmung zu der sozialistischen Auffassung. Von den Verhältnissen herausgefordert und gefördert, schreitet das Werk der Aufklärung des weiblichen Proletariats vorwärts und führt dem Sozialismus neue Kämpferinnen zu. M. G. In Anhalt unternahm Genossin Tröger Offenbach im

Howa- Frauen.

Bach ,, La Fronde" von Eugenie Jacobi.

Auf Madagaskar machen die Howas den Haupttheil der Bevölkerung aus. Zu den sie auszeichnenden Eigenthümlichkeiten gehört der Platz, den die Frau einnimmt. Dieselbe wird nicht als eine Geächtete oder als bloßes Arbeitsthier angesehen. Un­eingeschränkte Gleichberechtigung zwischen ihr und dem Manne be­steht bis zu einem gewissen Grade. Das herangereifte Mädchen ist zum Beispiel Herrin seiner selbst. Es genießt in geschlecht­licher Beziehung die Freiheit, die anderwärts einem achtzehn- bis zwanzigjährigen Jüngling gestattet ist, und wenn es dieselbe ge­braucht, so gilt es darum so wenig für entehrt wie jener.

Die Howas haben betreffs des Verkehrs der Geschlechter und der Sittlichkeit ganz andere Anschauungen und Begriffe, als wie sie bei uns herrschen. Ihrer Auffassung nach wird eine Frau auch durch das freieste Liebesleben nicht entwürdigt. Wohl stellen sie die Mutter, die emsig an der Seite des Gatten und im Kreise der Kinder waltet, höher als eine solche Frau, aber sie verachten auch die Frauen nicht, die alle Fesseln abstreifen. Alte Jungfern" fennt man bei den Howas nicht.

In ihren Augen kann der Frau nur ein Makel anhaften, nämlich die Kinderlosigkeit. Sie erblicken hierin das Anzeichen eines körperlichen Gebrechens und geißeln sie mit beißendem Spotte. Zu einer glücklichen ehelichen Vereinigung gehören ihrer Ansicht nach Kinder. Die Geburt eines Kindes wird freudig begrüßt und durch Feste gefeiert. Bekannten macht der Vater von dem erwünschten Ereigniß in folgender Form Mittheilung: ,, Meine Frau ist auferstanden." Die Geburt wird als ein Kampf zwischen Leben und Tod betrachtet.

Der eigentlichen Heirath geht eine Art Versuchsehe voran.

Auftrag des Verbandes der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter eine Agitationstour. Sie hielt Versammlungen ab in: Raguhn , Dessau, Roßlau, Zerbst , Joniz, Calbe , Bernburg , Köthen , Nien­ burg und Coswig . In Jeßniz und Barby mußte die vorgesehene Versammlung ausfallen, in ersterem Orte weil Jahrmarkt war, im letzteren weil der Wirth den versprochenen Saal zurückzog. Auch sonst hatte die Agitationstour unter ungünstigen Umständen zu leiden. In Zerbst und anderen Orten ließ der Versammlungsbesuch zu wünschen übrig, weil ein großer Theil der Arbeiterschaft nach Feier­abend und Sonntags noch mit Feld- und Gartenarbeiten, wie Kartoffel= ausnehmen 2c., beschäftigt war. In Raguhn , Dessau , Roßlau , Köthen und anderwärts waren die Versammlungen fast nur von bereits organisirten Arbeitern und Arbeiterinnen besucht, es fehlten gerade die noch unaufgeklärten und unorganisirten Lohnsklaven, die es für den Zusammenschluß zu gewinnen galt. Schuld daran trug nicht blos deren Gleichgiltigkeit, sondern auch die ungenügende Vor­bereitung der Versammlungen. Die Austheilung von Handzetteln vor den Fabriken war in manchen Orten unterblieben, ebenso das Anschlagen von Plakaten. Da aber gerade sehr viele unorganisirte Arbeiter, ganz besonders aber die Arbeiterinnen keine Zeitung lesen, so war das Stattfinden der Versammlungen gar nicht genügend be­kannt geworden. Der Umstand, daß 10 Pf. Eintrittsgeld erhoben wurden, hat ebenfalls den Versammlungsbesuch geschädigt. Es scheint uns im Interesse der Aufklärungs- und Organisationsarbeit geboten, auf derartige Mängel hinzuweisen, damit sie in anderen Fällen ver­mieden werden. Die Größe und Wichtigkeit der Arbeit, die es unter den ungelernten Arbeitern und Arbeiterinnen zu leisten gilt, fordert nachdrücklich eine sehr sorgfältige Vorbereitung der Agitation.

"

C. T.

In Berlin und Umgegend hielt Genossin Zettin mehrere Versammlungen ab. Jn Spandau referirte sie über Weltpolitik und Chinakrieg", in Berlin im 6. Wahlkreis, am Vorabend der Wahl, über die Bedeutung des Wahlkampfes". Die glänzend besuchte Versammlung in Spandau , der zahlreiche Frauen bei­wohnten, erklärte sich in einer scharfen Resolution gegen die Politik der gepanzerten Faust und das Chinaabenteuer. Die Versammlung in Berlin war, wie alle Wahlversammlungen derart überfüllt, daß sie eine Stunde vor ihrem Beginn polizeilich abgesperrt wurde. Die Diskussion brachte eine interessante Auseinandersetzung mit mehreren Anhängern des Zentrums. Ihre Versuche, dieses als Partei der Arbeiterfreundlichkeit anzupreisen, wurden an der Hand eines reichen Thatsachenmaterials von der Rednerin mit aller Schärfe zurück­

Ein junger Mann tritt zu derjenigen, die er als Lebensgefährtin erforen hat, in nahe Beziehungen. Er lebt mit ihr zusammen und heirathet sie erst, nachdem der Hauptzweck der ehelichen Ver­einigung gesichert ist: Nachkommenschaft. Es ist keineswegs selten, daß die Hochzeit erst ganz kurz vor der Geburt des Kindes statt­findet. Niemand wundert sich darüber, und die junge Frau ist gerade auf ihren Zustand sehr stolz. Mutterschaft gilt stets als etwas Rühmenswerthes.

Keinem Howa fällt es ein, Werth auf die Vergangenheit einer Frau zu legen. Eine Eifersucht, die sich auf die Beziehungen in der Zeit vor der Versuchs- und der eigentlichen Ehe bezieht, ge= hört zu den unbekannten Dingen. Durch das Hervorkehren der= selben würde der Howa sich nur lächerlich machen.

Nach dem Abschluß der dauernden Ehe, nachdem also ein fester Familienstand regelrecht begründet worden ist, steht der Frau nicht mehr das Recht der freien Verfügung über ihre Person zu. Nun gehört sie der Familie, dem häuslichen Herde an. Strenge ahndet das Gesetz den Ehebruch, und zwar schwerer beim Manne als bei der Frau. Letztere trifft nur in einem Falle die höhere Strafe, die härteste, die überhaupt für den Ehebruch vorgesehen ist. Dieselbe besteht in lebenslänglicher Ginterferung und wird über eine Frau verhängt, die ihren Mann hintergeht, während er dem Militärdienst obliegt. Die der Ehe vorangehende Versuchs­zeit wurzelt fest in unseren Sitten und behält hoffentlich noch recht lange Bestand", erklärte Jean Carol, ein sehr angesehener Howa. Auf die Jungfräulichkeit geben wir nichts. Sie erfüllt uns im Gegentheil mit Besorgniß und Mißtrauen. Wir legen jedoch aus­schlaggebenden Werth darauf, daß Eheleute zu einander passen. Bevor Mann und Frau sich zu einem langen Zusammenleben ver­einigen, müssen deshalb beide Gelegenheit gehabt haben, sich gegen­seitig prüfen zu können. Zeigt es sich, daß die nothwendige Ueber­einstimmung fehlt, so ist ein Abbruch der Beziehungen durchaus

"