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Metallarbeiterversammlungen sprach Genossin 3iet in letzter Zeit in Ohligs und Solingen . In Ohligs war trotz des un­günstigen Tages die Versammlung gut besucht, nur waren leider wenig Frauen erschienen, obgleich hier in der Schirmbranche sehr viele Arbeiterinnen beschäftigt sind. Die an den Vortrag sich knüpfende Debatte bewies, wie durch die unaufhaltsam fortschreitende technische Entwicklung den kleinen, bisher selbständigen Meistern in der Messer­und Echerenfabrikation die Konkurrenzmöglichkeit immer mehr er­schwert wird; wie die Frauen und Kinder mitarbeiten müssen, und daß trotzdem der Verdienst gegen früher gesunken ist. In Solingen war ebenfalls die Versammlung gut besucht, aber wiederum nur wenig von Frauen. Dabei sind die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der in der Korsettstangenfabritation beschäftigten Arbeiterinnen über­aus traurige. Wir werden darüber an anderer Stelle berichten. Die moderne Organisation der Metallarbeiter ist hier noch sehr jung. Bisher bestanden unter den Solinger Metallarbeitern nur eine Un­menge lokaler Branchenorganisationen, wie die der Messerschläger, Härter, Reider u. s. w. In der Folge hatte ein Fabrikant mit fünf bis acht Organisationen zu rechnen. Mehr und mehr bricht sich aber auch hier die Erkenntniß Bahn, daß das eine arge Kräftezersplitterung ist, die den Einfluß der Arbeiter eminent schwächt, und so wird hoffent lich die Zeit nicht mehr fern sein, wo sich sämmtliche lokale Organi­sationen dem Deutschen Metallarbeiterverband anschließen. Genossin Zietz referirte kürzlich des Weiteren in einer öffentlichen Versamm lung der Schneider in Elberfeld . Außerordentliche Mühe hat die Leitung der dortigen Filiale des Verbandes sich gegeben, um die Organisation auszubauen, leider war jedoch bisher das Ergebniß durchaus unbefriedigend. Auch die öffentliche Versammlung war nur mäßig besucht. Die meisten Schneider und Schneiderinnen sind Heim­arbeiter, denen äußerst schwer beizukommen ist, und doch bedürfen gerade sie der Aufklärung, der Verständigung und des Zusammen­schlusses, denn ihre Löhne sind überaus niedrige, ihre Arbeits­bedingungen im Allgemeinen ungemein traurige. In Hamburg war eine öffentliche Versammlung aller in der Wäschekonfektion und Korsettfabrikation beschäftigten Arbeiterinnen einberufen, in der Genossin Zieß über Die Lohn- und Arbeitsverhält nisse und die Nothwendigkeit der Orgnisation" dieser Arbeiterinnen referirte. Auch diese Versammlung war mäßig besucht. Erstens herrscht in den betreffenden Industriezweigen meist Heim­arbeit, und dann sind die Arbeiterinnen so überaus ängstlich, daß sie nicht wagen, in eine Versammlung zu gehen. Mit dem Erfolg konnte man trotzdem vollauf zufrieden sein, traten doch dem Schneider verband 25 Personen bei, für welche eine besondere Sektion geschaffen werden soll. Es wird eine zweite Versammlung einberufen werden, zu welcher die neu gewonnenen Mitglieder eifrigst zu agitiren ver­sprachen. Hoffentlich wird sich in Hamburg recht bald eine größere Anzahl von Wäsche und Korsettarbeiterinnen einen Rückhalt in der Organisation schaffen und mit Hilfe derselben die schlimmsten Miß­stände der Branchen beseitigen.

L. Z.

Von der Organisation. Dank der Anregungen der Frauen­konferenz zu Mainz sind in den letzten Wochen bereits in den ver­schiedensten Gegenden weibliche Vertrauenspersonen der Ge­nossinnen gewählt worden. Als Vertrauenspersonen wurden gewählt: in Ottensen Frau Lichtenberg, in Preetz i. Holstein Frau Flenker, in Altona Frau Baumann, in Wandsbeck Frau Ewers. Als Kreisvertrauensperson für den 8. und 10. schleswig- Holsteiner Wahlkreis wurde Genossin Kähler- Barm­beck ernannt. Vertrauensperson für Elbing ist Frau Stamm, für Königsberg Frau Nowagrozki, für Düsseldorf Frau Gropp, für Rostock Frau Bugdahn. Die Genossinnen, welche Namen und Adresse ihrer Vertrauensperson der Zentralvertrauensperson noch nicht gemeldet haben, werden ersucht, das so umgehend als möglich zu thun.

Notizentheil.

( Don Lily Braun und Klara Betkin.)

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

0. B.

Die Arbeitsbedingungen der Schweizer Arbeiterinnen sind im Allgemeinen ebenso traurige und verbesserungsbedürftige, wie die ihrer deutschen Schwestern. In Winterthur sind die Arbeiter­frauen vor Allem in der Hausindustrie beschäftigt. Manche nähen Arbeitsblousen und Hosen und verdienen damit 25 Cts.( 20 Pf.). Den Nähfaden müssen sie von ihrem fümmerlichen Verdienst zahlen. Andere Hausarbeiterinnen fassen Schuhe ein. Auch bei größtem Fleiße kommen die Hausarbeiterinnen nicht über einen Tagesverdienst

von 90 Cts.( 72 Pf.) hinaus. Auch der Tagesverdienst der Fabrik­arbeiterinnen des Ortes ist sehr niedrig, er schwankt zwischen 1,50 und 1,80 Frcs.( 1,20 und 1,44 Mt.) und darunter. Zieht man in Be­tracht, daß in der Schweiz die Preise für Lebensmittel ziemlich hoch sind, ebenso die Wohnungsmiethen, so muß der angegebene Verdienst als ein geradezu erbärmlicher bezeichnet werden. Und doch müssen sich in Winterthur und Umgegend viele Hunderte von Arbeiterinnen damit begnügen. In Winterthur sind nämlich Arbeiterinnen beschäftigt: in der Seidenspinnerei 700-800, in der Elastikfabrik etwa 100, in einer Gelatinefabrik gegen 50; in zwei Schuhfabriken 350 und in einer mechanischen Stickerei 250. Jm benachbarten Töß beträgt die Zahl der Arbeiterinnen: in der Baumwollspinnerei bis zu 300; in der Bisquitfabrik 150; in einer Nudel- und Makkaronifabrik 75; in einer Karton- und Papierfabrik 200. Eine kleinere Zahl weiblicher Ar­beiter schafft außerdem in einer Licht- und Seifenfabrik. In Frauen­ feld ist die Lage der Arbeiterinnen kaum besser. In der dortigen großen Schuhfabrik allein sind abwechselnd 600-700 Arbeiterinnen beschäftigt. Es wird fast ausschließlich im Akkord gearbeitet; jugend­liche Arbeiterinnen verdienen täglich bis 80 Cts.( 65 Pf.), erwachsene bis 2 Frcs.( 1,60 Mt.). In einer Seidenweberei des Ortes schaffen 40-50 Arbeiterinnen, in einer Tabakfabrik 25, in einer Baumwoll­weberei 66. Arbeiterinnen jeder Kategorie flagen über niedrige Ent­lohnung. Die Firma Löb, Schönfeld& Co., Besitzerin der größten Stickereifabrik zu Rorschach , versteht sich ganz besonders trefflich auf die Ausbeutung und Unterjochung ihres Arbeitspersonals. Sie hat für ihre Lohnsklaven zahlreiche Cottages gebaut, die gleichsam neben der Stadt einen eigenen kleinen Ort bilden, einen Ort, in dem das Unter­nehmerthum fast schrankenlos herrscht. Der heute entlassene Arbeiter fliegt morgen schon mit seiner Familie aus der Wohnung, die kapitali­stisches Wohlwollen" ihm erstellt hat. Die unverheiratheten Arbeite­rinnen der Fabrik finden in besonderen Arbeiterinnenheimen Aufnahme. Sie stammen aus dem Auslande, ein Drittel von ihnen sollen Italie­nerinnen, zwei Drittel Württembergerinnen sein. Einheimische Ar­beiterinnen sind nicht zu bekommen, weil die Lohn- und Arbeits­bedingungen zu jämmerliche sind. Die Heime werden von katholischen Schwestern geleitet, welche die Arbeiterinnen auf ihrem Wege zur Kirche und heimwärts begleiten. Neueintretende Mädchen müssen sich der Firma zu dreijährigem Frohn verpflichten. Sie erhalten während dieser Zeit alles geliefert, was sie bedürfen, jedoch kein baares Geld. Beim Antritt heißt es, daß etwaige Ueberschüsse in ein Sparkassenbuch eingetragen werden. Nach Ablauf der Vertrags­zeit soll sich jedoch häufig herausstellen, daß die Mädchen für Klei­dung und Unterhalt der Firma noch schulden und in der Folge ge­zwungen sind, noch weiter bei Löb, Schönfeld& Co. zu arbeiten. Das raffinirt ausgeflügelte System der Ausbeutung und Versklavung der Arbeiterinnen funktionirt vortrefflich, und zwar, welcher Hohn! nicht zum mindesten dank des Eifers, mit dem Vertreter der katho­ lischen Kirche die Geschäfte des jüdischen Kapitals besorgen. So wurde wenigstens in öffentlicher Versammlung erklärt. In der Seiden­fabrik zu Kriens , wo neben 50 Männern 400 Arbeiterinnen schaffen, verdienen erstere einen Tagelohn von 4 Frcs. bis 4,50 Frcs.( 3,20 bis 3,60 Mt.), lettere dagegen nur 1,50 Frcs. bis 2 Frcs.( 1,20 bis 1,60 Mt.). Die Arbeiterinnen in der Makkaronifabrik des Ortes sollen nur den niedrigsten der angegebenen Lohnsätze erreichen und obendrein noch unter sehr ungünstigen Zuständen im Betriebe leiden. Der Kampf für höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen ist auch für die Schweizer Arbeiterinnen eine Nothwendigkeit. Laut und eindringlich predigen ihnen deshalb die Thatsachen den Segen der Organisation.

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Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

E. J.

Die Gruppe der sozialistischen Frauenrechtlerinnen von Paris hat eine Aktion beschlossen, um die Aufhebung des Artikel 340 des Zivilrechts herbeizuführen, welches die Nachforschung nach der Vaterschaft verbietet, sowie die Festlegung gesetzlicher Be­stimmungen, welche diese Nachforschung möglich und wirksam machen. Der Kammer soll eine entsprechende Eingabe zugehen, für welche die sozialistischen Frauenrechtlerinnen Unterschriften sammeln. Eine drei­gliedrige Kommission ist mit dem Studium der einschlägigen Fragen und mit Durchführung der zu unternehmenden Schritte beauftragt. Versammlungen, Vorträge, Artikel sollen die Forderung unterstützen und ihr die Sympathie weiterer Kreise gewinnen. Aufgabe der Kommission ist es unter Anderem auch, andere politische und soziale Organisationen, welche die eingeleitete Agitation fördern wollen, mit Material und Rednerinnen zu versorgen.

Eine Protestbewegung der Wiener Genosfinnen gegen die Entziehung der Wöchnerinnenunterstützung ist kürzlich ein­geleitet worden und wird energisch betrieben. Ihr liegt folgender