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arbeit zu zerstören. Der Transvaalkrieg und die Chinawirren| haben neuen, gefährlichen Brennstoff aufgehäuft. Ein Fünfchen, und es schlägt lodernd die Flamme empor, die zum Weltkrieg, zum Weltbrand anwächst.

Friede auf Erden! Den christlichen Deutschen wird als Weih­nachtsgeschenk die frohe Nachricht beschert, daß die Profite der Kanonenkönige sich mehren werden, weil die Einführung verbesserter Mordwerkzeuge bevorsteht. du fröhliche, o du selige, gnaden bringende Weihnachtszeit", mag wohl Herr Krupp im Chor mit seinen Erwerbsgenossen" singen. Stimme auch du ein, deutscher Steuerzahler, auch dir fällt dein Theil der Gnade zu: du darfst die Rechnung begleichen. In allen Ländern, die sich zum Friedens evangelium bekennen, Rüstungen und kein Ende. Gelehrte, In­genieure, Techniker zermartern sich das Hirn, um für den Krieg zu Wasser und zu Lande die vollkommensten, leistungsfähigsten" Mordmaschinen, die furchtbarsten Zerstörungsstoffe auszuflügeln. Tausende und Tausende von Händen sind durch die Noth des Lebens gezwungen, auf nüßliche Arbeit zu verzichten und im Dienste der Mordkultur zu frohnden. Millionen und Milliarden von Mark den Bedürfnissen des Voltes abgepreßt, Pfennig um Pfennig den Darbenden, den Hungernden aus den Fingern genommen; Millionen und Milliarden von Mark den dringlichsten Kulturzwecken ent­wendet dem Unterricht der Jugend, der Versorgung der Kranken, Alten und Bresthaften, der Pflege von Wissenschaft und Kunst­werden zu Nuß und Frommen des völkerverderbenden Militarismus und des Aegirkultus vergeudet.

Friede auf Erden! Innerhalb der christlichen Nationen tobt der Klassenkampf zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten in aller Schärfe. Die Kapitalistenklasse braucht und mißbraucht ihre Geld­sacks macht, um die Klasse der Habenichtse und wenig Besitzenden so schonungslos auszuplündern, so vollständig zu versklaven, wie es fremde Eroberer nicht schonungsloser, vollständiger zu thun ver­möchten. Die Kapitalistenklasse braucht und mißbraucht ihre politische Macht, die Gewalt ihres Staates, um die Masse der Arbeitssklaven in Ausbeutung und Unfreiheit zu halten, um jedes Ringen ihrer seits für Brot, Bildung, Freiheit, für alles, was das Leben lebens­werth macht, durch Gesezesterte, Gesezesauslegungen und Zwangs­maßregeln zu ersticken.

Friede auf Erden! Von dem Kriege der Genießenden und Unterdrückenden wider die Entbehrenden und Unterworfenen zeugt das Gespenst der Zuchthausvorlage, das in den berüchtigten Streik­postenverordnungen umgeht und Büttelbelieben zu Gunsten des Unternehmerthums über Reichsrecht zu Gunsten der Arbeitenden stellt. Von diesem Kriege erzählt der Zwölftausendmarkskandal, der staatliche Gewalten in einem Trinkgelderverhältniß zur Klique der bösartigsten Scharfmacher zeigt. Von diesem Kriege berichtet der Kohlenwucher, der Brot- und Fleischwucher, die Auspowerung armer Miether durch das Hauspaschathum.

Friede auf Erden! Den Unfrieden einer Gesellschaft, die sich auf der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen aufbaut, empfindet die sorgenbelastete Arbeiterfrau, die färglich entlohnte Arbeiterin, deren schmales Einkommen durch die Besteuerung und Vertheuerung der unentbehrlichsten Lebensbedürf­nisse noch mehr geschmälert wird. Im falten Stübchen, inmitten der frierenden Kinderschaar erinnert die Kohlentheuerung die Frau daran, daß ihr und ihren Angehörigen in Gestalt der Zechenbarone und Kohlenritter ein rücksichtsloser Feind gegenübersteht. Die Ar­beiterin, der kurz vor den Feiertagen der Lohn gekürzt wird, oder die des Brotes ganz verlustig geht; die proletarische Hausfrau, der der Mann seit Monaten schon ein geringeres Wirthschaftsgeld als sonst in die Hand drückt, oder der er scheu die Kunde bringt, daß er aufs Pflaster geflogen ist: sie spüren, daß sie Besiegte im Kampfe mit einem übermächtigen Gegner find. Die nämliche Thatsache flüstert die Mutterliebe der Frau zu, die schmerzdurch­bebten Herzens vor den glänzenden Schaufenstern steht, hinter denen sich in bunter Herrlichkeit der Tand birgt, der so viel Lust, Anregung und Glück in das Kindesleben hineinträgt. Nur ein Stückchen von all der lockenden Herrlichkeit, wie würden die Kleinen daheim jauchzen! Aber die Hand der Mutter ist leer. Die Prole­tarierin und ihr Mann haben mit ihrer Arbeit den lichtstrahlenden Baum in der Villa des Fabrikanten geschmückt, haben mit ihrem

Mühen die kostbaren Geschenke auf seine Tafel gebreitet, und sie selbst und ihre Kinder stehen vor leeren Tischen, glücklich, wenn sie die Feiertage über genug zu brocken und zu beißen haben. Sie find Bestegte im wirthschaftlichen, im sozialen Kampfe, für sie kein Frieden auf Erden, kein Wohlgefallen.

Friede auf Erden! In all den Ländern, die sich mit phari­säerhaftem Stolze ihrer Kultur, ihres Christenthums rühmen, lebt die breite Masse des werkthätigen Volkes in Dürftigkeit dahin, wenn nicht gar in schwarzer Noth, aus den lichten Gefilden der Wissenschaft und Kunst verbannt, der Verkümmerung ihres Menschen­thums preisgegeben. Jeden Zollbreit Kulturland, jeden Schritt aufwärts und vorwärts muß sie im heißen Kampfe erstreiten. Auch die kleinste Verbesserung ihres Looses fällt ihr nicht mühelos in den Schoß, sie muß unter harten Opfern dem ausbeutenden und unter­drückenden Gegner abgerungen werden. Je zehrender die Sehn­sucht nach einem Empor ihres Wesens und ihres Lebens in der Brust der Enterbten lodert; je klarer die Aufgabe vor ihrem Auge steht, ihr eigener Heiland zu sein; je leidenschaftlicher sie an ihren Stetten rütteln: um so brutaleren Widerstand setzen ihnen die Nutz­nießer der heutigen Ordnung der Dinge entgegen, um so erbitterter entbrennt der Kampf von Klasse zu Klasse.

Die Furchtsamen und Kurzsichtigen mag das Tosen der sozialen Kämpfe unserer Tage schrecken. Stämpfe unserer Tage schrecken. Wer das Walten der geschicht­lichen Kräfte verfolgt, die am sausenden Webstuhl der Zeit ihr Werk thun, dem fündet es feierlicher, zuversichtlicher als Weih­nachtsgeläut das Nahen des Friedens auf Erden. Denn nicht am Baume der Klassenausbeutung und Klassenherrschaft wächst als köstliche Frucht die Harmonie der Interessen von Mensch zu Mensch, von Volk zu Volt. Sie reift nur in der sozialistischen Ordnung, die mit dem Gegensatz zwischen ausgebeuteter Arbeit und ausbeu­tendem Besitz auch die Feindschaft zwischen den Staaten und Nationen beseitigt. Und nicht erhabene Traumbilder, vielmehr die harten Nothwendigkeiten seiner Klassenlage zwingen das Proletariat, nicht eher zu ruhen und zu rasten, bis es aufbauend und kämpfend zu­gleich die sozialistische Gesellschaft begründet hat. Was das Christen­thum der erlösungsbangen Menschheit nicht zu bringen vermochte, das kämpfende Proletariat wird es ihr erringen: Friede auf Erden. In den Kampf denn, auf daß es Friede werde!

Die Frau in der Gewerkschaff.

Ueber das Thema Die Frau in der Gewerkschaft" sprach Legien, der berufenste Führer auf dem Gebiet der deutschen Gewerk­schaftsbewegung, in dem Verein der Frauen und Mädchen der Ar­beiterklasse Berlins . Klar und übersichtlich entwickelte der Redner die Ursachen des verhältnißmäßig geringen Antheils der Frauen an den Arbeiten und Bestrebungen der Gewerkschaft. Klar und nach­drücklich zeigte er die Wege zur Verdrängung ihrer anscheinenden Theilnahmslosigkeit. Bei der Wichtigkeit der behandelten Frage und der Sachkenntniß des Referenten geben wir das Wesentlichste der Ausführungen Legiens an dieser Stelle wieder.

Die ganze Gewerkschaftsbewegung ist in Deutschland noch ver­hältnißmäßig jung, wie die große Industrie, die ihre unumgängliche Voraussetzung ist. Die erste Anregung zu engerem Zusammenschluß der Arbeiter gab der Kongreß der Arbeiterverbrüderung im Jahre 1848, welcher die Hebung der Lebensstellung der Arbeitenden zum Zwecke hatte. Und auf diesem Kongreß fand sich auch die Führerin der damaligen Frauenbewegung ein, Luise Otto , mit der Forderung, neben den Brüdern auch der Schwestern zu gedenken und die Arbeiterinnen in den Bund der Mitstrebenden aufzunehmen. Wie anders damals die Verhältnisse und damit die Auffassungen waren, spiegelt sich deutlich in dem Saße ihres Sendschreibens wieder, daß selbstverständlich die Frau nicht in jeden Beruf passe, so wenig in das Gewerbe der Schlosser oder Schmiede, als in das hoher Staatsbeamter. Heute befinden sich nach der Gewerbezählung von 1895 im Schlossergewerbe 800 Frauen, 1020 bei den Grobschmieden. Und daß noch keine Frau ein hohes Staatsamt inne hat, liegt nicht an der Ueberzeugung, daß das weibliche Geschlecht dafür nicht passe. Auch Leute, die weit weniger radikal sind, als es Luise Otto war, sehen kein inneres Hinderniß, welches die Frau aus den Staatsämtern fern halten müsse.

Die Männer waren zur Zeit des Kongresses und noch lange nachher weniger aufgeklärt als heute. Die Furcht vor der Konkur­renz der Frauenarbeit bedingte lange eine feindliche Stellung ihrer­seits gegen die Berufsarbeiterinnen. Diese Furcht fand ihren Aus­