Nr. 1.
11. Jahrgang.
2. H69/ 7
Die Gleichheit.
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Beitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.
Die„ Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 2978) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.
Inhalts- Verzeichnik.
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Mittwoch den 2. Januar 1901.
Einladung zum Abonnement. - Soziale Fäulniß. Zur Lage der Arbeiterinnen in Mülhausen i. E. Von A. L. Die Wäschenäherinnen rühren sich! Von A. N. Aus der Bewegung. Feuilleton: Bet' und arbeit'! Von G. Herwegh.( Gedicht.)
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Notizentheil von Lily Braun und Klara Zetkin : Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. Soziale Gesetzgebung. Frauenbewegung. Adressenverzeichniß. Quittung.
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Einladung zum Abonnement.
Mit der vorliegenden Nummer beginnt der elfte Jahrgang der Gleichheit".
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Wie bisher so wird die Gleichheit" auch fernerhin mit aller Energie und Schärfe kämpfen für die volle soziale Befreiung der proletarischen Frauenwelt, wie sie einzig und allein möglich ist in einer sozialistischen Gesellschaft. Denn nur in einer solchen ver= schwindet mit den jezt herrschenden Eigenthums- und Wirthschaftsverhältnissen die Ursache jeder gesellschaftlichen Unterdrückung und Unfreiheit: die wirthschaftliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen Menschen; denn nur in einer solchen verschwindet mit den jetzt herrschenden Eigenthums- und Wirthschaftsverhältnissen der Gegensatz zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden, der soziale Gegensatz zwischen Mann und Frau, zwischen Kopfarbeit und Handarbeit.
Zuschriften an die Redaktion der„ Gleichheit" find zu richten an Frau Klara gettin( 8undel), Stuttgart , BlumenStraße 34, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furthbach- Straße 12.
Soziale Fäulnik.
Das Ende des Jahres, des Jahrhunderts hat uns einen jener Prozesse gebracht, welche mit wünschenswerthester Klarheit die sittliche Fäulniß und Verworfenheit aufzeigen, die unsere Gesellschaft unter der Hülle der Ehrbarkeit und Wohlanständigkeit in sich birgt. In geradezu erdrückender Fülle hat der Prozeß Sternberg Bild auf Bild des ekelhaftesten Lasters entrollt, in welchem sich die verkommensten Schichten des Lumpenproletariats und die verkommensten Kreise der oberen Zehntausend in schöner Verständnißinnigkeit ebenbürtig zusammenfinden. Und neben den Typen des wibernatürlichen Wüstlings, der zu allen Schurkereien bereiten Gelegenheitsmacherin, der Dirnen jugendlichsten, ja kindlichen Alters, furz neben den abstoßenden Gestalten Derer, die auf dem Markte der geschlechtlichen Ausschweifung suchend und feilbietend auftreten, ließ er die stattliche Reihe Jener vorüberziehen, die ihr Gewissen und die Wahrheit ebenso schmachvoll verschacherten, wie die Anderen die Möglichkeit zur Befriedigung perverser Neigungen. Kaum eine gesellschaftliche Schichte, die nicht unter den bestochenen Zeugen und den bestechenden Helfershelfern vertreten wäre, welche die Vertheidigung zu Gunsten Sternbergs aufrief. Der progige Großbourgeois wie der solide Kleinbürger und der vereidete Beamte, sie sind in trauter Gemeinschaft mit dem anrüchigen Privatdetektiv, dem versoffenen Dirnenvater und den Prostituirten jeglicher Stufe aufmarschirt, um gegen besseres Wissen den widerlichen Lüftling vor dem Zuchthaus zu retten.
Von dem Prozeß quillt ein schier betäubender Geruch weit fortgeschrittener sittlicher Fäulniß und Verwesung empor, einer sittlichen Fäulniß, die sich keineswegs auf das Gebiet des gemeinen, käuflichen Geschlechtsgenusses beschränkt, sondern die die verschiedensten Gebiete unseres sozialen Lebens, die alle Beziehungen von Mensch zu Menschen ergriffen hat und zersetzt. In dieser kapitalistischen Gesellschaft ist alles Waare, alles käuflich, von den dürftigen, unreifen Reizen frankhaft veranlagter, verlotterter Kinder, bis zur Fürsorge der Verwandten, den Achtungsbeweisen der vornehmsten Kreise, dem Wissen und Können der Juristen, dem Eide der Zeugen, der Ehre der Staatsbeamten: so predigt eindringlichst fast jede Episode, jede Thatsache des Prozesses. Jeder sinnliche Genuß,
Die Aufhebung dieser Gegensäge kann jedoch nur erfolgen durch den Klassenkampf: die Befreiung des Proletariats kann nur das Werk des Proletariats selbst sein. Will die proletarische Frau frei werden, so muß sie sich der allgemeinen sozialistischen Arbeiterbewegung anschließen. Und nur ihr, feineswegs aber der bürgerlichen Frauenrechtelei, die zwar zu Gunsten des weiblichen Geschlechts innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft reformiren will, aber grundsäglich eine Revolution der Gesellschaft zu Gunsten der ausgebeuteten Selasse zurückweist. Der charakterisirte Standpunkt, der Standpunkt des Klassenkampfs aber muß in einem Organ für die Interessen der proletarischen Frauen scharf und unzweideutig betont werden. Und dies um so schärfer, je mehr sich bürgerliche Frauenrechtlerinnen angelegen sein lassen, durch allgemeine humanitäre Phrasen und kleinliche Konzessionen an Reform= jedes sittliche Gut, jeder gesellschaftliche Werth war für Sternbergs forderungen der Arbeiterinnen Quertreiberei unter die proletarische Frauenwelt tragen und sie dem Klassenkampf entziehen zu wollen.
Gerade aber die proletarischen Frauen für den Klassenkampf zu schulen, das wird auch in Zukunft die vornehmste Aufgabe der „ Gleichheit" bleiben. Dem Ansturm der Reaktion gegen die sozia listische Bewegung zum Troz; der besonderen Reaktion gegen die tlassenbewußten Proletarierinnen zum Troz! Ihrem alten Programm getreu wird die„ Gleichheit" auch im neuen Jahre rufen zu dem Streit, wo ein Hüben und Drüben nur gilt." Wir hoffen, daß sich das Blatt damit die alten Sympathien erhalten und neue Sympathien erwerben wird.
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Die Gleichheit" ist im Reichspostzeitungskatalog pro 1901 eingetragen unter Nr. 2978, im württembergischen Katalog unter Nr. 131 und kostet vierteljährlich 55 Pfennig ohne Bestellgeld. Probe: und Agitationsnummern der„ Gleichheit" werden jederzeit gratis abgegeben.
Recht zahlreichen neuen Abonnements sieht entgegen Die Redaktion und der Verlag.
Gold feil. Die Geheimarchive von Behörden vermochte es sich
ebenso zugänglich zu machen, wie die Absteigequartiere der„ Mas
seusen".
Und so ist es nicht die schmußige Persönlichkeit Sternbergs allein, die zusammen mit Dirnen und Supplerinnen als gerichtet aus dem Prozeß hervorgeht. Es sind alle die Käuflichen und Gekauften ohne Unterschied, ob sie wie der Polizeikommissar Thiel dem Strafrichter verfallen sind, oder ob sie verstanden haben, aalglatt zwischen den Maschen des Strafgesetzes hindurchzuschlüpfen, die Sternbergs Gold in Eideshelfer seiner„ Unschuld" verwandelt hat. Es ist vor Allem die kapitalistische Gesellschaftsordnung, die als Nährmutter der großen, alle menschlichen Beziehungen vergiftenden Käuflichkeit wieder einmal auf der Anklagebank saß und verurtheilt worden ist.
Denn der Prozeß Sternberg hat für Jeden, der nicht seinen Kopf vor dem Anblick der Thatsachen in den Sand der Selbsttäuschung vergräbt, lichtvoll das Eine gezeigt: Die enthüllte soziale Fäulniß ist keine zufällige Erscheinung, die einzelnen Personen
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