Notizentheil.

( Von Lily Braun   und Klara Betkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels

und Verkehrswesens.

Ausdehnung der Frauenarbeit im preußischen Eisenbahn­dienst. Die berüchtigte Sparpolitik des Eisenbahnministers v. Thielen öffnet den Frauen ein neues Erwerbsgebiet. In den Bezirken Berlin  , Köln   und Breslau   werden versuchsweise" Frauen bei der Güter­abfertigung verwendet. Der Versuch wird sich bewähren, wie sich die Verwendung von Frauen als Schrankenwärter, Streckenarbeiter, Wagenpuzer, Telegraphisten, Fahrkartenausgeber bewährt hat. Wird doch die Einstellung weiblicher Arbeitskräfte bei der Güterabfertigung jene Folge zeitigen, welche für die Beurtheilung der Neuerung seitens der Eisenbahnverwaltung in erster Linie maßgebend ist. Die Ueber­schüsse werden steigen, weil die verwendeten Frauen niedrige Ent­lohnung erhalten und ihre Beschäftigung auf den Lohn der Männer drückt. Dadurch, daß Frauen bei der Fahrkartenausgabe verwendet werden, ist z B. der Durchschnittslohn der Fahrkartenausgeber nach weisbar heruntergedrückt worden. Der Staat übt den ausgebeuteten Arbeitsfräften gegenüber mögen sie mit der Hand oder dem Hirn thätig sein die schäbigsten Kapitalistenpraktiken.

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Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Wie nothwendig der Beitritt der Arbeiterinnen zur Ge­werkschaft ist, das führte auf der Konferenz des 21. Gaues des Holz­arbeiterverbandes, die im Dezember zu Bamberg   tagte, ein Dele­girter aus Nürnberg   eingehend und überzeugend aus. Er zeigte an vielen Beispielen, welche wichtige Rolle die Frauenarbeit heute in manchen Zweigen der Holzindustrie spielt. In der Pinsel, Bleistift- und Rammfabrikation werden immer mehr Frauen und Mädchen ver­wendet. In der Pinselindustrie ist es z. B. ein Ding der Unmöglich­feit, einen Lohnkampf zu führen, wenn nicht auch die weiblichen Ar­beiter als aufgeklärte und entschlossene Mitstreiterinnen Theil an ihm nehmen. Der betreffende Delegirte befürwortete deshalb nach­drücklichst, daß unter den Arbeiterinnen der Holzindustrie eine eifrigere Agitation als seither betrieben werde, damit sie über ihre traurige Lage aufgeklärt und dem Verband zugeführt würden, aber auch der

sich als unvermeidbar schon halb und halb abgefunden haben: die Familie Reschke wird, nachdem das legte Stück Möbel verkauft und der letzte Rest von Vorräthen verfault war, aus dem Keller gesezt.

Und da ist es Mine, die Vielgeschmähte, die den Alten für ihre späten Tage einen Unterschlupf gewährt. Es ist ihr gelungen, ihrem Manne eine Hausverwaltersstelle zu verschaffen, mit einer guten Wohnung und einem leidlichen Einkommen, das sie noch durch eigene Arbeit vermehren kann. So endet der Roman nach einer trüben Folge von Leiden und Kämpfen für die Ueberlebenden noch halbwegs befriedigend das wirkliche Leben geht nicht immer so schonend zu Werke!

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Das ist in Kürze der Hergang des neuesten Romans von Klara Biebig, den die Verfasserin in einem Briefe an den Schreiber dieser Zeilen ihren ersten sozialen Versuch" nennt. Niemand wird Frau Viebig die Anerkennung versagen, daß ihr Versuch" gelungen, und zwar gut gelungen ist. Es ist kein sozialer Tendenz­roman. Frau Viebig schildert die Dinge, wie sie sie sieht, ohne Schminke und Schmeichelei nach der einen oder anderen Seite. Wer sich über die Dienstbotenfrage unterrichten will, der wird dar­über im Leben und in der sozialpolitischen Literatur mehr und Genaueres erfahren, als aus Klara Viebigs Roman, und das Gleiche ist es mit dem Wesen und Vergehen des Kleinbetriebs. Wer aber diese sozialen Verhältnisse an glücklich erfaßten Vor­gängen aus der Wirklichkeit wahr und anschaulich geschildert, wer das Leben, das die Wissenschaft mit Thatsachen und Zahlen abthut, auch in dichterischer Vertiefung sehen will, der lese Klara Viebigs Buch. Die Szene, wie Mine in ihrer höchsten Bedrängniß mit ihrem Kinde zu ihren Eltern wandert, wie sie dort abgewiesen wird und wieder von dannen geht, dies ist mit einer tragischen Kraft ohne Gleichen geschildert, und die Hochzeitsfeier Mines mit Arthur ist ein Kabinetsstück des Humors. Solcher Glanzpunkte finden sich viele in dem Buche.

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Organisation erhalten blieben. Zu diesem Zwecke müßten vor Allem leichtfaßliche Flugblätter geschrieben und in Massen unter den Nürn­ berger   Arbeiterinnen verbreitet werden 2c. Die gemachten Vorschläge wurden von der Konferenz sympathisch aufgenommen und dem Gau­vorstand zu Nürnberg   überwiesen. Die verhängnißvolle Schmutz­konkurrenz der unaufgeklärten und unorganisirten Arbeiterinnen predigt den Arbeitern eindringlichst, daß sie nur ihr eigenes Interesse wahren, wenn sie mit aller Kraft für die Organisirung der weiblichen Arbeits­träfte eintreten. Und die Vortheile, welche die Organisation bringt, lehrt den Arbeiterinnen anschaulich, daß sie nur ihr eigenes Wohl fördern, wenn sie sich der Gewerkschaft anschließen. Lg.

Die dänischen Konfektionsarbeiterinnen organisiren sich. Der Verband der Näherinnen hat leßthin in Kopenhagen   fünf öffent­liche Versammlungen einberufen, die sich mit den Verhältnissen der Arbeiterinnen dieses Faches befaßten. Die in der Herrenkonfektion beschäftigten Arbeiterinnen sind gut organisirt und haben im vorigen Jahre den Unternehmern gegenüber einen Akkordtarif durchgesetzt, der ihnen eine Lohnerhöhung von über 25 Prozent gebracht hat. Der Verband der Herrenschneiderinnen hat über 1000 Mitglieder, dagegen ist es mit der Organisation der Wäsche, Blousen, Mäntel- und Handschuhbranche noch sehr schlecht bestellt, und dementsprechend sind die Lohnverhältnisse sehr traurige. Allgemein herrscht hier die Heim­arbeit. Der Wochenverdienst beläuft sich auf 6 bis 8 Kronen( 6,70 bis 9 Mt.) bei angestrengtester Thätigkeit. Die Versammlungen waren gut besucht und haben den Erfolg gehabt, daß sich ein großer Theil der Anwesenden der Organisation anschloß.

Gewerkschaftlich organisirte Arbeiterinnen im Staate New York  . Ende September 1900 waren neben 233500 männlichen 11832 weibliche Mitglieder in den Gewerkschaften des Staates New York  . Während seit Juni 1900 die Zahl der männlichen Dr­ganisirten um 3270 gefallen war, ist die Zahl der weiblichen um 1050 gestiegen. Ende September 1900 waren 6282 Konfektions- und Textilarbeiterinnen, 7 Arbeiterinnen im Transportgewerbe, 754 in Buchdruckereien beschäftigte, 3907 in der Tabakindustrie thätige, 477 in Theatern und Musikkapellen wirkende, 386 sich im Gastwirths gewerbe bethätigende und 19 in anderen Berufen wirkende Arbeite­rinnen organisirt. In den Gruppen Baugewerbe, Metall- und Ma­schinenindustrie, Nahrungs- und Genußmittelgewerben und in den Holzindustrien waren keine organisirten Arbeiterinnen gezählt worden. b- n.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Lohnverhältnisse der Berliner   Arbeiterinnen. Das Sta tistische Amt der Stadt Berlin   hat im Herbst 1897 eine Er­bebung über die Löhne der Berliner   Arbeiterschaft veranstaltet, bei welcher auch die Lohnverhältnisse der Arbeiterinnen beson­ders berücksichtigt worden sind. Die Ergebnisse der Erhebung sind im neuesten Statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin  " ver­öffentlicht worden. Bereits in früheren Jahren hatte die Gemeinde­deputation des Magistrats zu Berlin   in Gemeinschaft mit dem statisti­schen Amt ähnliche Enqueten veranlaßt und ihre Ergebnisse in den Jahren 1887, 1888 und 1891 veröffentlicht. Die betreffenden Auf­nahmen bestanden zum Theil nur in gutachtlichen Aeußerungen über die Lohnhöhe, zum anderen Theile in statistischen Mittheilungen der wirklich gezahlten Löhne und der Zahl der Arbeitskräfte. Solche An­gaben lagen jedoch in der Regel nur von Großbetrieben vor, da diese allein bei der Vertheilung von Fragebogen berücksichtigt worden waren. Die Ergebnisse der früheren Aufnahme waren deshalb sehr lückenhaft und durchaus nicht immer zuverlässig, ihre Bearbeitung war schwierig und ungleich. Um die Mängel zu vermeiden, welche durch diese Umstände bedingt waren, wurde für die Erhebung von 1897 Ie= diglich der Weg der Enquete gewählt. Zur Ausfüllung der Frage­bogen wurden nur Vereine, Krankenkassen und Innungen, nicht aber die Betriebe aufgefordert. Es erfolgten außerdem mündliche Befrag­ungen über Einzelheiten, um eine Klärung sich widersprechender An­gaben auf den Fragebogen zu erzielen. Leider wurde dieser Zweck nicht erreicht.

Der umfangreichen Tabelle, die als Ergebniß der Erhebung von 1897 im neuesten Statistischen Jahrbuch veröffentlicht ist, ent­nehmen wir die folgenden Angaben über den durchschnittlichen Jahresverdienst der Berliner Arbeiterinnen. Im Jahres­durchschnitt sollen verdient haben:

1. Jm Gärtnereibetriebe: Binderinnen aller Art 1043 Mt.; 2. in der Metall- und Maschinenindustrie: Gold- und Silberpolirerinnen 511 Mt., Vernicklerinnen, Galvaniseurinnen und Balancierarbeiterinnen 473 Mt.;

3. in der Textilindustrie: Spulerinnen und Hasplerinnen 399 Mt., Strickmaschinen- und Rundstuhlarbeiterinnen 338 Mt.,