fanen mißbraucht werde, sobald die Frauen gegen staatlich geschützte Uebel kämpfen, wie gegen die Bordelle. Die geistvolle Schauspielerin Frau Eysoldt wies auf den Gegensatz hin, zwischen der Verherrlichung der politisch kämpfenden Frau in der Kunst und der Entwürdigung und Niederbüttelung der politischen Frau im Leben. Frau von Ketelhode aus Schwarzburg- Rudolstadt forderte vereinsgesetzliche Rechtsgleichheit für Alle. Frl. Schneider überbrachte die Zustimmung des Landesvereins der preußischen Volksschullehrerinnen zu dem Protest. Frl. Augspurg behandelte den Ausschluß der Frauen aus der„ Gesellschaft für soziale Reformen", die doch auf die Mitarbeit der Frauen geradezu angewiesen sei. Sie stellte fest, daß die bürgerlichen Frauenvereine das Gesetz ungestraft seit Jahren übertreten. Die Sozialdemokratinnen seien besser daran, für sie sei der§ 8 des preußischen Vereinsrechts illusorisch, weil ihre Partei alle Versammlungen als öffentliche einberuft. Auch an Wahlvereinen dürften sie sich betheiligen. Als Versammlungsbesucherin erbat sich Genossin Steinbach das Wort und wies nach, daß es die Schuld des deutschen Bürgerthums sei, daß kein freies Vereins- und Versammlungsrecht ge= schaffen worden ist. Nachdem es 1848 mit Hilfe des Proletariats gesiegt, verbündete es sich mit der Reaktion, um wirthschaftliche Reformen einzuheimsen und das Volk niederzuhalten. So blieb auch die Stellung der Frau zum Vortheile des Mannes unverändert. Nur durch energisches Rücken nach links, wenn auch nicht zur Sozialdemokratie, könnten die bürgerlichen Frauen politische Rechte erkämpfen. Reichstagsabgeordneter Genosse Heine, der wie andere Abgeordnete eine Einladung zu der Versammlung erhalten hatte, wendete sich an der Hand von Thatsachen gegen die falsche Auffassung, daß die Sozialdemokratinnen besser vor dem Gesetz gestellt seien, als die Frauenrechtlerinnen. Bei Schließung des Ber liner Bildungsvereins im Jahre 1895 galten z. B. Vorträge als politische über:" Die Einrichtung der Charité"," Frauenkleidung", „ Nervenschwäche" 2c. Wenn die Polizei die Gesetzesübertretungen der Frauenrechtlerinnen nicht sehen wolle, so beweise das nur, daß sie dieselben für ganz ungefährlich halte. Der Nationalsoziale Herr von Gulach vertheidigte die angegriffene Gesellschaft für soziale Reformen", von deren, angesehenen" Mitgliedern Nationalliberalen und Zentrümlern(!!) er eine Einwirkung auf den Reichstag zu Gunsten der Frauen erhofft. Wollen die Frauen politische Rechte erringen, so müssen sie bei den politischen Parteien, ganz gleich bei welcher, mitarbeiten. Ein einziges, durch die politische Bethätigung der Frauen umstrittenes Mandat werde mehr Eindruck machen als ein Dutzend schöner Resolutionen. Die Frau sei nicht nur beliebt, vor allen Dingen sei sie gefürchtet, dann werde sie etwas erreichen. Die Versammlung, welche allen Rednerinnen und Rednern lebhaften Beifall gespendet hatte, nahm einstimmig die folgende Resolution an: Die am 10. Februar 1901 im Industriegebäude tagende öffentliche Versammlung erklärt die in mehreren deutschen Bundesstaaten noch herrschenden Beschränkungen der Frau im Vereinsrecht für überlebt, unhaltbar und unvereinbar mit der Stellung und den Aufgaben der Frau im 20. Jahrhundert.
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Die Versammlung fordert nach Art. 4, 16 der Reichsverfassung ein einheitliches Vereinsgesetz für das ganze Reich, in welchem für Männer und Frauen volle und uneingeschränkte Vereins- und Versammlungsfreiheit garantirt wird. Es ist unwürdig, die Bürger des Deutschen Reichs unter dem Druck einer politischen Unmündigkeit zu halten, welche die Angehörigen stammverwandter Völker, wie z. B. England, die Schweiz , zum Heile ihrer Staatsentwicklung nicht kennen."
Frauenrechtlerische Irrthümer. Frl. Augspurg hat in der Protestversammlung, von der wir oben berichteten, behauptet, die Sozialdemokratinnen seien dem Vereinsgesetz gegenüber besser gegestellt, als die bürgerlichen Frauen; ferner, Frauen könnten Mitglieder von Wahlvereinen sein. Die eine Annahme stimmt so wenig als die andere. Laut gerichtlicher Entscheidung dürfen in Preußen Frauen nicht Wahlvereinen angehören. Dagegen ist es ihnen gesetzlich gestattet, an Wahlkomites theilzunehmen, die kurz vor einer Wahl für den einen bestimmten Fall gebildet und nach der Wahl wieder aufgelöst werden. Die betreffende Organisationsform ist aber praktisch so geringwerthig, daß sie unseres Wissens bei keiner politischen Partei üblich ist. Was die Bethätigung der Genossinnen im politischen Kampfe, was ihre Mitarbeit innerhalb der Sozialdemokratie anbelangt, so ist sie nicht vom Gesetz begünstigt, sondern gegen das Gesetz erkämpft worden. Die sozialdemokratische Partei als Ganzes hat sich jederzeit bestrebt, ihrem Grundsatz von der Gleichberechtigung des Geschlechts entsprechend, den Frauen durch zweckmäßige Gestaltung der Parteiarbeit möglichst über die mangelnden politischen Rechte hinwegzuhelfen. Wo aber die Genossen ihre Haltung den Frauen gegenüber nicht von der Parteiauffassung leiten ließen, da haben sich die Genossinnen allmälig das Recht der Mitarbeit in der Arbeiterbewegung unter Formen errungen, welche sich mit den hinderlichen vereinsgefeßlichen Bestimmungen abfinden. Wo ein Wille ist, da
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ist auch ein Weg. Mit festem Willen und unter zahlreichen, harten Opfern haben sich die Proletarierinnen ihre Wege zur politischen Bethätigung gesucht. Was amtlicher Wit und Verstand irgendwie erflügeln fonnte, um durch die halsbrecherischesten Kunststücke der Gesetzesdeutung und die schneidigste Praxis des Vereins- und Versammlungsrechts ihnen die Betheiligung am politischen Leben zu verunmöglichen, das hat er reichlich und täglich gethan und thut es noch. Die Genofsinnen haben für die Niederbüttelung und Niederinterpretation ihrer Bestrebungen durch die reaktionären Gewalten stets die stolze Antwort gehabt:" Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht." Die Frauenrechtlerinnen werden dagegen weit mehr durch den eigenen mangelnden Willen als durch das Gesetz an der politischen Bethätigung gehindert.
Arbeiterinnenschutz und Frauenrechtelei. Die bekannte radikale, Frauenrechtlerin, Frl. Dr. Schirmacher, sprach Ende Januar in Zürich über„ Arbeiterinnenschutz". Nach dem Bericht des Züricher Volfsrecht" war der Vortrag ebenso seicht als konfus. Die Referentin anerkannte die Nothwendigkeit von besonderen Arbeiterinnenschutzgesetzen. Mit großem Behagen aber schilderte sie andererseits, wie es die Pariser Frauenzeitung„ Fronde" verstanden habe, dem Gesey, das die Nachtarbeit der Frauen verbietet, eine Nase zu drehen.( Die Gesetzesübertretung dieses frauenrechtlerischen Organs hat die Dame übrigens in Artikeln als einen Kampf um das Recht" gefeiert.) Sie zeigte, daß Arbeiterinnen und bürgerliche Frauenrechtlerinnen verschiedene Interessen haben. Dann aber forderte sie die Einen und Anderen zu einem Handinhandgehen auf. Der Vortrag und die anschließende Diskussion bewiesen ein ganz winziges Verständniß für die Interessen der Arbeiterinnen und äußerst geringe Sachkenntniß. Die Genossinnen, welche der Versammlung beigewohnt hatten, gingen denn auch mit der Ueberzeugung heim, daß die proletarischen Frauen nicht mit den Frauenrechtlerinnen gegen die Männer zu kämpfen haben, vielmehr mit den männlichen Genossen gegen die fapitalistische Gesellschaft.
Eine Frauenzeitung, die nur von Frauen geschrieben und gedruckt wird, wie dies bei der„ Fronde" in Paris der Fall ist, ist kürzlich in Fairfax im Staate Süd- Carolina gegründet worden.
Der Verband der Frauenklubs des Staates New York hielt Ende 1900 seinen sechsten Jahreskongreß in Albany ab. 400 Delegirte aus allen Theilen und Städten des Staates wohnten ihm bei. Die wichtigste Frage, mit welcher der Kongreß sich beschäftigte, war die Schulfrage. Befürwortet wurde eine einheitliche Gestaltung des Schulwesens, Erweiterung der öffentlichen Schulen, Aufhebung der schlechten Bezirksschulen und staatliche Fürsorge für die Beförderungsmittel, welche den Kindern in entlegenen Farmen den Besuch der öffentlichen Schulen ermöglichen.
Ein Kursus über Hygiene für Frauen wird in Königs berg in Preußen vom Oberstabsarzt Dr. Jäger abgehalten. Die Zuhörerinnen wurden zuerst über die Grundbegriffe der Bakteriologie unterrichtet, dann finden praktische Uebungen statt im Sterilisiren der Lebensmittel, im Desinfiziren und für die Behandlung ansteckender Krankheiten.
Eine Privatdozentin für Rechtsphilosophie an der Universität zu Rom . Fräulein Theresa Labriola, die Tochter des bekannten Sozialisten Professor Labriola , erhielt das Recht, als Privatdozentin an der juridischen Fakultät zu Rom zu wirken.
Adressen der weiblichen Vertrauenspersonen. Als Vertrauenspersonen wurden kürzlich gewählt: Frau Pauline Göckriz, Reichenbach i. Voigtl., Liebaustraße 6. Frau Quitt, Rigdorf bei Berlin , Hobrechtstraße 82, IV. Ottilie Bader, Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands .
Quittung.
Für den Agitationsfonds der Genossinnen gingen im Monat Januar bei der Unterzeichneten ein: Aus Gera durch Genossin Langheinrich 14,30 Mt.; aus Bern von Frau P. L. 50 Mt.; aus Berlin von Genossin M. H. 30 Mt.; von Genossin Hausw. ( Ertrag einer Sammlung) 10 Mt.; von Genossin Herzf. 20 Mt.; aus Mülhausen von Genossin A. 2. durch Genossin 3ettin 100 Mt. Summa: 224,30 Mt. Dankend quittirt
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