geringer Bruchtheil in die Fabrik geht, so z. B. 1853 von 9358 über 16 Jahre alten Arbeiterinnen im Magdeburger Bezirt, so müssen die übrigen Frauen auf andere Art das Fehlende herbeischaffen. Das geschieht in verschiedener Weise, je nachdem die Familien auf dem Lande, in kleineren oder größeren Städten wohnen. Die Frauen bestellen etwas Pachtacker, mästen ein Schwein, helfen in der Land­wirthschaft aus, halten Kostgänger, betreiben einen Handel mit Ge­müse und Aehnlichem, suchen Erwerb als Waschfrauen, Aufwarte­frauen, zur Aushilfe in Gastwirthschaften, als Schneiderinnen, Nähe­rinnen, Plätterinnen, Stickerinnen 2c. Besonders häufig gehen die verheiratheten Frauen dem Brote in solchen Industrien nach, wo Heimarbeit möglich ist. Manche der oben angeführten Erwerbszweige sind lohnender als die Fabrikarbeit, dafür setzen sie einen hohen Grad von Fleiß, Erwerbstalent, Geschicklichkeit, sowie auch von gewisser beruflicher Vorbildung voraus, ermangeln aber dabei nicht selten der Stetigkeit. Einzelne sind auch mit nicht geringem Risiko verbunden, z. B. die Viehmästung, der Handel, das Kostgängerhalten. Mit­verdienen und zu den Kosten des Familienunterhalts beitragen müssen so ziemlich alle Arbeiterfrauen. Die Ausführungen des Magde= burger Berichts widerlegen sicherlich die Auffassung, daß die Ar­beiterfrauen darum zur Fabrikarbeit förmlich drängen, weil sie zu anderen Arbeiten, auch zur Führung des Haushalts, unfähig sind. Ein Geistlicher im Magdeburger Bezirk äußert sich sehr zutreffend dahin, daß es gewöhnlich die Nothlage, nur selten die alte Gewohn heit ist, die verheirathete Frauen veranlaßt, Fabrikarbeit zu über­nehmen."

Aus dem Arnsberger Regierungsbezirk werden kurze that sächliche Angaben über 10 Spezialfälle gemacht und zwar aus einer größeren Weberei im Inspektionsbezirk Schwelm , die schon seit 1854 verheirathete Frauen beschäftigt. Darnach sind die Verhältnisse der 10 Frauen folgende: 1. Witwe, 68 Jahre alt, ohne Familie, 1 Sohn verheirathet, lebt allein, führt ihren eigenen Haushalt, schließt die Morgenarbeit um 11% Uhr, 1/2 Stunden Mittagspause. 2. Witwe, 44 Jahre alt, lebt mit ihrer Mutter zusammen, hat ein angenommenes Findelkind von 11 Jahren, die Mutter besorgt den Haushalt. 3. Frau, lebt getrennt von ihrem Manne, 27 Jahre alt, 2 Kinder von 2 und 3 Jahren, Haushalt führt die Mutter, welche sich durch Spulen im Hause ebenfalls einen Verdienst schafft. 4. Frau, seit 10 Jahren in der Fabrik, hat vor einem Monat geheirathet, ohne Kinder, lebt im Haushalt mit ihren Eltern. 5. Frau, Mann arbeitet ebenfalls in der Fabrik, ein 5jähriges Kind, die Schwiegermutter führt den Haus­halt. 6. Frau, Mann arbeitet, keine Kinder, Ehepaar geht zu der Mutter der Frau, welche im selben Hause wohnt, in Kost. 7. Frau,

Multatuli . Don M. W.

( Schluß.)

Die rechtliche und soziale Abhängigkeit des Weibes wird in einem anderen der Minnebriefe in folgender Weise beurtheilt von einer der weiblichen Briefschreiberinnen:

,, Als ich Deine Geschichte las, da erbebte mir das Herz, und ich fluchte des Loses, das mich verurtheilte zu zwanzig Jahren Mädchen und lebenslänglich unter der Aufsicht eines Mannes! " Denn ich bin ein Mädchen!

,, Und wenn ich dies bedauere, so ist es nicht wie bei Dir, der mich machen will zu einem Ideal, nein, ich wollte ein Mann sein, um handeln zu können, um auftreten zu können als Dein tapferer Kämpe. Ich frage, wie nur diese Männer sich alles zu eignen, sich alles anmaßen fönnen? Wie sie sich Geseze machen können zu ihrem Vortheil? Warum sie sich Häupter nennen des menschlichen Geschlechts? Und warum sie sich feige wegstehlen, sobald es etwas zu thun giebt, daß man gewohnt ist, wieder Unrecht! , männlich zu nennen?"

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An anderer Stelle heißt es:

-

schon

... Was giebt der Mann der Frau, die er lieb zu haben vorgiebt? Einen Shawl, eine Etagere, ein paar Kleider und die Kost?" O, geben Sie Ihrer Frau mehr, wenn Sie heirathen geben Sie ihr etwas Anderes! Machen Sie Ihre Frau zu einer Spar­tasse Ihrer Gedanken, zu einer Lebensversicherung Ihres Gemüths! Wenn dann die bösen Jahre kommen, werden Sie einsehen, daß ich recht habe."

In welcher Weise das Weib dafür sich dankbar erweist, sucht folgende Darlegung Multatulis auszuführen:

,, D, Sie wissen nicht, wie eine Frau lieb hat... Sie können nicht begreifen, mit wie hohem Wucherzins sie dem Manne die

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Mann arbeitet, ohne Kinder, die Mittagsmahlzeit nehmen die Ehe­leute bei einer bekannten Familie im gleichen Hause ein. 8. Frau, Mann dient seit 112 Jahren beim Militär, 1 Kind, wohnt bei den Eltern. 9. Frau, Mann dient seit Jahren beim Militär, 1 Kind, wohnt ebenfalls bei den Eltern. 10. Frau, Mann ist kränklich, Tag­löhner, häufig ohne Arbeit, keine Kinder, haben bei einer anderen Familie Kost.

Zu den Ursachen der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen, welche in den unbefriedigenden wirthschaftlichen Verhältnissen der Arbeiter­familie liegen, kommen noch hinzu die Gründe, aus denen die Unternehmer die verheiratheten Arbeiterinnen gerne be= schäftigen, ja sie den ledigen Arbeiterinnen vorziehen. Diese Gründe entspringen zunächst aus der zehrenden und drücken­den Sorge um die Existenz, um die dauernde Erhaltung der Arbeit und machen die Frau zur fügsamen und willenlosen Untergebenen des Ausbeuters. So ziehen die Unternehmer im Breslauer Be zirk die verheirathete Arbeiterin der unverheiratheten vor, weil sie bestrebt ist, sich durch Pünktlichkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit eine dauernde Beschäftigung zu erhalten, auch vor unsauberen Arbeiten nicht zurückschreckt und durch gutes Beispiel auf die jüngeren Arbeiterinnen erzieherisch einwirkt. Mehrfach erklärten Arbeitgeber, daß sie ohne einen Stamm tüchtiger Frauen gar nicht in der Lage sein würden, ihre Fabrikate in der jetzigen Güte herzustellen, da auf die jüngeren Arbeiterinnen fein Verlaß sei. Ordnung und Anstand würden gefährdet sein, wenn nicht etliche Frauen unter den Mädchen arbeiteten und sie im Zaume hielten." Diese Ausführungen enthalten zweifellos arge Uebertreibungen zu Ungunsten der jüngeren und ledigen Arbeiterinnen, aber andererseits bekunden sie, wie das Kapital die Tugenden und Sorgen der Frau und Mutter seinen Interessen dienstbar macht. Das zeigt auch der Koblenzer Bericht, in dem es heißt: Jüngere Arbeiterinnen haben durchgängig eine Abneigung gegen unsaubere und unan­genehme Arbeiten, welche in Folge dessen mit Vorliebe den an­spruchsloseren Frauen überlassen bleiben. So müssen z. B. die Lumpen­sortirereien vielfach Frauen beschäftigen." Und der München­Gladbacher Gewerbeinspektor berichtet, daß die Frauen eine viel größere Willigkeit zur Arbeit mitbringen, aufmerksamer, genauer, ge­wissenhafter, sorgfältiger als die Mädchen sind und nicht mehr so viel durch Vergnügungssucht abgelenkt werden( d. h. vollständig in der Arbeit aufgehen). Sie halten auch ausdauernder auf einem Platze aus, da sie sichere und beständige Arbeit suchen, während die ledige Arbeiterin häufiger wechselt. Die verheiratheten Arbeiterinnen bilden meist einen festen Stamm und den zuverlässigsten Theil des weiblichen

Eindrücke wiedergiebt, die er niederschrieb in ihre Seele!... Können die Frauen dafür, daß so viele Männer nichts nieder­zuschreiben wußten darin? Kann man Ernte erwarten, wo nicht gesäet ist...

"

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Aber das ist wahr! nicht alle Frauen sind fruchtbar, sagt man. Ich glaube, daß diese Unfruchtbarkeit in der Sphäre des Sittlichen meistens einer sehr unsittlichen Ohnmacht der Männer zugeschrieben werden muß..."

Aus seiner eigenen Eheerfahrung heraus preist Multatuli die reiche Wiedervergeltung, welche dem Manne zu Theil wird dafür, daß er dem Weibe seine Seele schenkt:

Wenn man tief niedergebeugt von Schmerz auf dem Punkte steht zu vergehen in Verzweiflung, dann tritt die Frau auf und zeigt Dir die Ernte ihrer Eheschaft. Lächelnd sagt sie: Warum weinst Du? Hast Du mir nicht einen Schatz zu bewahren gegeben? Siehe, wie ich gewuchert habe mit dem Talent, das Du niederlegtest in meinen Schoß. Wir sind reich, reich in Liebe, reich in Adel. Ich habe bewahrt, was Du weggabst! Ich habe gehegt und zu reichem Gewinn aufgezogen, was von Dir vergeudet wurde! Ich bin Deine Haushälterin gewesen, ja, die Haushälterin Deiner Seele.

"

Was betrübt Dich? Drückt Dich das Bitterwort? Ich nenne Dich groß, ich nenne Dich edel, ich, die ich allein Dich kenne und die Armen beklage, die Dich nicht kennen.

,, Was betrübt Dich? Leidest Du an Ehrsucht? Ich mache Dich zum König, ich kröne Dich! Achtest Du mich geringer als einen Bapst?"-

Multatuli kannte das Weib und seine Natur in ihren Tiefen sehr wohl. Er konnte von sich, wie von seinem Max Havelaar sagen:

" Havelaar hatte viel durchgemacht. Er hatte Schiffbruch ge=