Berlin   waren von 3100 Frauen 46( 1,5 Prozent) unter 20 Jahre alt, 1192( 42,5 Prozent) über 20 bis 40, 616( 19,9 Prozent) von 40 bis 50, 190( 6,1 Prozent) über 50 Jahre. Die jüngste Frau zählte 17, die älteste 76 Jahre. Das Durchschnittsalter der befragten Frauen betrug 33 Jahre. Das Kapital macht sich also die jüngste Frau wie die älteste Greisin dienstbar, wie es die proletarische Arbeits­fraft ausnutzt ohne Unterschied des Geschlechtes der Lohnsklaven, ohne Rücksicht auf ihre Aufgaben in Familie und Gesellschaft, auf alle menschlichen Beziehungen und Verhältnisse, welche das Leben lebens­werth machen: so beutet es sie auch ohne Unterschied des Alters aus. Profit einfäckeln ist ihm alles.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Zur Agitation unter den Arbeitern und Arbeiterinnen der Blumen- und Blattindustrie fanden Ende Januar Versammlungen in Dresden   und in Sebnih statt, letzteres ein kleines Städtchen, hart an der böhmischen Grenze. Die Arbeiter­schaft der genannten Industrie lebt unter überaus traurigen Verhält­nissen. Arbeiter und Arbeiterinnen sind gezwungen, nach der zehn­und elfstündigen Fabrifarbeit noch Arbeit mit nach Hause zu nehmen und bis tief in die Nacht hinein zu schanzen, um nur das Noth­wendigste zu verdienen. Kein Wunder, daß sie außerordentlich ab­gestumpft worden sind, deshalb auch schwer zu organisiren und auf den Weg der Selbsthilfe zu bringen. Die Versammlung in Dresden  brachte der Gewerkschaft einen Mitgliederzuwachs von 22 Personen. Beim Schlußwort entzog der Beamte der Referentin, Genossin Zieß, das Wort, und da diese dagegen opponirte, erklärte er die Versamm­lung für geschlossen. Genossin Zieß sagte dem Herrn, daß er sich nicht bemühen möge; die Versammlung zu schließen sei Sache des Vorsitzenden. Offenbar fam dem Hüter der Ordnung jedoch sein falsches Vorgehen gar nicht zum Bewußtsein, denn statt die Auflösung auszusprechen, begann er eifrig, sich den erfahrenen Widerstand" gegen seine Anordnungen zu notiren. Unter dem brausenden Beifall schloß nun der Vorsitzende die Versammlung mit einer zündenden Aufforde­rung zur weiteren Agitation. Glänzend besucht war die Sebnizer Versammlung, die der Gewerkschaft 25 Personen zuführte und in der ebenfalls Genossin Ziez referirte. Außer Arbeitern und Arbeite­rinnen war viel bürgerliches Publikum anwesend. In der Diskussion sprach ein Kaufmann und förderte so viel krauses Zeug zu Tage, daß es einer längeren Entgegnung seitens der Referentin bedurfte, um unter dem lebhaften Beifall der Arbeiterschaft seine Konfusionen zu entwirren. Im Gasthof Pieschen- Dresden und in Mügeln  sprach Genossin Zieh in öffentlichen Fabritarbeiter- Versammlungen, die außerordentlich gut besucht waren und dem Verband eine ansehn­liche Zahl neuer Mitglieder gewannen. In Mügeln   verfiel die erste Versammlung, die von circa 800 Personen besucht war, der Auflösung. Dafür erfreute sich die zweite, die drei Tage später stattfand, eines noch glänzenderen Besuchs, es wohnten ihr weit über 1000 Personen bei. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung" waren nicht nur drei Kriminalbeamte erschienen, sondern eine ganze Anzahl bis an die Zähne bewaffneter Gendarmen. Dieselben fanden natürlich keine Gelegenheit, eine Probe ihrer Schneidigkeit abzulegen, die Versamm­lung verlief in schönster Ordnung. Genossin Ziet dankte dem Herrn Beamten   für sein schneidiges Eingreifen in der früheren Versamm­lung, da es den glänzenden Besuch bewirkt habe. Ungewollt fördern auch die Gegner gelegentlich die gute Sache.

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L. Z.

Im Auftrag der Parteileitung in Oldenburg   sprach Genossin Ziez- Hamburg vom 16. bis 20. Februar in vier Volksversamm­lungen über die Stellung der Frau in der heutigen Gesell­schaft und über den Brotwucher. Versammlungen fanden statt in Jever  , Norden, Varel   und Bant- Wilhelmshaven  . Sie alle waren überfüllt und auch von Frauen sehr stark besucht. In Varel   waren die Landleute von stundenweit entfernten Orten zur Versammlung herbeigeeilt, ebenso in Jever  , und dies trotz der grimmen   Kälte und des hohen Schnees. Es ist dies sicherlich ein Beweis von dem hohen Interesse, welche das zu behandelnde Thema erweckt hatte. In sämmtlichen Versammlungen fand die Protestreso­lution gegen den Brotwucher einstimmige und begeisterte Annahme. In Varel   sprach nicht nur der Genosse Hug noch zum Thema, son­dern auch der Redakteur der freisinnigen Zeitung, Herr Dr. Almers. In scharfen Worten geißelte auch er den Brotwucher und forderte seine ziemlich gut vertretenen Parteifreunde auf, für die Resolution zu stimmen. Das Gemeingefährliche der unverschämten Forderungen tritt gerade in den vier Orten scharf in Erscheinung. Hier herrscht entsetzliche Arbeitslosigkeit und in der Folge ist die Noth so hoch ge­stiegen, daß die private Mildthätigkeit z. B. in Norden 250 Kindern Mittagsbrot verabfolgen läßt.

L. Z.

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In der Zeit vom 2. bis 20. Februar unternahm Genossin Greifenberg   eine Agitationstour durch den Thüringer Wald.  Versammlungen fanden statt in: Sonneberg  , Hüttensteinach  , Steinach  , Neustadt, Lauscha  , Schaltau, Waltershausen  , Ilmenau  , Ohrdruf  , Erfurt  , Apolda  , Pößneck  , Gräfenthal  , Rudolstadt   und Koburg  . Außer in Ilmenau  , wo Genossin Greifenberg   über Brotwucher und die Arbeiter" referirte, hatten die Genossen überall das Thema gewählt: Kann die Arbeiterin ihre Pflichten als Gattin und Mutter erfüllen und wer schützt ihre Gesundheit?" Die Versammlungen waren durchweg zahlreich von Arbeiterinnen besucht. In einigen Orten stellten sogar die Frauen den weit größeren Theil der Zuhörer. Der Umstand verdient um so mehr Anerkennung, als es sich um Frauen handelt, die den ganzen Tag angespannt arbeiten müssen, um den Verdienst der Familie etwas zu erhöhen, und die erst des Abends die Kinder und die Hausarbeit besorgen tönnen. Daß sie es trotz dieser Ver­hältnisse möglich machten, in die Versammlungen zu kommen, bezeugt ihr großes Interesse an der Arbeiterbewegung. Vielen Frauen wurde der Versammlungsbesuch nur dadurch ermöglicht, daß die Männer es für ihre Pflicht hielten, an diesem Abend bei den Kindern zu Haus zu bleiben und so der Frau Gelegenheit zu geben, sich Aufklärung und Anregung zu holen. Das Verhalten dieser Männer verdient nicht nur gelobt, sondern vor Allem nachgeahmt zu werden. Sprechen doch die mannigfaltigsten Gründe dafür, daß es im Interesse des ein­zelnen Arbeiters und seiner Familie wie des gesammten Proletariats liegt, daß die proletarischen Frauen aufgeklärt und in ihrem Wissen gefördert werden. Die Aufmerksamkeit, mit welcher die Arbeiterinnen den Ausführungen der Referentin folgten, und die gesunden An­sichten, welche manche von ihnen im Privatgespräch entwidelten, geben berechtigte Hoffnung, daß auch im Thüringer Wald  , wo die Schönheit der Natur so groß und die Armuth der werkthätigen Be­völkerung so bitter ist, der ausgestreute Same aufgeht und in die Halme schießt. Auch hier müssen die Arbeiter und Arbeiterinnen zu der Erkenntniß kommen, daß ihr schwarzes Elend nur in der Gegenwart gemildert und in der Zukunft ganz beseitigt werden kann, wenn sie selbst Hand ans Werf legen und Theil nehmen am Kampfe wider die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung. In allen Versammlungen wurde die Resolution, den Arbeiterinnenschutz M. G. betreffend, einstimmig angenommen.

Notizentheil.

( Von Lily Braun   und Klara Betkin.).

Weibliche Fabrikinspektoren.

Die Anstellung einer Fabrikinspektorin für Hamburg  haben die Genossinnen von der Hamburger Bürgerschaft in einer Petition gefordert, die in sämmtlichen Versammlungen zur einstim­migen Annahme gefangte, in denen Genossin Ihrer Türzlich in Ham­ burg   über den Arbeiterinnenschutz sprach. Die Petition lautet: ,, An die Hamburger Bürgerschaft,

zu Händen des Ausschusses zur Vermehrung der Gewerbeauf­sichtsbeamten.

Die Unterzeichnete erlaubt sich, folgende Petition der Hamburger Bürgerschaft beziehungsweise dem Ausschuß für die Vermehrung der Gewerbeaufsichtsbeamten zu unterbreiten und um Durchführung der darin niedergelegten Forderungen zu ersuchen.

In Erwägung:

daß laut den Berichten des Hamburger Gewerberaths die Zahl der weiblichen Arbeiter auch in Hamburg   ständig im Steigen be­griffen und in manchen Betrieben diese Beschäftigung mit Gefahren sittlicher Natur für die Arbeiterinnen verbunden ist;

in weiterer Erwägung:

daß in solchen Fällen sittlicher Gefahr, ferner wenn Schwangere oder Wöchnerinnen eine Rücksichtnahme auf ihren Zustand be anspruchen können, die Scham sie oft abhalten wird, ihr Anliegen und ihre Beschwerden einem Manne zu unterbreiten, halten die sozialistischen   Frauen und Mädchen Hamburgs   die Anstellung eines weiblichen Gewerberaths für dringend nothwendig.

Sie haben daher mit Genugthuung Kenntniß genommen von den Verhandlungen der Bürgerschaft am 19. Dezember v. J. Sie sprechen die Erwartung aus, daß der zur Prüfung der Frage ein­gesetzte Ausschuß entsprechend dem Vorgehen anderer Bundesstaaten zu dem Entschluß gelangen wird, die Anstellung weiblicher Gewerbe­