Daß die Niedrigkeit der Löhne der Männer der Hauptgrund der Fabrikarbeit der Frauen ist, haben wir bereits betont. Es sei noch erwähnt, daß im Regierungsbezirk Erfurt der wöchentliche Durchschnittslohn der Männer 12,66 Mt. beträgt. Jm Aachener Bezirk erzielten 358( 18 Prozent) von 1946 Frauen höhere Löhne als ihre Männer, in der Textilindustrie sogar 293( 23,5 Prozent) von 1247. Von den 358 Frauen verdienen 125 pro Woche über 6 bis 14 Mf. und 223 über 14 bis 30 Mt., davon aber nur 25 über 20 Mt. In den Regierungsbezirken Hildesheim und Lüneburg haben die Männer von 156 Fabrikarbeiterinnen keinen Verdienst, die von 1167 Arbeiterinnen erhalten Wochenlöhne von 12 bis 15 Mt., 636 Männer von über 15 bis 21 Mt. und 168 von über 21 bis über 29 Mt. Von den Frauen kamen wöchentlich 130 auf einen Lohn bis zu 5 Mt., 238 von über 5 bis 6 Mt., 275 von über 6 bis 7 Mt., 557 von über 7 bis 8 Mt., 613 von über 8 bis 9 Mt. und 1298 über 9 Mt. Die große Mehrzahl derselben verdient also weniger als 9 Mt. Zu diesen Angaben wird im Bericht bemerkt, daß im Regierungsbezirk Hildesheim die Fabrikarbeit der Frau erheblich nachläßt, wenn der Mann über 15 Mt. die Woche verdient, in Lüneburg tritt dieser Rückgang erst bei einem Wochenverdienst des Mannes von über 18 Mt. hervor. Aus dem Regierungsbezirk West preußen erfahren wir, daß in Konig die Männer, meist Hausarbeiter in der Schuhfabrikation, bei besonderem Geschick 7 bis 9 Mt., sonst 4 bis 5 Mt. in der Woche verdienen. Nach dem Gewerbeinspektor in Danzig beträgt der Wochenverdienst der gelernten Fabrikund Bauarbeiter 15 bis 20 Mt., der Hafenarbeiter( nur vorübergehend) bis zu 25 Mt., der Fabriftagelöhner und Fabrikkutscher 10 bis 12 Mt. Im Durchschnitt stellen sich die Arbeitslöhne der Frauen auf 1/2 bis% derjenigen der Männer. In Elbing fanden sich 188 verheirathete Fabritarbeiterinnen, deren Männer weniger als 15 Mt. wöchentlich verdienten, in 66 Fällen betrug der Verdienst weniger als 10 Mt. und in 7 Fällen weniger als 5 Mt. Den Wochenverdienst der Ehemänner von 267 Fabrikarbeiterinnen hat der Gewerbeinspektor in Elbing auf durchschnittlich 10,76 Mt. festgestellt, den durchschnittlichen Wochenverdienst von 235 Arbeiterinnen auf 7 Mt. Aus diesen Zahlen dürfte zweifelfrei hervorgehen, bemerkt dazu der Gewerberath in Danzig , daß Frauen nur vereinzelt in Fabriken arbeiten, ohne durch die Verhältnisse dazu gezwungen zu sein, daß dagegen in den überwiegend meisten Fällen die Frauenarbeit einen wesentlichen Theil des zum Unterhalt der Familie erforderlichen Verdienstes herbeischaffen muß, daß also ihre Beseitigung ohne schwere wirthschaftliche Schäden in absehbarer Zeit nicht in Aussicht genommen werden kann. In den Regierungsbezirken Hannover , Stade , Osnabrück und Aurich verdienen pro Woche 102 verheirathete Arbeiterinnen bis zu 6 Mf., 982 von 6 bis 9 Mt., 2010 von über 9 bis 12 Mt. und 1083 über 12 Mt. Die große Mehrzahl bleibt also mit ihrem Erwerb unter 12 Mt. zurück. Der wöchentliche Durchschnittslohn ist auf 10,50 Mt. berechnet. In Schleswig betragen die Tagelöhne der männlichen Hilfsarbeiter 2,20 und 3 Mf., der Tagesverdienst der im Akkord arbeitenden gelernten Arbeiter steigt bis auf 5 Mk. und darüber. Die Tagelöhne der Frauen schwanken zwischen 7,50 und 12 Mt. wöchentlich und betragen etwa 9 Mt. Derartige Löhne kann man ohne Uebertreibung als Hungerlöhne bezeichnen, und zwar die Löhne der Frauen wie die der Männer. Es kommt vor, daß Mann und Frau arbeiten und beide zusammen nicht so viel erwerben, als der Mann bei ordentlicher Entlohnung seiner Arbeitsleistung allein verdienen sollte.
Für diese Hungerlöhne aber muß der größte Theil der Kraft des Lebens hingeopfert werden, da die Arbeitszeit meistens eine noch viel zu lange ist. Sie beträgt im Regierungsbezirk Frank furt a. D. für die Arbeiterinnen regelmäßig 11 Stunden, nur in wenigen Betrieben 10, in einigen Großbetrieben des polygraphischen Gewerbes 92 und 9 Stunden; in der Provinz Posen in der Regel 10, höchstens 11 Stunden; im Regierungsbezirk Breslau für 70 Prozent 10 und über 10 bis 11 Stunden, für 30 Prozent weniger als 10 Stunden. Jm Regierungsbezirk Magdeburg stellt sich die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit der Arbeiterinnen auf 9,73 Stunden, im Regierungsbezirk Merseburg auf 10 Stun den; im Regierungsbezirk Erfurt arbeitet die kleinere Hälfte der Arbeiterinnen( 783) 8 und 9 Stunden, die größere Hälfte( 927) 10 und 11 Stunden; in Berlin- Charlottenburg hat der größte Theil der Arbeiterinnen eine tägliche Arbeitszeit von 9 bis 10 Stun den, nur in 11 Prozent der Betriebe mit 25 Prozent der Frauen wird länger geschafft. Im Regierungsbezirk Köln arbeiten 50 Prozent aller Arbeiterinnen 10, eine kleinere Zahl unter 10 und eine größere Zahl bis 11 Stunden täglich. In manchen Fabriken der verschiedenen Aufsichtsbezirke, so namentlich in Zigarrenfabriken, wo die Affordarbeit fast ausschließlich vorherrscht, wird den verheiratheten Arbeiterinnen eine gewisse Bewegungsfreiheit gelassen und nicht die
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strikte Einhaltung einer bestimmten Arbeitszeit gefordert, aber natürlich nicht aus reiner Humanität, sondern weil sonst auf manche verheirathete Fabrikarbeiterin verzichtet werden müßte.
Die Mittagspause scheint nach den Berichten vielfach eine 1/ 2stündige zu sein. So haben die verheiratheten Arbeiterinnen im Regierungsbezirk Potsdam durchwegs eine um eine halbe Stunde längere Mittagspause als die unverheiratheten; in manchen Betrieben der Textilindustrie kommen und gehen die Arbeiterinnen nach Belieben, so daß stellenweise eine zweistündige Mittagspause herauskommt. Jm 3. Berliner Inspektionsbezirk hatten 62 Prozent der Frauen eine einstündige, 25 Prozent derselben eine 1½stündige Mittagspause. Bei den weiten Wegen, die die Berliner Arbeiter bis nach Hause haben, sucht man aber Arbeitszeit und Pausen möglichst zu kürzen, um früh heimzukommen und Mittags den anstrengenden Weg zu sparen. Es arbeiten deshalb( namentlich in Buchdrucke reien und der Papierindustrie) 13 Prozent der Frauen mit 1stündiger Mittagspause. Die hierzu nothwendige Genehmigung ist nur dann ertheilt worden, wenn die Arbeitszeit auf 9 Stunden oder weniger verkürzt wurde." Nach dem Bericht scheint es, daß die vorstehenden Ausführungen für die einschlägigen Verhältnisse in Berlin recht vielfach gelten. Im Re gierungsbezirk Oppeln haben nur in Fabriken ohne maschinellen Betrieb die Frauen eine verlängerte Mittagspause und dementsprechend türzere Arbeitszeit. Im Regierungsbezirk Magdeburg beträgt die durchschnittliche Dauer der Mittagspause 1 Stunde, im Re gierungsbezirk Erfurt in den meisten Fabriken 12 Stunde, im Regierungsbezirk Düsseldorf in der Regel, speziell in der Textilindustrie, 1 Stunde. Für sehr viele Arbeiterinnen steht aber die Bestimmung der Gewerbeordnung, wonach ihnen auf ihr Ansuchen eine um 2 Stunde verlängerte Mittagspause gewährt werden soll, nur auf dem Papier, und im Bericht über die Provinz Ostpreußen wird offen bemerkt, daß viele Betriebsunternehmer grundsätzlich keine Arbeiterinnen einstellen, die von der erwähnten Gesetzesvorschrift Gebrauch machen. Loyal ist diese Praxis gewiß nicht, aber dafür echt kapitalistisch.
Was die Einwirkung der Fabrikarbeit auf die Gesundheit der Arbeiterinnen anbelangt, so bestätigen die vorliegenden ärztlichen Gutachten, was zu der wichtigen Frage in anderen Fabritinspektionsberichten festgestellt worden ist, die in der„ Gleichheit" bereits besprochen worden sind.
Die mancherlei Nachtheile, welche die Fabrikarbeit verheiratheter Frauen zur Folge hat, werden in dem Bericht der preußischen Fabrikinspektoren von vielen Seiten anerkannt, von anderen dagegen bestritten, womöglich unter Beschönigung der in Betracht kommenden Verhältnisse. Einig sind so ziemlich alle Gutachter darin, daß ein Verbot der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen nicht angebracht sei, da es nicht zur Erreichung des gewollten Zweckes führen, sondern neue trasse Mißstände anderer Art herbeiführen werde. So vor allem eine weitere Ausdehnung der verwerflichen Hausindustrie, der die Fabrikarbeit vorzuziehen ist, ferner eine empfindliche Verschlechterung der wirthschaftlichen Verhältnisse sehr vieler Arbeiterfamilien; eine Verminderung der Arbeiterehen und Zunahme des Konkubinats 2c. Der Liegniger Beamte bezeichnet es als einen„ idealen Zustand", daß die Frau ihrem Hauswesen erhalten bleibe, doch erachtet er diesen idealen Zustand aus den verschiedensten Gründen heute für noch nicht realisirbar. Mehrere andere Fabrifinspektoren äußern sich dem Sinne nach ähnlich.
Aus sanitären Gründen wird im Bericht von mehreren Seiten ein Verbot der Frauenarbeit in verschiedenen besonders gesundheitsschädlichen Betrieben gefordert. Der Potsdamer Regierungs- und Medizinalrath befürwortet den Ausschluß der Frauenarbeit für Quecksilberspiegelbelegeanstalten, Zinkhütten, Industrie der Explosivstoffe, Phosphorzündholzfabriken, Anlagen zur Verarbeitung von Thierhaaren, für die Arbeiten in stark erhitzten Räumen, in komprimirter Luft, sowie für alle Arbeiten, die mit schädlicher Staubentwicklung, mit der Entwicklung giftiger Gase und Dämpfe verbunden sind; ferner für Arbeiten, die erhebliche Erschütterungen des Körpers mit sich bringen, oder übermäßige Muskelanstrengungen, den anhaltenden Gebrauch einzelner Organe und Muskelgruppen oder die eine besondere, anhaltende Aufmerksamkeit erfordern. Von anderen Potsdamer Aerzten werden noch als gesundheitsschädliche Betriebe bezeichnet: Fabriken künstlicher Blumen, in welchen die Gesundheitsschädigungen offenbar durch giftigen Farbstaub herbeigeführt werden, Kaltvulkanisiranstalten der Gummifabriken und die Zigarrenfabriken. Der Breslauer Bericht rechnet unter die Beschäftigungen, welche die Gesundheit der Frauen schädigen, das Steinetragen bei Bauten, das Stoßbohren von Schießlöchern in Steinbrüchen, das Karren von Lasten auf unebener Erde, die Arbeit