eifrigst auf den Beinen, um ein so staatsgefährliches Ereigniß zu verhüten. Erst sollte die Versammlung überhaupt nicht stattfinden, weil die landräthliche Genehmigung trotz rechtzeitiger Anmeldung»och nicht da war. Eine halbe Stunde vor Beginn der Versammlung kam sie aber zum Glück noch. Als wir zum Lokal kamen, fanden wir vor der Thüre desselben einen großen Trupp junger Mädchen und Burschen.„Sie lassen uns nicht hinein", war die Antwort auf unsere Frage. Da ein Gesetz, das die Minderjährigen vom Besuch nichtpolitischer Versammlungen ausschließt, im Meiningischen nicht besteht, forderten wir die Leute auf, uns zu folgen. Richtig, oben an der Saalthür stand der Herr Wachtmeister und fragte jeden Ankömmling, bevor er ihn eintreten ließ:„Bist Du 21 Jahre alt?" Beiläufig gesagt, dies patriarchalische„Du" diente ihm auch zur Anrede der älteren Leute. Genosse Wiesen aus Erfurt und die Referentin suchten ihm nun klar zu machen, daß es sich nicht um„Berathung öffentlicher Angelegenheiten", sondern um rein gewerkschaftliche Fragen handle. Aber vergebens, er blieb dabei:„Die Minderjährigen müssen hinaus". Ho mußte denn der größte Theil der Versammlungsbesucher wieder abziehen, und die Versammlung wurde vor ungefähr SV Zuhörern eröffnet. Die Referentin sprach zunächst von der Entwicklung der Frauenarbeit, ihren Gründen und Folgen, und führte dann aus, daß nur durch kräftigen Zusammenschluß der Arbeiter und Arbeiterinnen den unheilvollen Folgen der Frauenarbeit— Unterbietung der männlichen Arbeiter, gesundheitliche und sittliche Schädigungen für die Frauen und die kommende Generation, Untergrabung des Familienlebens u. s. w.— wirksam entgegengetreten werden könnte. „Auch die Gestaltung der gesetzlichen Arbeiterschutzbestimniungen hängen davon ab, ob die Arbeiter eine Macht bilden, die den herrschenden Kreisen Respekt einflößt. Die Industriellen, die Landwirthe wissen die Macht der Organisation besser zu schätzen und ernten die Früchte davon. Wenn die Arbeiter sich ihrer Machtmöglichkeit mehr bewußt wären, wenn sie in ihrer größten Menge organisirt wären, dann wären auch solche Vorkommnisse, wie die des heutigen Abends, unmöglich; dann könnte es nicht mehr geschehen, daß junge Leute— alt genug, in Fabriken sich ausbeuten zu lassen, nach China geschickt zu werden oder von ihrem bischen Verdienst Steuern zu zahlen— aus Versammlungen, in denen ihre wichtigsten Lebensinteressen besprochen werden sollten, hinausgewiesen würden. Mit derartigen Bestimmungen würde bald aufgeräumt sein, wenn die Arbeiter Mann für Mann organisirt wären." Bei diesen Worten löste der Ueber- wachende die Versammlung auf mit der sonderbaren Begründung: dieses Schimpfen auf die Regierung dulde er nicht. Wir waren alle darüber einig, daß die Vereitlung der Versammlung von vornherein beabsichtigt war. Man erzählt, daß der Geschäftsführer der größten Fabrik am Orte in den letzten Tagen wiederholt bei Bürgermeister und Polizei gewesen sei— kurz, es ist klar, daß man die junge Zahlstelle vernichten möchte, wie man es vor zwei Jahren gethan hatte. sichtig verwaltet. Wie sie im persönlichen Umgange und im kleinen Kreise eine unermüdliche Agitatorin war, so erlahmte auch ihr Eifer nie bei der so wichtigen, aber aufreibenden und oft undankbaren organisatorischen Kleinarbeit. Welche Fülle von Arbeit hat sie nicht allein aufgewendet, damit bei der IS98er Reichstagswahl sich eine größere Anzahl von Genossinnen der Parlei für Flugblälteraustragen, Stimmzettelvertheilen:c. zur Verfügung stellten. Was Genossin Bode für den Befreiungskampf der Arbeiterklaffe leistete und opferte, das nahm sie nicht von überflüssiger Zeit und reichlichen Mitteln. Neben dem Wirken für die sozialistischen Ideale ging die häusliche Arbeit, ging das Ringen um die Existenz. Wie oft fand nicht die späte Nacht, der frühe Morgen sie noch bei der Lektüre, der Arbeit! Für die Arbeit und den Kampf brachte sie stets einen frohen Muth mit, der in dem Bewußtsein der Treue gegen sich selbst und einem glücklichen Familienleben erwuchs. Die Lücke, die ihr Tod in ihre Familie, in die Reihe der Genossinnen von Kiel gerissen hat, wird noch lange schmerzlich fühlbar bleiben. In welch hohem Maße sich die Verstorbene der Achtung und Liebe ihrer Ideen- und Kampfesgefährtinnen und-Gefährten erst mte, das zeigte der herrliche Blumenschmuck, der an ihrem Sarge niedergelegt wurde. Die proletarische Frauenbewegung Kiels und ganz Deutschlands ist Genossin Bode über das Grab hinaus zu Dank verpflichtet. Die Verstorbene hat uns Früchte treuen Schaffens und ein Beispiel geschenkt, das in seiner schlichten Größe jede Proletarierin mahnt: „Gehe hin und thue desgleichen." Wenn das kämpfende Proletariat in ehrfurchtsvoller Anerkennung all Derer gedenkt, die von großen Kreisen ungenannt und unbekannt ihr Bestes für das Ideal der Frei- heil, Gleichheit und Brüderlichkeit eingesetzt haben, dann fällt auch stets aufs Neue ein frischer Lorbeerzweig auf Katharina Bode's Grab. Unsere Genossin hat genug gelebt für alle Zeiten, denn sie hat dem Besten ihrer Zeit gelebt. Diesmal hat man aber hoffentlich die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Unter den Wesunger Tabakarbeitern und-Arbeiterinnen, besonders auch unter den ausgesperrten jugendlichen, mit denen wir »och lange in der Gaststube zusammensaßen, ist so reges Leben, sind so frische und begeisterungsfähige Gesellen und war der Zorn über die erlittene Vergewaltigung so groß, daß die Bewegung diesmal nicht wieder so leicht erstickt werden kann. So ist zu hoffen, daß der Wesunger Behörde, die ihrem alten Rufe wieder einmal alle Ehre gemacht hat, die richtige Quittung für ihre großen Thaten ausgestellt werde. D. Aus der Bewegung. Von der'Agitation. Gegen die Erhöhung der Getreidezölle fanden Anfang März im Agitationsbezirk Zwickau (Sachsen ) eine Reihe von Versammlungen statt, in denen Genossin Kähler- Hamburg referirte. Leider stehen den Genossen in den einzelnen Orten der Gegend keine größeren Säle zur Verfügung, so daß vielfach nur Mitgliederversammlungen der sozialdemokratischen Vereine abgehalten werden konnten. In Wilkau war die Versammlung sehr gut besucht und führte der Parteiorganisation neue männliche und weibliche Mitglieder zu. Leider wurde die Versammlung aufgelöst, da der Herr Gemeinderathsvorsteher, der selbst zur Ueberwachung erschienen war, eine Kritik seines Verhaltens im Gemeinderath betreffs der Erhöhung der Ge- lreidezölle nicht vertragen konnte. Bemerkenswerth ist, daß an dem gleichen Tage im Zwickauer Bezirk nicht weniger als drei Versammlungen der Auflösung verfielen. Die Versammlung in Nieder- Planitz brachte der Parteiorganisation 7V neue Mitglieder. In Schedewitz wurde die Versammlung verboten, in Folge dessen fand nur eine zwanglose Unterhaltung der Referentin mit den zahlreich erschienenen Frauen statt. Das Resultat war, daß sich eine ganze Anzahl Personen zum Eintritt in den sozialdemokratischen Verein für Zwickau und Umgegend meldeten. Die Versammlung in Liebsch witz , wie die im„Feldschlößchen" Zwickau war stark besucht, auch in letztgenanntem Orte gewann die Partei eine Anzahl neuer Mitglieder. Eines sehr zahlreichen Besuchs von Männern und Frauen erfreute sich die Versammlung in Lengenfeld i. Voigt land. Als Kuriosum sei verzeichnet, daß es der Referentin nicht möglich war, in diese,» Orte Nachtlogis zu erhalten. Der Gasthofbesitzer erklärte, Frauen nehme er nicht über Nacht auf. Die Referentin war also gezwungen, dem ungastlichen Orte noch in der Nacht den Rücken zu kehren und anderwärts Unterkunft zu suchen. In allen Versammlungen wurde eine Resolution angenommen, die gegen jede Erhöhung der Lebensmittelzölle prolestirt und deren gänzliche Beseitigung fordert. VV. X. Im Austrage des Zentralagitationskomites für Sachsen sprach Genossin Kähler-Hamburg in einigen Versammlungen in Dresden und Umgegend über„Die Stellung der Frau zu dem geplanten Brotwucher." In Dresden war die Versammlung sehr gut von Frauen besucht. Den Ausführungen der Referentin ward ungetheilte Ausmerksamkeit zu Theil. Acht bis an die Zähne bewaffnete Schutzleute hielten sich im Nebenraum auf, offenbar„um bei einer etwa ausbrechenden Revolution" sofort zur Stelle zu sein. JnGrödel hatte sich eine große Anzahl Personen, meistens Tagelöhner mit ihren Frauen, zur Versammlung eingefunden. Der bekannte, schneidige Herr Assessor unterbrach diesmal die Referentin„nur" einmal, um derselben ein„das gehört nicht zur Tagesordnung!" zuzurufen. Ein Genosse, der sich an der Diskussion betheiligte, wurde mit dem bekannte» sächsischen Maulkorb beglückt. Auch in Kleinzschachwitz war die Versammlung trotz der herrschenden Arbeitslosigkeit sehr gut besucht. In Mügeln mußten leider die zur Versammlung erschienenen Personen wie die Reserentin unverrichteter Sache wieder umkehren, da aus irgend einem Grunde die Versammlung nicht polizeilich angemeldet worden war. Es scheint dort die schlechte Angewohnheil zu herrschen. daß Einer die Arbeit auf den Anderen schiebt, jedenfalls nicht zum Vortheil der Parteiorganisation. Die Versammlung in M e i ß e n erfreute sich eines guten Besuches. In allen Versammlungen wurde eine Protestresolution angenommen, die sich gegen jede Besteuerung der Lebensmittel ausspricht. Der politischen Organisation wurden eine stattliche Anzahl neuer Mitglieder gewonnen. In Großenhain griff Genossin Kühler in die Diskussion einer Protestversammlung ein, die von dem Gewerkverein einberufen worden, aber zu vier Fünfteln von Parteigenossen und nur zu einem Fünftel von Gewerkvereinlern besucht war. Herr Klein-Berlin verstand es als Referent meisterhaft,„nach oben" nicht anzuecken und seine Getreuen doch zu befriedigen. Als Genossin Kühler in der Diskussion sprach, geberdete sich ein Herr Lieber, früher einmal Reichstagsabgeordneter des Kreises, wie toll. Dem Herr» schien es unbegreiflich, daß eine Frau zu dem geplanten Brotwucher das Wort nahm. Mehrere Male mußte dem Herrn seitens
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11 (10.4.1901) 8
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